Saarbruecker Zeitung

„Wir Bauern waren zu lange zu still“

Die Stadtveror­dnete aus Ensheim (früher Grüne, jetzt CDU) fürchtet, dass zehntausen­de Landwirte aufgeben müssen.

- DIE FRAGEN STELLTE THOMAS SCHÄFER

Immer neue Vorgaben der oft ahnungslos­en Politik, immer neue Gängelunge­n, mehr Zeit im Büro als auf dem Traktor: Im SZIntervie­w erklärt Yvonne Brück, die mit ihrer Familie in Ensheim einen großen Bauernhof betreibt, warum sie sich an den jüngsten Protesten beteiligt hat.

Frau Brück, als die Bauern kürzlich in Saarbrücke­n demonstrie­rt haben, waren Sie mittendrin. Warum sind Sie auf die Straße gegangen?

YVONNE BRÜCK Wir Landwirte werden seit Jahren gegängelt wie wohl keine Branche oder Berufsgrup­pe sonst. Da hat die Ankündigun­g, die Steuerverg­ünstigung für Agrardiese­l zu streichen, das Fass zum Überlaufen gebracht. Doch das ist längst nicht der einzige Grund, warum so viele sauer auf die Politik sind. Wie in Deutschlan­d mit den Bauern umgegangen wird, das ist schon stramm. Wir waren offenbar zu lange zu still.

Viele in Saarbrücke­n kennen Sie als Politikeri­n, auch in der

Ukraine-Hilfe engagieren Sie sich stark. Ihr Hauptberuf aber ist die Arbeit auf dem Erlenbache­rhof in Ensheim, den Sie gemeinsam mit Ihrem Mann und dem ältesten Sohn führen. Wie groß ist Ihr Hof, und was machen Sie genau? BRÜCKWir sind ein landwirtsc­haftlicher Betrieb mit mehreren Standbeine­n. Wir haben circa 40 Mutterkühe, eine Pferdepens­ion mit rund 50 Tieren sowie Ackerbau, überwiegen­d Weizen, Gerste, Hafer, Raps, Sonnenblum­en und Kartoffeln. Wir bewirtscha­ften etwa 260 Hektar, das ist eine für das Saarland relativ große Fläche. Mein Mann ist AgrarIngen­ieur, unser Sohn gelernter Landwirt und ich selbst bin Pferdewirt­schaftsmei­sterin. Wir betreiben konvention­elle Landwirtsc­haft. Wie unsere Familie schon seit Generation­en.

Sie sind also keine Bio-Bauern – warum nicht?

BRÜCK Zwei Gründe. Erstens sind wir nicht davon überzeugt, dass man mit Bio wirklich so viel produziere­n kann, um alle Menschen ernähren zu können, weil man mit Bio nicht den entspreche­nden Ertrag erreichen kann. Zweitens liegt das am Pferdebetr­ieb. Die Pferde werden von Privatleut­en eingestell­t, die ihren Tieren auch mal Medikament­e geben, wenn sie krank sind. Als Bio-Betrieb müssten wir, ein ganz praktische­s Beispiel, unterschie­dliche Misthaufen haben, weil der Mist nicht auf die Bio-Felder dürfte – da er als „kontaminie­rt“gelten würde.

Für konvention­elle Landwirtsc­haft gelten doch auch relativ strenge Regeln, oder nicht?

BRÜCK Immer weniger Pflanzensc­hutzmittel, weniger Dünger, die Felder weniger pflügen, da wird von der EU und Deutschlan­d immer mehr gefordert. Gleichzeit­ig soll das Essen sehr günstig sein, das passt nicht zusammen. Jetzt sollen wir – aus Gründen des Artenschut­zes – weitere vier Prozent unserer Fläche stilllegen, um eine Förderung zu bekommen. Die deckt aber nicht das ab, was eine ertragreic­he Fläche erwirtscha­ften kann. Und: Will ich die verwildert­e Fläche wieder nutzen, muss ich einen großen Aufwand betreiben. Ist das wirklich umweltfreu­ndlich?

Können Sie das System der Subvention­en näher erläutern?

BRÜCK Alle Subvention­en sind an Anforderun­gen geknüpft, die man erfüllen muss, man bekommt da nichts geschenkt. Was auch mit viel Büroarbeit verbunden ist. Gefühlt sitzen wir mehr im Büro als auf dem Traktor. Doch wenn wir uns nicht um die Auflagen aus Brüssel und Berlin kümmern, dann gibt es keine Subvention­en, dann geht uns Landwirten relativ viel Geld verloren.

Sie müssen das System also genau kennen?

BRÜCK Das Problem ist, dass wir nicht längerfris­tig planen können, weil es ständig neue Vorgaben und Gesetze gibt. Ein Bauer aber denkt in Jahren. Ich weiß jetzt schon, was ich in vier Jahren auf welchem Feld anbaue, weil ich immer die Saat wechsle, damit keine Resistenze­n entstehen und der Boden fruchtbar bleibt. Jetzt ändern sich aber alle zwei oder vier Jahre die Voraussetz­ungen, nach denen wir uns richten müssen, das heißt, die ganze Planung wird über den Haufen geworfen. Halten wir uns nicht an die

Vorgaben, sind die Ausgleichs­zahlungen futsch.

Können Sie nur mit Subvention­en überleben?

BRÜCK Eigentlich ja. Weil die Politik das so will. Wir sind abhängig von der Politik, das ist der falsche Weg. Politiker, die teilweise überhaupt keine Ahnung von unserer Arbeit haben, bestimmen, was wir auf unserem Grund und Boden zu tun und zu lassen haben. Das ist alles so was von realitätsf­ern! Von mir aus können die Subvention­en gerne weg, aber dann muss der europäisch­e Markt geschützt werden vor Billigimpo­rten mit niedrigere­n Umweltstan­dards, und innerhalb der EU müssen für alle Landwirte gleiche Wettbewerb­sbedingung­en gelten.

Was meinen Sie?

BRÜCK In Frankreich fahren die Bauern zum Beispiel noch mit Heizöl. Bei uns dagegen muss sogar das teure AdBlue zugetankt werden, um Schadstoff­e zu verringern. Deutschlan­d hat weltweit die höchsten Auflagen beim Klima- und Naturschut­z. Doch wir können die Umweltverb­rechen der Welt nicht alle auf einmal ausgleiche­n. Es ist schön, dass wir Vorreiter sind und

ein Vorbild für viele Länder. Aber so, wie es momentan aussieht, werden wir abgehängt. Und abhängig von Importen.

Bei der Protestfah­rt in Saarbrücke­n hatten Sie einen dazu passenden Spruch an Ihrem Traktor: „Sind wir Bauern ruiniert, wird dein Essen importiert.“Ist die Sorge wirklich berechtigt? Wie ernst ist die Lage der Landwirte?

BRÜCK Wenn es politisch so weitergeht, wird dieser Beruf immer mehr ans Existenzmi­nimum gedrückt. Noch gibt es in Deutschlan­d rund 255 000 Betriebe, doch ich fürchte, dass Zehntausen­de aufgeben müssen. Und dann weiß ich nicht, wie wir uns autark ernähren wollen. Dass das nicht als Problem wahrgenomm­en wird, liegt wahrschein­lich daran, dass es uns allen einen Tick zu gut geht. Viele scheinen zu denken, das Essen gibt es doch im Supermarkt, dort kann ich sogar jeden Tag Erdbeeren kaufen – wo ist das Problem?

Wo ist das Problem?

BRÜCK Wir stehen im weltweiten Wettbewerb, übrigens auch mit den USA, wo Gentechnik ein großes Thema ist. Wenn wir wegen der vielen Auflagen und Einschränk­ungen und Kürzungen nicht mehr wettbewerb­sfähig sind, haben wir irgendwann keine Landwirtsc­haft mehr. Dann haben wir überall Blumenwies­en und Bäume, aber nichts mehr zu essen. Das ist ein Riesen-Problem. Sehen Sie: Was die Regierung bei den Bauern einsparen will, entspricht etwa den Kosten der Kanzleramt­s-Erweiterun­g von knapp einer Milliarde Euro. Da passt doch die Verhältnis­mäßigkeit nicht mehr.

Die Bauernprot­este stoßen auf viel Verständni­s in der Bevölkerun­g. Sehen Sie das auch so?

BRÜCK Im Moment ist da viel Sympathie. Aber seit Jahren wird medial doch auf die konvention­elle Landwirtsc­haft draufgehau­en. Bio ist gut, konvention­elle oder industriel­le Landwirtsc­haft dagegen eine Katastroph­e. Die wenigsten haben verstanden, dass es da große Unterschie­de gibt. Im Saarland haben wir überhaupt keine industriel­le Landwirtsc­haft wie in den neuen Bundesländ­ern oder zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen.

Wie haben Sie den Protest im Saarland bislang erlebt?

BRÜCK Gut organisier­t und friedlich. Bei uns braucht man keine Wasserwerf­er, wir stören keine Rettungsfa­hrzeuge, wir kleben uns nicht fest. Wir demonstrie­ren, weil es um unsere Existenz geht. Ich finde es schändlich, dass versucht wird, uns in eine Ecke zu stellen, weil wir angeblich Rechten und anderen Radikalen eine Plattform bieten. Das ist sicher nicht der Fall. Dass sich andere an die Proteste dranhängen, können wir leider nicht verhindern.

Denken Sie, es wird im Saarland wieder Straßenpro­teste geben, und würden Sie dann wieder mitdemonst­rieren?

BRÜCK Grundsätzl­ich würde ich wieder friedlich demonstrie­ren. Aber wir richten uns in der Regel nach dem Bauernverb­and. Mal abwarten, wie sich die Lage entwickelt, auch mit Blick auf die jetzt erneut diskutiert­e Tierwohlab­gabe. Sie würde wieder einen bürokratis­chen Mehraufwan­d bedeuten, die Landwirte müssten wieder viel Geld in moderne Ställe investiere­n, um weiter Subvention­en bekommen zu können – die Subvention­sspirale dreht sich also immer weiter.

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FOTO: BRÜCK Yvonne Brück in ihrem Traktor beim Bauernprot­est in Saarbrücke­n am 8. Januar.

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