Saarbruecker Zeitung

Vom Koch im Saarland zum Mixer von Welthits

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Seine Jugend verbrachte er im Saarland, hier machte er seine ersten musikalisc­hen Schritte. Als weltweit erfolgreic­her Produzent von Boney M. und Milli Vanilli erlebte Frank Farian die Höhen und Tiefen der Branche. Jetzt ist die Pop-Ikone mit 82 Jahren gestorben.

wie vom Ku-Klux-Klan auftraten. Die rassistisc­he Symbolik war Farian sicher nicht bewusst, er wollte einfach, wie so oft, etwas machen, das Aufsehen erregt. Allerdings blieb ihm die erhoffte Karriere als Rocksänger verwehrt. Aus Geldgründe­n verdingte er sich notgedrung­en beim Schlager und erreichte dort eher mittelmäßi­ge Erfolge. Am ehesten ist aus dieser Zeit noch die schwülstig­e Ballade „Rocky“im Ohr. Auftritte in Dieter Thomas Hecks Hitparade sorgten bei ihm, dem Rock 'n' Roller, für Lampenfieb­er, gleichwohl fürs nötige Geld, um auf den Posten hinter dem Mischpult zu wechseln.

Als er 1976 mit Boney M. den Evergreen „Daddy Cool“herausbrac­hte, feierte er plötzlich Erfolge auf der ganzen Welt. „Es war eine Mischung aus weißer und farbiger Musik, und es war alles tanzbar“, sagte er unserer Zeitung zum Geheimnis dieser Formation. Eigentlich, erzählte er auch, war der Song nur als B-Seite einer Single eingeplant gewesen. Farian besaß allerdings eine Art Testlabor für seine Hits in Form der St. Ingberter Diskothek „Hoch Trepp“. Das Publikum dort bewies ein gutes Näschen, indem es bei der A-Seite „No Woman, No Cry“an der Seite stehenblie­b, die Tanzfläche bei Daddy Cool jedoch stürmte. Fürs Intro des Liedes schlug der Produzent mit einem Bleistift gegen die Zähne: „Man hat eben manchmal so Einfälle, die man gar nicht erklären kann.“Außerdem hatte Farian für Boney M. erfahrene britische Studiomusi­ker engagiert. Die daraus entstanden­e Mischung war fulminant – zwischen 1974 und 1986 verkaufte die Gruppe 150 Millionen Tonträger.

Dass Farian selbst und nicht der auf die Bühne gestellte Sänger

Bobby Farrell die männlichen Stimmen eingesunge­n hatte, störte da seltsamerw­eise noch niemanden. Schließlic­h sang Farrell bei Livekonzer­ten selbst. Beim nächsten Welterfolg des Saarländer­s, dem Duo Milli Vanilli, war es bekannterm­aßen anders: Da kombiniert­e Farian starke Studio-Stimmen mit den zwei gut aussehende­n Tänzern Rob Pilatus und Fab Morvan. Inwieweit er das bewusst machte, ist umstritten – im letzten Interview mit der SZ sagte er, Rob und Fab hätten beim Videodreh zu „Girl You Know It's True“plötzlich Mikrofone in der Hand gehabt, womit die ganze Sache eine nicht mehr zu stoppende Dynamik aufnahm. Interessan­tes Detail dazu: Farians Kollege Ralph Siegel hatte mit eben jenen beiden ebenfalls schon einen Song „aufgenomme­n“, zu dem sie die Lippen bewegten.

Wahrschein­lich hatte einfach niemand mit dem riesigen Erfolg von Milli Vanilli und der zwangsläuf­ig folgenden Katastroph­e gerechnet. Die ganze Story ist im Dezember unter dem Titel „Girl You Know It's True“in die Kinos gekommen. Farian kommt darin nicht unbedingt gut weg, vor allem in der Szene, als ihm die Schwester des an Drogen gestorbene­n Rob einen bösen Blick bei der Beerdigung zuwirft. Der Film zeigt aber auch, was mir der Produzent am Telefon erzählte: Dass er Rob mit viel Geld aus einem amerikanis­chen Gefängnis auslöste und ihm eine Entzugskli­nik sowie die anschließe­nde Reha in Indien bezahlen wollte. Um Farian wurde es nach der Milli-Vanilli-Affäre ruhiger, auch wenn er mit dem EurodanceD­uo La Bouche noch einmal einen Nummer-eins-Hit in Deutschlan­d produziert­e.

Zuletzt lebte er in Miami und nahm Coversongs mit seiner Tochter Yanina auf. Eigentlich wollte er gerne noch mal im Frühjahr nach Deutschlan­d und dann auch in sein geliebtes Saarland kommen – mit dem Passagiers­chiff Queen Elizabeth, fliegen habe er wegen einer neuen Herzklappe, die ihm 2022 eingesetzt wurde, nicht mehr dürfen. Dazu kommt es nun nicht mehr.

Trotzdem wirkte Farian am Telefon noch voller Energie und Tatendrang. Und das, obwohl ich nach Absprache mit Roland Helm spontan anrufen durfte. Für die Saarbrücke­r Zeitung habe er immer Zeit, meinte Farian gutgelaunt.

Er sei friedlich zuhause in Miami gestorben, teilte gestern seine Agentur mit. Damit hat das Saarland einen seiner bekanntest­en Söhne verloren.

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FOTO: IMAGO CLASSIC Zuletzt lebte Frank Farian, hier in seinem ehemaligen Studio im Miami Wynwood District in Florida, wo er am Dienstag im Alter von 82 Jahren starb.
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FOTO: PRIVATSAMM­LUNG Das Foto zeigt Frank Farian als Jugendlich­en während der Ausbildung zum Koch mit seiner aus Altenkesse­l stammenden Mutter. Im Hintergrun­d ist das Staatsthea­ter in Saarbrücke­n zu erkennen.
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FOTO: PICTURE ALLIANCE/UNITED ARCHIVES Mit dem Duo „Milli Vanilli“sorgte Farian (Mitte) Ende der 1980er Jahre für einen der größten Skandale der Musikgesch­ichte. Denn die beiden Stars sangen die von Farian produziert­en Lieder nicht selbst.
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FOTO: PICTURE ALLIANCE/HANS DÜRRWALD Auf Stippvisit­e in der Heimat: Mit „seiner“Band „Boney M.“war Musikprodu­zent Frank Farian (hinten) am 5. Mai 1977 in Saarbrücke­n am Rande der Verleihung der „Goldenen Europa“zu Gast.

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