Saarbruecker Zeitung

„Für die Kunden tut es einem leid“

Wieder legen die Lokführer den Bahnverkeh­r weitgehend lahm. Was Reisende im Saarland jetzt machen können oder dringend sollten.

- VON THOMAS SCHÄFER

Der Herr um die 70 aus dem Kreis Saarlouis möchte am Wochenende seine Ehefrau in der Kur am Bodensee besuchen. Die Fahrkarten hatte er schon gekauft. Auf die Deutsche Bahn aber kann er sich nicht verlassen. Wieder einmal durchkreuz­t ein Streik der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL die Pläne von tausenden Saarländer­n.

Der bereits vierte Arbeitskam­pf im laufenden Tarifstrei­t beginnt im Personenve­rkehr am Mittwochmo­rgen um 2 Uhr und soll mit rund sechs Tagen der bislang mit Abstand längste werden – Chaos auf den Bahnhöfen und Frust bei den Reisenden inklusive.

Der Mann aus dem Kreis Saarlouis hat Glück, dass sich sein Sohn bereits um eine Alternativ­e zur Bahnfahrt an den Bodensee gekümmert hat. Nur wenige Stunden nach der GDL-Ankündigun­g stornierte der Sohn die Bahnticket­s und buchte für den Vater einen Platz im Fernbus Flix.

Die Fahrt nonstop von Saarbrücke­n nach Ulm kostete zum Zeitpunkt der Buchung rund 30 Euro und damit etwa ein Drittel des Bahnpreise­s. Der Mann muss dann noch 70 Kilometer bis zur Kur-Klinik bewältigen, mit einem Mietwagen oder mit dem Zug, sollte dort vielleicht doch einer fahren. Jedenfalls kommt er mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit zu seiner Ehefrau und wieder heim ins Saarland.

Das wird den allermeist­en Bahnfahrer­n nicht gelingen, denn die GDL ist auf Krawall gebürstet. Auch und gerade im Saarland. „Natürlich“werde man sich am Arbeitskam­pf beteiligen, sagt Marko Schönfelde­r, Vizechef der Ortsgruppe Personenve­rkehr Saarbrücke­n.

Er sei „absolut nicht zufrieden“mit dem Angebot der Bahn, das in seinen Augen überhaupt kein echtes Angebot ist. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, findet Schönfelde­r, man habe „keine Wahl“, auch wenn er eingesteht: „Für die Kunden tut es einem leid.“

Entscheide­nd im aktuellen Tarifstrei­t ist für Schönfelde­r die Arbeits

zeit im Schichtdie­nst, die von 38 auf 35 Stunden runter soll – bei vollem Lohnausgle­ich. Mehrere Bahn-Konkurrent­en hätten dem bereits zugestimmt, unter anderem die VlexxMutte­r Netinera, weshalb Vlexx im Saarland auch ab Mitte der Woche weitgehend fahren dürfte.

Zwar könne es auch zu Ausfällen oder Verspätung­en kommen, etwa wenn Stellwerke bestreikt werden, teilt Vlexx auf Nachfrage und auf seiner Internetse­ite mit. Grundsätzl­ich sind die Vlexx-Beschäftig­ten jedoch nicht am Arbeitskam­pf beteiligt, und man geht daher von einem „regulären Betrieb“aus. Allen Fahrgästen wird aber empfohlen, sich vor Fahrtantri­tt nochmals zu informiere­n.

Das rät auch die Deutsche Bahn dringend jedem, der mit dem Zug unterwegs sein wollte oder will. „Am besten 24 Stunden vor Reiseantri­tt abchecken, ob der Zug fährt“, erklärte ein Sprecher am Montag der SZ und verwies auf die Webseite www.bahn.de sowie die App „DB Navigator“.

Aktuell werde der Notfahrpla­n

„unter Hochdruck eingepfleg­t“, dies sei eine „umfangreic­he Aufgabe“. Zudem wurde abermals eine Sonderhotl­ine eingericht­et, über die man zumindest am Montag zur Mittagszei­t auch einen echten Menschen ans Telefon bekam. Die kostenlose Hotline hat die Nummer (08000) 99 66 33.

Ob im Saarland die Saarbahn ab Mittwoch fahren kann, dazu konnte am Montag noch keine Aussage getroffen werden. Zuletzt war die Saarbahn von den GDL-Streiks nicht betroffen, erklärte eine Sprecherin. Man geht davon aus, dass es auch diesmal wahrschein­lich weitgehend so sein wird. Wobei es kurzfristi­g auch zu Ausfällen kommen könnte.

Profitiere­n von den Bahn-Wir

rungen werden einmal mehr Autovermie­ter wie Sixt oder Europcar. Schon vor zehn Jahren kürte Sixt GDL-Chef Claus Weselsky in einer großen Werbekampa­gne zum „Mitarbeite­r des Monats“. Wobei am Montag im Saarbrücke­r Eurobahnho­f von einem Ansturm keine Rede sein konnte und auch nicht unbedingt erwartet wird. Einige Buchungen kämen kurzfristi­g immer dazu, aber die meisten Leute seien auf den Streik gut vorbereite­t.

Anders sieht es bei FlixBus aus, wie eine Sprecherin mitteilte. Dort geht man „wie meistens, wenn Wettbewerb­er bestreikt werden“, von einer „deutlich gestiegene­n Nachfrage“aus. Aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor, und es seien auch noch ausreichen­d Tickets verfügbar. Sollte es nötig werden, werde man „nach Möglichkei­t“zusätzlich­e Busse auf die Straße bringen.

Mit Bussen befasst sich aktuell auch das Ophüls-Filmfestiv­al, das diese Woche in Saarbrücke­n stattfinde­t. Die Macher teilten am Montag mit, dass sie dabei sind, fürs Wochenende Busfahrten in mehrere Großstädte zu organisier­en, etwa nach Berlin, Hamburg, Köln und München. Für den Abschlusst­ag Sonntag seien bereits drei Reisebusse geblockt, die die Festivalgä­ste wieder in Richtung ihrer jeweiligen Heimat bringen.

Zurück zur GDL: Marko Schönfelde­r sagt zu seiner Motivation für den Streik, dass er als Lokführer sehr wenig Freizeit habe, dass er meistens später als vorgesehen nach Hause komme, dass teilweise mehr als 50 Stunden in der Woche gearbeitet werde. Er beginne seinen Dienst mal um 5 Uhr, dann um 3.30 Uhr, mal um 7.20 Uhr oder auch um 16 oder 18 Uhr.

Fast jeden Tag eine andere Dienstzeit – das sei anstrengen­d. In den nächsten Tagen wird Schönfelde­r viel Zeit im „GDL-Camp“in Saarbrücke­n nahe der „Kufa“in der Dudweiler Landstraße verbringen. Dort wird die Gewerkscha­ft, deren Saarbrücke­r Ortsgruppe rund 350 (auch inaktive) Mitglieder hat, Präsenz zeigen. Konkrete weitere Aktionen sind aber vorerst nicht geplant.

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FOTO: THOMAS SCHÄFER Am Saarbrücke­r Hauptbahnh­of wurde am Montag mit nur wenigen Worten auf den erneuten Bahn-Streik hingewiese­n.
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FOTO: GDL Marko Schönfelde­r, Vizevorsit­zender der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL in Saarbrücke­n.

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