Zwei Jahre „Klimakleber“– Letzte Generation in der Ruhephase?
Vor genau zwei Jahren begann die Gruppe mit ihren Straßenblockaden für mehr Klimaschutz. Mittlerweile ist es ruhiger um die Aktivisten geworden.
BERLIN (dpa) Als Anfang Januar aufgebrachte Bauern Straßen blockierten, war auch die Klima-Protestgruppe Letzte Generation wieder da. Mit Papp-Traktoren. Wieder einmal klebten sich Aktivisten auf die Fahrbahn, diesmal mit Sprüchen wie: „Hört auf uns, wir haben Traktoren!“Es war Ironie, aber es schwang auch Frust mit. „Wir fragen uns, warum unsere Regierung den Protesten der Bauern so viel offener gegenübersteht als denen der Klimagerechtigkeitsbewegung“, sagte Lina Johnsen, eine der Sprecherinnen der Gruppe.
Vor genau zwei Jahren, am 24. Januar 2022, begann die Letzte Generation ihre Straßenblockaden für eine radikale Klimawende. Dazu kamen Proteste in Museen, Stadien,
Ministerien. 550 Aktionen zählte allein die Polizei Berlin im vergangenen Jahr, die Staatsanwaltschaft der Hauptstadt hat inzwischen 3700 Verfahren geführt. Zeitweise regte sich die halbe Republik über die Aktivisten auf, einige verdächtigten sie als künftige „Klima-RAF“. Doch seit einiger Zeit ist es merklich stiller um die Letzte Generation.
Sie steht im Schatten der lautstarken Bauernproteste und nun auch der großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Ihre nächste geplante „Massenblockade“am 3. Februar sagte sie zugunsten einer Aktion gegen rechts ab. Ist die Luft raus aus der Bewegung? Noch nicht ganz, meint der Berliner Protestforscher Dieter Rucht. „Aber die Bewegung stagniert, und das bedeutet, dass man künftig eine Abflachung erwarten kann.“
Tatsächlich scheint es seit Herbst 2023 auch intern zu knirschen. Auf Telegram-Kanälen der Letzten Generation war von Problemen die Rede, meist etwas verklausuliert. Anfang November wurde bekannt, dass Mitgründer Henning Jeschke aus dem Führungsteam ausscheide und sich verstärkt international betätigen wolle. Kurz darauf der nächste Rückzug: „Heute Morgen hat Lea Bonasera beschlossen, ihre Rollen niederzulegen und die Kampagne zu verlassen“, erklärte die Letzte Generation. Bonasera und Jeschke waren die beiden, die im Sommer 2021 mit einem wochenlangen Hungerstreik ein Gespräch mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erstritten. Nun hat ein neues „Kernteam“übernommen. „Die jetzige Entwicklung ist Teil einer absehbaren Erschöpfung und der Erkenntnis, dass man nicht auf Dauer mit derselben Intensität weitermachen kann“, sagt Protestforscher Rucht. „Aber es gibt auch Zweifel, was das Ganze gebracht hat.“Man habe zwar das Klima-Thema auf der Tagesordnung gehalten. „Aber es ist eben kein Durchbruch in Sachen Klimaschutz erzielt worden.“
„Dieser Protest verhindert eine Mehrheit für Klimaschutz“, klagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Evangelischen Kirchentag 2023. „Er treibt die Leute weg.“Dem widerspricht die Letzte Generation vehement. Rückschläge habe die Ampel selbst zu verantworten, sagt Aktivist Theo Schnarr, der seit 2021 bei Blockaden mitmacht. „Die Klimapolitik der Ampel ist schlicht sozial ungerecht. Wenn sie die CO2-Preise erhöht, aber das versprochene Klimageld nicht einführt, dann ist das massiv ungerecht.“
Die derzeitige Ruhephase der Letzten Generation sei eher ein Luftholen für Neues, sagt Schnarr. „Das ist gerade in der Mache.“Er selbst jedenfalls werde weitermachen. Denn die Folgen der Erderwärmung seien 2023 einfach krass gewesen. „Jeder Mensch muss sich jetzt die Frage stellen: ‚Nehme ich das so hin?`, oder weitergedacht ‚Was sage ich meinen Kindern in 20 Jahren, was ich in diesen entscheidenden Jahren getan habe?`, wo doch alle Fakten auf dem Tisch liegen.“Der Temperaturanstieg beträgt hierzulande bereits durchschnittlich 1,6 Grad.