„Das Machtstreben steht über der Solidarität“
Die Vorsitzende der Saarbrücker Wolfgang-Staudte- Gesellschaft über den Film „Der Snob“, der heute beim Ophüls-Festival läuft.
Auch in diesem Jahr bietet das Ophüls-Festival eine Hommage an den Saarbrücker Regisseur Wolfgang Staudte (1906-1984, „Der Untertan“). In Zusammenarbeit mit der Saarbrücker Wolfgang-StaudteGesellschaft läuft „Der Snob“(1983), eine Adaption der Bühnenkomödie von Carl Sternheim – Klaus Maria Brandauer spielt einen öligen Karrieristen. Wir haben mit Uschi SchmidtLenhard gesprochen, der Vorsitzenden der Staudte-Gesellschaft.
Wolfgang Staudte war 76 Jahre alt, als er diesen Film gedreht hat. Warum hat Staudte so lange gearbeitet? Wegen der Schulden nach dem Bankrott seiner Produktionsfirma – oder wollte er es nicht anders?
Ja, Staudte hatte sich verschuldet, als er 1968 „Heimlichkeiten“auf eigene Kosten produzierte. Damals herrschte der
SCHMIDT-LENHARD
Kalte Krieg zwischen Ost und West, und Staudte wollte diesen Graben überwinden durch eine gemeinsame Produktion. Diese Schulden zu begleichen, – was er übrigens am Ende seines Lebens geschafft hatte –, war wohl zumindest ein Motiv, so lange zu arbeiten. Andererseits war er lebenslustig und hatte viel Freude an der Regie-Arbeit.
Die TV-Arbeiten in seinen späten Jahren waren nicht immer Staudtes Herzensangelegenheit – wie war das bei „Der Snob“?
SCHMIDT-LENHARD Er musste Kompromisse eingehen und auch für das Fernsehen arbeiten. Er sagte einmal: „Man muss die Wünsche erfüllen, wie in einem Handwerksbetrieb. Und wenn einer kommt und sagt, er will einen Ausziehtisch, einen vierteiligen, dann ist es eben ‚der Seewolf`.“Er hat es aber auch immer wieder verstanden, seine eigenen, gesellschaftskritischen Auffassungen auch in Auftragsarbeiten unterzubringen. Etwa 1978 beim „Tatort“-Krimi „Tote brauchen keine Wohnung“, der in seiner kritischen Darstellung von Gentrifizierung zu einem Eklat geführt hat. Bei „Der Snob“konnte er nach Herzen einen scharfen, gesellschaftskritischen Blick auf die Gesellschaft werfen.
Kann man im „Snob“auch eine innere Verbindung zum Staudtes Klassiker „Der Untertan“sehen?
SCHMIDT-LENHARD Ja, ich glaube, dass Staudte in den beiden Protagonisten jeweils viel über die Zeit aussagen konnte. An ihrem Beispiel wird der Geist einer Epoche, ihre Werteorientierung, darstellbar. Dabei wollte er nicht Einzelschicksale vorführen, sondern Repräsentanten bestimmter Gesellschaftsschichten und spezieller Denkrichtungen. Heute wie damals steht das Machtstreben über der Solidarität. Der Fortschritt wird definiert als das Aufsteigen einzelner, nicht als Lebensverbesserung der ganzen Gesellschaft.
Den „Snob“gibt es nicht auf DVD oder auf Bluray – in welcher Form läuft der Film bei Ophüls?
SCHMIDT-LENHARD Da haben wir Emilia Weirich vom Festivalteam ausdrücklich zu danken. Sie hatte dafür im Filmarchiv des Filmmuseums in Düsseldorf angefragt. Die originale Filmrolle darf nicht entliehen werden. So hat das Filmarchiv extra eine digitale Version angefertigt. Es ist jetzt wohl die erste Aufführung des „Snob“seit seiner TV-Premiere.