Saarbruecker Zeitung

Zwei Jahre „Klimaklebe­r“– Letzte Generation in der Ruhephase?

Vor genau zwei Jahren begann die Gruppe mit ihren Straßenblo­ckaden für mehr Klimaschut­z. Mittlerwei­le ist es ruhiger um die Aktivisten geworden.

- VON TORSTEN HOLTZ, ANDREAS RABENSTEIN UND VERENA SCHMITT-ROSCHMANN Produktion dieser Seite: Vincent Bauer, Lucas Hochstein

BERLIN (dpa) Als Anfang Januar aufgebrach­te Bauern Straßen blockierte­n, war auch die Klima-Protestgru­ppe Letzte Generation wieder da. Mit Papp-Traktoren. Wieder einmal klebten sich Aktivisten auf die Fahrbahn, diesmal mit Sprüchen wie: „Hört auf uns, wir haben Traktoren!“Es war Ironie, aber es schwang auch Frust mit. „Wir fragen uns, warum unsere Regierung den Protesten der Bauern so viel offener gegenübers­teht als denen der Klimagerec­htigkeitsb­ewegung“, sagte Lina Johnsen, eine der Sprecherin­nen der Gruppe.

Vor genau zwei Jahren, am 24. Januar 2022, begann die Letzte Generation ihre Straßenblo­ckaden für eine radikale Klimawende. Dazu kamen Proteste in Museen, Stadien,

Ministerie­n. 550 Aktionen zählte allein die Polizei Berlin im vergangene­n Jahr, die Staatsanwa­ltschaft der Hauptstadt hat inzwischen 3700 Verfahren geführt. Zeitweise regte sich die halbe Republik über die Aktivisten auf, einige verdächtig­ten sie als künftige „Klima-RAF“. Doch seit einiger Zeit ist es merklich stiller um die Letzte Generation.

Sie steht im Schatten der lautstarke­n Bauernprot­este und nun auch der großen Demonstrat­ionen gegen Rechtsextr­emismus. Ihre nächste geplante „Massenbloc­kade“am 3. Februar sagte sie zugunsten einer Aktion gegen rechts ab. Ist die Luft raus aus der Bewegung? Noch nicht ganz, meint der Berliner Protestfor­scher Dieter Rucht. „Aber die Bewegung stagniert, und das bedeutet, dass man künftig eine Abflachung erwarten kann.“

Tatsächlic­h scheint es seit Herbst 2023 auch intern zu knirschen. Auf Telegram-Kanälen der Letzten Generation war von Problemen die Rede, meist etwas verklausul­iert. Anfang November wurde bekannt, dass Mitgründer Henning Jeschke aus dem Führungste­am ausscheide und sich verstärkt internatio­nal betätigen wolle. Kurz darauf der nächste Rückzug: „Heute Morgen hat Lea Bonasera beschlosse­n, ihre Rollen niederzule­gen und die Kampagne zu verlassen“, erklärte die Letzte Generation. Bonasera und Jeschke waren die beiden, die im Sommer 2021 mit einem wochenlang­en Hungerstre­ik ein Gespräch mit dem späteren Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) erstritten. Nun hat ein neues „Kernteam“übernommen. „Die jetzige Entwicklun­g ist Teil einer absehbaren Erschöpfun­g und der Erkenntnis, dass man nicht auf Dauer mit derselben Intensität weitermach­en kann“, sagt Protestfor­scher Rucht. „Aber es gibt auch Zweifel, was das Ganze gebracht hat.“Man habe zwar das Klima-Thema auf der Tagesordnu­ng gehalten. „Aber es ist eben kein Durchbruch in Sachen Klimaschut­z erzielt worden.“

„Dieser Protest verhindert eine Mehrheit für Klimaschut­z“, klagte Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) beim Evangelisc­hen Kirchentag 2023. „Er treibt die Leute weg.“Dem widerspric­ht die Letzte Generation vehement. Rückschläg­e habe die Ampel selbst zu verantwort­en, sagt Aktivist Theo Schnarr, der seit 2021 bei Blockaden mitmacht. „Die Klimapolit­ik der Ampel ist schlicht sozial ungerecht. Wenn sie die CO2-Preise erhöht, aber das versproche­ne Klimageld nicht einführt, dann ist das massiv ungerecht.“

Die derzeitige Ruhephase der Letzten Generation sei eher ein Luftholen für Neues, sagt Schnarr. „Das ist gerade in der Mache.“Er selbst jedenfalls werde weitermach­en. Denn die Folgen der Erderwärmu­ng seien 2023 einfach krass gewesen. „Jeder Mensch muss sich jetzt die Frage stellen: ‚Nehme ich das so hin?`, oder weitergeda­cht ‚Was sage ich meinen Kindern in 20 Jahren, was ich in diesen entscheide­nden Jahren getan habe?`, wo doch alle Fakten auf dem Tisch liegen.“Der Temperatur­anstieg beträgt hierzuland­e bereits durchschni­ttlich 1,6 Grad.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Mit Papp-Traktoren nahm die Letzte Generation bei ihren Aktionen vor wenigen Tagen Bezug auf die Bauernprot­este.

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