„Die aktuelle israelische Regierung sollte geschlossen zurücktreten“
Beim Max- Ophüls-Festival läuft heute „Laila in Haifa“von Amos Gitai. Wir haben den israelischen Regisseur über den Film und die Lage in seiner Heimat befragt.
SAARBRÜCKEN „Nichts kann diese abscheulichen Angriffe auf einen Kibbuz, auf ein Musikfestival rechtfertigen, die Morde an Kindern vor den Augen ihrer Eltern”, sagt Amos Gitai über die Angriffe der Hamas vom 7. Oktober. Heute läuft als erste Zusammenarbeit des Ophüls-Festivals mit den Jüdischen Filmtagen Gitais Spielfilm „Laila in Haifa“im Kino Achteinhalb. Vorab hatten wir ihm einige Interviewfragen geschickt, der 73-jährige Filmemacher schickte ein langes Statement zurück.
Die aktuelle Lage sei dramatischer als beim Jom-Kippur-Krieg gegen syrisches und ägyptisches Militär, bei dem Gitai 1973 als junger Soldat schwer verletzt wurde. „Jetzt gibt es Angriffe gegen Zivilisten, gegen alte Menschen, gegen junge Menschen, gegen Babies.“In den Kibbuzen hätte die Hamas sogar Friedensaktivisten „massakriert oder verschleppt, die sich um palästinensische Kinder in israelischen Krankenhäusern gekümmert“hätten. Die Hamas füge Israel schweren Schaden zu, aber auch der „palästinensischen Sache“, die ein legitimes Anliegen sei. Die Bedrohung sei nicht nur für die Israelis eine Tragödie, sondern auch für die Palästinenser.
„Die Hamas versucht, innere Spannungen in der israelischen Gesellschaft auszunutzen, die die Netanjahu-Regierung ausgelöst hat – eine Regierung, die gezielt Juden gegen Araber manipuliert, Gläubige gegen Anhänger des Säkularismus, um eine gespaltene Gesellschaft anzuführen. Dies alles nur, um Herrn Netanjahu an der Macht zu halten.“Die Hamas wiederum nutze diese Spannungen zynisch aus, sagt Gitai, in der Hoffnung, dass Israel zusammenbreche.
Der Regisseur fordert: „Die aktuelle israelische Regierung sollte geschlossen zurücktreten und die Macht gemäßigten, intelligenten und unkorrupten Menschen übergeben.“Militäraktionen „ohne politische Reflektion“würden nur mehr Hass und Opfer hervorbringen. „Wenn Israel in dieser gefährlichen Region in Sicherheit sein will, müssen wir die Perspektive eines neuen Modus des Zusammenlebens schaffen“, sagt Gitai. „Wir müssen trotz der Tragödien und Abscheulichkeiten eine politische Perspektive behalten.“
Seinen Film „Laila in Haifa“beschreibt Gitai als „Komödiendrama“, er drehte in einem israelisch-palästinensischen Club in seiner Heimatstadt Haifa. Dieser reale Club sei „einer der letzten Orte, an dem Israelis und Palästinenser noch direkte Beziehungen miteinander haben“. In einer Region, „die sonst chronisch unter Hass und Gewalt leidet“, hätten Israelis und Palästinenser zusammen diesen Film gedreht.
Gitai wollte ursprünglich Architekt werden, „aber nach dem JomKippur-Krieg beschloss ich, Filmemacher zu werden. Meine Arbeiten sind inspiriert von der Idee, dass wir Brücken bauen können und nicht verbrennen.“Kunst müsse Grenzen übertreten – aber Kunst könne nicht die Realität verändern. „Picasso war schockiert von der Bombardierung eines baskischen Ortes durch die Luftwaffe und malte das Bild ‚Guernica'.“Picasso habe zwar den Krieg nicht gewonnen, sondern Franco, „aber Picasso hat den Krieg in das kollektive Gedächtnis hineingeschrieben. Die Welt ändert sich nicht nur durch Geld und Maschinengewehre, sie ändert sich auch durch Erinnerung und Ideen. Wir müssen Ideen bewahren und den Dialog weiterführen – trotz allem.“
„Wir müssen trotz der Tragödien und Abscheulichkeiten eine politische Perspektive behalten.“Amos Gitai
Mittwoch, 20.30 Uhr, Kino Achteinhalb. Vor dem Film gibt es ein Online-Gespräch mit Amos Gitai.