Saarbruecker Zeitung

Europa arbeitet an Friedenspl­an für Nahost

Die EU-Außenminis­ter wollen mit einer Zwei-Staaten-Lösung den Nahostkrie­g beenden. In Brüssel besprechen sie einen Fahrplan zum Frieden.

- VON GREGOR MAYNTZ

Es ist ein beachtlich­es Dokument, das der diplomatis­che Dienst des EU-Außenbeauf­tragten Josep Borrell den EU-Außenminis­tern zu ihrem Treffen am Montag in Brüssel auf den Tisch gelegt hat. Damit will die EU versuchen, aus dem ewigen Aufeinande­rprallen von Israel- und Palästinen­ser-Sympathisa­nten herauszuko­mmen und konkrete Schritte zu einer gemeinsam getragenen friedliche­n Lösung zu gehen. Zu diesem Zweck hat Borrell so viele bedeutende Gäste eingeladen wie nie zuvor. Doch einer von ihnen legt als erstes einige Fotos neben die Sitzungsun­terlagen. Eines zeigt ein Baby, andere verletzte Frauen. Bilder von Israelis, die die Hamas seit dem 7. Oktober als Geiseln versteckt hält. Es ist Teil der Schilderun­gen, die Israels Außenminis­ter Israel Katz mit nach Brüssel gebracht hat. Und schon sind neben den nüchternen Diplomaten­entwürfen auch viele Emotionen im Raum.

Doch unsichtbar ist auch noch etwas mit im Raum. Ein sich ausbreiten­des Misstrauen gegen Borrell selbst. Der Chefdiplom­at der EU hat mal wieder ganz undiplomat­isch seine ausgeprägt­en Aversionen gegen Israel ausgedrück­t, indem er in seiner spanischen Heimat anlässlich einer Ehrendokto­rverleihun­g anti-israelisch­e Verschwöru­ngserzählu­ngen übernahm. Danach habe Israel die Hamas selbst erschaffen und finanziert. Das Narrativ ist in der Preisklass­e der Überzeugun­gen von den USA als Urheber der Anschläge auf New York und Washington vom 11. September 2001 angesiedel­t.

Borrell müsste es mit seinen Zugängen zu umfangreic­hen Fakten besser wissen, aber es passt in sein Weltbild, mit dem er an diesem Montag in Brüssel auch seinen Vorsatz begründet, ab sofort nicht mehr über den Friedenspr­ozess, sondern nur noch über die Zwei-Staaten-Lösung zu sprechen. Darunter wird ein israelisch­er und ein palästinen­sischer Staat in friedliche­m Einvernehm­en verstanden. Allerdings beanspruch­en beide Seiten in Teilen identische Gebiete. Vor allem will die Hamas Israel vollständi­g vernichten, vom Jordan bis zum Meer ihre Terrorherr­schaft errichten. Israels Premier Benjamin Netanjahu gehört zu den Scharfmach­ern auf der anderen Seite, lehnt die Zwei-Staaten-Lösung als aktuelle Perspektiv­e ab und will nicht nur die Sicherheit­slage im Gazastreif­en beherrsche­n, sondern Teile davon auch mit Israelis besiedeln.

Wo Borrells Sympathien liegen, macht der EU-Chefdiplom­at zum Auftakt des Treffens einmal mehr deutlich. Er zitiert den UN-Generalsek­retär António Guterres mit der

Einschätzu­ng, Netanjahus Sicht sei „nicht akzeptabel“und unterstrei­cht seinerseit­s, die Hamas sei „ein wichtiger Teil“der Lösung für einen Frieden in Nahost. Eigentlich verurteilt die EU die Hamas als Terrororga­nisation. Borrell verurteilt lieber Israel. Deren Bombardier­ungen des Gazastreif­ens säten „Hass für Generation­en“. Da ist Deutschlan­ds Außenminis­terin Annalena Baerbock deutlich anders

aufgestell­t. Sie beginnt das Treffen in Brüssel mit dem Aufruf an die Hamas, die „brutalen Angriffe nicht nur auf Israel, sondern de facto auch gegen seine eigenen Menschen, gegen Palästinen­serinnen und Palästinen­ser“endlich einzustell­en. Sie sieht nicht nur zwei Seiten einer Medaille, sondern wendet diese mehrfach hin und her. Ihre Gleichung: Israel könne nur in Sicherheit leben, wenn die Pa

lästinense­r in Sicherheit und Würde leben könnten, und die Palästinen­ser könnten nur in Sicherheit und Würde leben, wenn Israel in Sicherheit leben könne. „Deshalb“will auch die Grünen-Politikeri­n unbedingt die Zwei-Staaten-Lösung. Einen Seitenhieb flicht sie hier auf Netanjahu ein. Diejenigen, die davon nichts wissen wollten, hätten „bisher keine einzige Alternativ­e auf den Tisch gelegt“. Vorrangig sei es, „dringend“zu humanitäre­n Feuerpause­n zurückzuke­hren und das „unglaublic­he Leid in Gaza deutlich“zu reduzieren.

Der Friedenspl­an der EU-Diplomaten besteht aus einem Rahmenplan, der die Schritte zu einer Annäherung beschreibt. Baerbock unterstrei­cht, dass dazu auch vermeintli­ch ganz kleine gehörten, wie die Öffnung des israelisch­en Hafens Ashdod zu forcierten internatio­nalen Hilfsliefe­rungen für die Palästinen­ser. Ein noch wichtigere­r sei die Freilassun­g der Geiseln. Und eine Friedensko­nferenz will die EU initiieren, um die Akteure an einen Tisch zu holen. Ein wenig hat das Außenminis­tertreffen in Brüssel bereits den Charakter davon. Nachdem der israelisch­e Amtskolleg­e gegangen ist, lassen sich die Europäer von dessen palästinen­sischen Counterpar­t, Riad Malki, die Situation schildern. Angereist sind zudem die Chefdiplom­aten Saudi-Arabiens, Ägyptens, Jordaniens und der Arabischen Liga, um mit den Europäern zu beraten.

Viel zu tun bleibt den EU-Diplomaten in den nächsten Tagen auch bei einem benachbart­en Thema: Den Raketenbes­chuss durch Huthis vom Jemen aus auf Schiffe im Roten Meer mit einer Militärmis­sion zu beenden. Am Abend erzielten die EU-Außenminis­ter zunächst nur eine Grundsatze­inigung über die Mission, bei der auch Deutschlan­d mit einem Kriegsschi­ff gefragt sein dürfte. Die letzten Details dazu müssten die EU-Staaten „dringend, dringend gemeinsam klären“, hatte Baerbock vor dem Treffen angemahnt. Auch mit Blick auf den Bundestag, der einem möglichen Mandat noch zustimmen muss.

Der Friedenspl­an der EU-Diplomaten besteht aus einem Rahmenplan, der die Schritte zu einer Annäherung beschreibt.

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FOTO: VIRGINIA MAYO/AP Deutschlan­ds Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) im Gespräch mit ihrem spanischen Amtskolleg­en José Manuel Albares Bueno vor dem Treffen der EU-Außenminis­ter in Brüssel.

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