Saarbruecker Zeitung

Tresorraub in St. Wendel – DNA des Angeklagte­n am Tatort

War er am Tatort – oder nicht? Der Angeklagte sagt: nein. Eine DNA-Spur sagt ja. Nun soll ein Foto die Unschuld des mutmaßlich­en Tresorräub­ers beweisen.

- VON MICHAEL KIPP

Ein Foto mit seiner Nichte ist seine Hoffnung. Das Bild sei auf seinem von der Polizei beschlagna­hmten Mobiltelef­on im Snapchat-Account gespeicher­t. Das Foto zeige ihn am 22. Dezember 2020 mit seiner Nichte zu einer Uhrzeit, die nachweise, dass Önder Y. nicht abends in St. Wendel gewesen sein könnte, dass er nicht Täter Nummer fünf sein könne. So steht es nämlich in der Anklagesch­rift der Saarbrücke­r Staatsanwa­ltschaft.

Zwei Tage vor Weihnachte­n 2020 habe Önder Y. mit vier weiteren Tätern eine Familie in St. Wendel brutal überfallen – die Polizei konnte zunächst nur vier ermitteln, die sind bereits seit Juli 2023 verurteilt. Önder Y. sitzt erst jetzt vor dem Saarbrücke­r Landgerich­t auf der Anklageban­k, weil ihn der Mittäter Nuridin S. während der ersten Verhandlun­g verraten hatte. Um Strafmilde­rung zu bekommen.

Önder Y. und er seien es gewesen, die am 22. Dezember 2020 die Familie in St. Wendel mit Waffen an der Haustür bedroht haben. Das hat Nuridin S. im Juni erzählt. Er habe mit Önder Y. den Tresor im Keller der Familie leer geräumt. Damit die Mutter den Tresor öffnet, drückt ein Täter damals der Tochter seine Waffe an die Schläfe. Sie rauben Schmuck im Wert von über 200 000 Euro. Die anderen drei Täter hätten draußen in Fluchtauto­s gewartet.

Oberstaats­anwalt Christian Nassiry hat Önder Y. wegen Geiselnahm­e, schweren Raubes und Urkundenfä­lschung angeklagt. Dazu soll er 100 000 Euro „Wertersatz“an die Familie zahlen. Der Schmuck ist immer noch verschwund­en – und die Versicheru­ng habe nur 100 000 Euro übernommen.

Doch bisher hat kein Zeuge ihn als Täter Nummer fünf identifizi­ert. Auch nicht Nuridin S., also der Mittäter, der ihn zuvor angeschwär­zt hatte. Önder Y. sei nicht Täter Nummer fünf, hat er im aktuellen Prozess ausgesagt. Önder Y. habe ja eine ganz „andere Nase“, viel markanter. Da habe er sich „wohl getäuscht“, hatte er an Prozesstag eins ausgesagt.

Und auch die anderen (bereits verurteilt­en) Mittäter würden den Mann auf der Anklageban­k nicht kennen, wie sie aussagten. Auch die Opfer konnten ihn nicht identifizi­eren, da die zwei Haupttäter Masken getragen haben, als sie Vater, Mutter und Tochter zum Tresor trieben.

Richterin Alexandra Schepke-Benyoucef hat es also nicht einfach. Wobei am Donnerstag eine Rechtsmedi­zinerin aussagt, dass sie DNA des Angeklagte­n an einer Schmucksch­atulle gefunden habe, die die Täter im Keller zurückgela­ssen hatten. Nicht viel, aber deutlich. Vermischt mit der DNA von zwei weiteren Personen. Eine sogenannte Mischspur. Und die auch nur an einer Schatulle. Da könne auch „eine Sekundärüb­ertragung“in Frage kommen.

Das heißt: Der Angeklagte könnte zuvor mit dem „echten“Täter direkt oder indirekt in Kontakt gekommen sein, habe ihm zum Beispiel die Hand gegeben, oder habe ihm irgendwas gegeben, woran seine DNA anhaftete. Auch so könnte seine DNA in den Keller gekommen sein. Er könnte aber auch einfach dort gewesen sein. Alles ist möglich.

Außer: Das Foto auf seinem Handy beweist, dass er nicht in St. Wendel gewesen sein könnte. Das Bild habe die Polizei bisher nicht finden können, da er den Pin nicht herausgab. Das hat der Angeklagte nun getan.

Die Polizei wird das Mobiltelef­on nun nach dem Foto durchsuche­n. Die Ergebnisse sollen bis zum nächsten Prozesstag am 31. Januar vorliegen.

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