Das frische Gesicht der Luxemburger Sterneküche
Die Suche nach Perfektion im Teller treibt ihn an: Mit erst 33 Jahren führt Louis Linster das Sternerestaurant seiner berühmten Mutter Lea erfolgreich weiter. Über einen untypischen Lebensweg und ehrgeizige Ziele.
FRISINGEN Das Haus liegt an der Hauptstraße im luxemburgischen Frisingen. Durch die große Glasfront am Eingang kann man direkt einen Blick in die Küche werfen. Kurz vor 14 Uhr herrscht reges Treiben am Arbeitsplatz von Sternekoch Louis Linster.
„Zwischen 13 und 14 Uhr starten wir die Vorbereitungen für den Abend“, erklärt er. Zu sagen, dass das Restaurant sein zweites Zuhause ist, klingt nach einer Floskel. In diesem Fall scheint es aber gerechtfertigt. Bereits in der vierten Generation empfängt seine Familie hier Gäste.
Zuerst war es ein Café, später machte Louis` Mutter, die berühmte Sterne- und TV-Köchin Léa Linster, aus diesem Ort einen Goumet-Tempel. „Ich bin hier groß geworden und ich war schon immer neugierig. Ich habe mich dafür interessiert, wie die Gerichte genau entstehen“, erzählt er.
Doch nach der Schule ging es Linster wie den meisten 18-Jährigen. Er wollte raus, etwas anderes sehen, seine eigenen Erfahrungen machen. Es zog ihn in die Schweiz, wo er Betriebswirtschaft studierte.
Bis seine Mutter 2013 Unterstützung brauchte und sich an ihn wandte. „Zuerst wollte ich ihr nur ein bisschen helfen, doch dann hat mich das gepackt, und ich hatte immer Freude daran, in der Küche zu arbeiten“, sagt er.
2017 wurde er Chefkoch, löste seine Mutter ab und hatte damit einen ganz anderen Weg zum Posten des Chefkochs genommen. Auch wenn er sich schon bei anderen Köchen „umschaute“, hat er anders als viele berühmte Köche keine anerkannte Ausbildung in anderen Sternerestaurants absolviert.
Als Autodidakt, mit nicht mal 30, in so große Fußstapfen zu treten – je nach Perspektive ein mutiger oder ein verrückter Schritt. Doch Louis Linster wirkt nicht wie jemand, der unter hohem Druck leidet. Im Gegenteil scheint er ziemlich stressresistent und nimmt die Herausforderungen als Ansporn an. Er ist kein Mann für halbe Sachen. Ganz oder gar nicht.
Ein neues Team, Menü statt à la carte. Japanisches Wagyu (Rindfleisch) an Sellerie und Trüffel statt Lammrücken. Stammgäste mussten sich von bekannten Léa-Linster-Gerichten verabschieden. Doch aus blieben die Gäste nicht. „Im Gegenteil, sie kommen immer noch, und sobald die Karte wieder wechselt, sind sie die Ersten, die etwas Neues ausprobieren wollen“, sagt der Chefkoch.
Wie bei seiner Mutter sei die Basis seiner Küche französisch, doch nicht mehr traditionell, sondern modern, gepaart mit exotischen Einflüssen. „Ich bin früher viel gereist, nach Asien und Südamerika. Dort habe ich neue Zutaten, neue Geschmäcker kennengelernt und in meine Rezepte integriert“, erzählt er. Dabei versucht er nicht einen Überraschungseffekt für die Geschmacksnerven zu erzeugen, sondern will seine Gerichte zur Perfektion bringen.
Langweilig darf es natürlich nicht werden. Alle zwei Monate wechselt die Karte und der Sternekoch freut sich, wenn die neuen Speisen gut ankommen. „Es ist das Schönste, in den Saal zu gehen und zu sehen, wie sehr sich die Gäste auf den Abend freuen und jedes Gericht richtig genießen. Hier fühlt sich jeden Abend wie eine Party an“, sagt Linster. Den Stern, den sich seine Mutter damals erkochte, hat er verteidigt. Und das soll nicht das Ende der Geschichte sein. Linster zeigt keine falsche Bescheidenheit: „Natürlich zählt der Stern für mich.
Es ist eine wichtige Auszeichnung. Ein zweiter Stern wäre eine weitere Bestätigung meiner Arbeit“, sagt er. Es klingt, als würde er eher weiter stundenlang in seiner Küche an der perfekten Sauce feilen, statt wie damals seine Mutter in FernsehkochShows auftreten.
Sie lässt sich nach wie vor regelmäßig im Restaurant blicken, das ihren Namen trägt. Als Gast. „Sie steht manchmal vor der Tür und wenn wir fragen, was sie hier macht, ist sie mit Freunden zum Essen verabredet, die auf ihren Namen reserviert haben“, sagt er und lacht.
Auch wenn Léa Linster das Zepter an die nächste Generation weitergereicht hat, bleibt das Restaurant ein Familienbetrieb. Louis` Bruder arbeitet als Sommelier, seine Frau Njomza Musli ist für den Saal zuständig – und hält die gleichen Qualitätsstandards wie ihr Mann. 2022 wurde sie vom Gault&Millau Luxemburg zur Gastgeberin des Jahres gekürt.
Geht man sich nicht gegenseitig auf die Nerven, wenn man zusammen lebt und zusammen arbeitet? „Nein, keine Sorge. Wir arbeiten zwar im selben Gebäude, sehen uns während der Arbeitszeiten aber quasi nie“, sagt Linster. Die hohen qualitativen Ansprüche scheinen die beiden weitergegeben zu haben. Ihr Sohn Leon ist keine zwei Jahre alt und wächst bereits zum anspruchsvollen Feinschmecker heran.
Mit einem Hauptgericht ist es nicht getan, mal soll Suppe als Vorspeise, mal Eis als Nachspeise aufgetischt werden. „Und anders als bei unseren Gästen im Restaurant ändern sich Geschmack und Vorlieben jeden zweiten Tag“, stellt Linster fest und lacht.