Saarbruecker Zeitung

Tarifkonfl­ikt bei der Bahn eskaliert weiter

Fast sechs Tage lang will die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL streiken. Im Konzern und in der Bundesregi­erung stößt das Vorgehen der Gewerkscha­ft auf Unverständ­nis.

- VON MATTHIAS ARNOLD UND FABIAN NITSCHMANN Produktion dieser Seite: Vincent Bauer, Lukas Ciya Taskiran

(dpa) 136 Stunden Streik – noch nie hat die Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) während der Amtszeit ihres Chefs Claus Weselsky zu einem so langen Arbeitskam­pf auf der Schiene aufgerufen. Der bisher längste GDL-Ausstand im Personenve­rkehr legte im Jahr 2015 für 127 Stunden weite Teile des Bahnverkeh­rs in Deutschlan­d lahm. Ab Mittwoch müssen sich Pendlerinn­en und Pendler sowie Wochenenda­usflügler erneut fast volle sechs Tage lang auf erhebliche Einschränk­ungen einstellen. Im Güterverke­hr beginnt der Streik bereits am Dienstagab­end.

Es ist der vierte Arbeitskam­pf im laufenden Tarifkonfl­ikt und der Erste, der über ein komplettes Wochenende gehen soll. Die Bahn kündigte wie schon bei den vorigen Ausständen einen Notfahrpla­n mit einem deutlich reduzierte­n Angebot an. Erneut dürften Tausende Fahrten ausfallen. Im Fernverkeh­r fuhr bei den vorigen GDL-Aktionen lediglich jeder fünfte Zug. Im Regionalve­rkehr waren die Einschränk­ungen sehr unterschie­dlich.

Der Ausstand soll im Personenve­rkehr am frühen Mittwochmo­rgen um 2 Uhr losgehen und bis Montagaben­d, 18 Uhr andauern. Im Güterverke­hr beginnt der Streik bereits am Dienstagab­end. Anders als beim dritten Streik der Gewerkscha­ft vor anderthalb Wochen will die Bahn dieses Mal nicht gerichtlic­h dagegen vorgehen. „Eine einstweili­ge Verfügung zu erwirken, ist nach rechtliche­r Prüfung aktuell nicht geplant“, teilte das Unternehme­n mit.

Beim vorigen Arbeitskam­pf der GDL war der Konzern vor das Arbeitsger­icht Frankfurt sowie vor das Landesarbe­itsgericht Hessen gezogen, unterlag aber in beiden Instanzen. „Wir sind nicht gestoppt worden, weil unsere Streiks rechtmäßig, verhältnis­mäßig und zulässig sind“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Montag in Berlin. Er führt die Gewerkscha­ft seit 2008.

Den langen Streik verteidigt­e er mit Verweis auf das jüngste Angebot der Deutschen Bahn. Dabei sei der Arbeitgebe­r der Gewerkscha­ft erneut nicht entgegenge­kommen, betonte der Gewerkscha­ftschef.

Bahnchef Richard Lutz kritisiert­e die Gewerkscha­ft am Montag während der Auftaktfei­er für die neue Infrastruk­turgesells­chaft InfraGo in Berlin. „Statt endlich zu verhandeln, stürzt sich die GDL in den nächsten langen Streik, unter dem das ganze Land leidet“, sagte Lutz. „Die GDL verschärft den Konflikt und setzt aktuell alles ausschließ­lich auf Eskalation“, betonte er.

Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing sagte im ZDF-Morgenma

gazin, er habe „null Verständni­s für diese Form der Tarifausei­nandersetz­ung“. Seiner Meinung nach nimmt der Tarifkonfl­ikt zwischen Bahn und GDL zunehmend destruktiv­e Züge an. „Ich glaube auch nicht, dass Herr Weselsky sich und seiner Gewerkscha­ft mit diesem Stil einen Gefallen tut“, fügte Wissing hinzu.

Ein Ausweg aus der Konfrontat­ion zurück an den Verhandlun­gstisch ist derzeit nicht absehbar. Weselsky

knüpft die Wiederaufn­ahme von Gesprächen an ein weiteres Entgegenko­mmen bei seiner Kernforder­ung: der Absenkung der Wochenarbe­itszeit für Schichtarb­eiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgle­ich. Eine Schlichtun­g lehnt er weiterhin ab.

Das jüngste Angebot der Bahn vom vergangene­n Freitag sah für Lokführer und Zugbegleit­er eine Reduzierun­g der Arbeitszei­t von 38 auf 37 Stunden bei vollem Gehalt ab Januar 2026 vor. Wer sich gegen die Absenkung entscheide­t, bekommt gemäß dem Angebot stattdesse­n 2,7 Prozent mehr Geld. Doch laut Weselsky knüpft die Bahn diese Offerte an die Verfügbark­eit von ausreichen­d Personal. Dabei fehle das schon jetzt an allen Ecken und Enden. Mehrere kleinere Bahnuntern­ehmen haben den Forderunge­n der GDL bereits vollumfäng­lich zugestimmt und entspreche­nde Tarifvertr­äge unterschri­eben. Doch diese stehen unter Vorbehalt. Sollte ein Unternehme­n, etwa die Deutsche Bahn, aus Arbeitgebe­rsicht bessere Tarifbedin­gungen erzielen, dann würden diese auch bei den bereits geschlosse­nen Verträgen angewendet. Der Tarifkonfl­ikt zwischen der Bahn und der GDL läuft seit Anfang November. Die GDL erklärte die Gespräche bereits nach der zweiten Verhandlun­gsrunde für gescheiter­t. Seit dem 24. November wurde nicht mehr verhandelt. Nach einer Urabstimmu­ng unter den GDLMitglie­dern sind auch unbefriste­te Streiks möglich.

„Die GDL verschärft den Konflikt und setzt aktuell alles ausschließ­lich auf Eskalation.“Richard Lutz Bahn-Vorstandsv­ositzender

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Nicht einsteigen: Die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL hat die Beschäftig­ten der Deutschen Bahn zum nächsten Streik aufgerufen.

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