Winterberg-Chef blickt in die Zukunft
Der finanzielle Druck führe in den Kliniken im Saarland bereits zur „Schnappatmung“, sagt Dr. Christian Braun, Ärztlicher Direktor des Winterberg-Klinikums. Finanzierungslücken und Fachkräftemangel machten allen Häusern zu schaffen.
SAARBRÜCKEN Über die Probleme der Krankenhäuser im Saarland und speziell die wirtschaftlichen, personellen und baulichen Schwierigkeiten auf dem Winterberg, sprach der Geschäftsführer und Ärztliche Direktor des Winterberg-Klinikums, Dr. Christian Braun, auf Einladung der Saarbrücker CDU-Stadtratsfraktion im Rathaus-Festsaal. Auf die Kliniken nehme der Druck von außen ständig zu, sagte Braun. „Das ist wie ein Korsett, das die Luft abschnürt. Zuerst hecheln die Betroffenen, dann kommt es zur Schnappatmung. An diesem Punkt sind wir schon angelangt.“
Die derzeitige finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser reiche bei weitem nicht aus, um auskömmlich wirtschaften zu können. Die Länder beteiligten sich nicht in ausreichendem Maß an den Investitionskosten, und die Krankenkassen zahlten zu wenig für die Behandlungen. „Diese beträchtlichen Finanzierungslücken sind der Grund für den kalten Strukturwandel. Damit ist gemeint, dass Kliniken aufgrund ihrer hohen Defizite Insolvenz anmelden müssen. Das ist ja auch schon im Saarland der Fall“, sagte Braun.
Die vom Bund geplante Krankenhausreform komme zu spät. Selbst wenn sie in Kürze beschlossen werde, müsse sie erst mal umgesetzt werden, was einige Jahre dauern werde. „Das Kliniksterben wird weitergehen, wenn nicht sofort eine Übergangsfinanzierung zur Verfügung gestellt wird.“Auch der Fachkräftemangel, der nicht nur in der Pflege, sondern auch in den Operationssälen und beim Funktionspersonal herrsche, mache allen Krankenhäusern schwer zu schaffen, sagte der Winterberg-Chef. „Eine leistungsfähige medizinische Versorgung ist in Zukunft nur möglich, wenn niedergelassene Ärzte und Kliniken enger zusammenarbeiten“, erklärte Braun.
Die Medizin der Zukunft werde keineswegs schlechter werden, als sie heute sei. Vielmehr könnte eine Konzentration anspruchsvoller Behandlungen und Operationen auf spezialisierte Krankenhäuser die Versorgungsqualität steigern. Auch eine engere Vernetzung der einzelnen Fachabteilungen eines Krankenhauses führe zu einer noch besseren Medizin, sagte Braun. Als Beispiel nannte er das Neurovaskuläre Zentrum auf dem Winterberg. „Hier arbeiten bereits unsere Intensivstation sowie unsere Kliniken für Neurologie, Innere Medizin, Radiologie, Gefäßchirurgie und Neurochirurgie eng zusammen, um bei Patienten mit Schädigungen der Blutgefäße von Gehirn und Rückenmark optimale Behandlungserfolge zu erreichen“, erläuterte Braun. Dieses Konzept ermögliche dem Winterberg auch eine Notfallversorgung der höchsten Stufe, „die auch überregional gefragt ist“. Im vergangenen Jahr habe der Winterberg rund 46 000 Notfälle versorgt. „Wir arbeiten auf ein intersektorales Notfallzentrum hin, in dem der ärztliche Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte und die Notfallaufnahme unseres Klinikums integriert werden“, erläuterte Braun. „Sie haben eine gemeinsame Anmeldung. An diesem sogenannten Tresen entscheidet geschultes Fachpersonal, ob der Patient zum Bereitschaftsdienst oder in die Notaufnahme weitergeleitet wird.“
Aus der Erkenntnis heraus, dass es nicht so bleiben könne, wie es heute ist, habe das Winterberg-Klinikum vor zwei Jahren ein Zukunftskonzept entwickelt. „Also schon vor den Planungen zur Gesundheitsreform.“Aus dem Winterberg-Klinikum solle ein Gesundheitscampus werden, erläuterte Braun (wir berichteten). „Wir gehen weg von einer rein stationären, hin zu einer vermehrt ambulanten Versorgung.“Dazu müsse auch neu gebaut werden. Das in den 60er-Jahren errichtete Klinikum reiche nicht aus, um dort auch die neuen Aufgaben anzusiedeln.
Daher sollen die Flachbauten neben den Hauptgebäuden sowie die jetzige Kinderklinik abgerissen werden. Auf der frei werdenden Fläche soll der Gesundheitscampus Winterberg entstehen, ein Gebäude mit fünf Ebenen, das ans Hauptgebäude angebaut wird. In den Gesundheitscampus werden unter anderem die Kinderklinik samt Kindernotaufnahme und Kinderambulanz sowie das Labor und die Pathologie umziehen. Neu gebaut werden soll auch ein großer Parkplatz, der der
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3. OG steigenden Zahl an ambulanten und tagesstationären Patienten zugutekommen soll.
Etwa 15 bis 20 Prozent der heutigen stationären Behandlungen würden in fünf Jahren ambulant erfolgen. „Das schafft freie Betten, die wir für den wirklichen stationären Bedarf nutzen können“, sagte Braun. Derzeit habe der Winterberg einen Zentral-OP-Trakt, in dem alles operiert werde, „vom eingewachsenen Zehennagel bis zum Öffnen verschlossener Gefäße bei einem Herzinfarkt“. Die wachsende Zahl ambulanter Eingriffe solle künftig nicht im Zentral-OP mit seinen komplexen Abläufen und Strukturen durchgeführt werden. Stattdessen sei im Neubau eine OP-Zone für (Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung) ambulante Eingriffe vorgesehen.
Das neue Notfallzentrum werde im Erdgeschoss des Neubaus angesiedelt. Es werde auf bis zu 75 000 Patienten pro Jahr ausgelegt. „Wir könnten dann auch viele Patienten aus Frankreich behandeln“, sagte Braun „Das ist derzeit noch nicht möglich, weil die Politik immer noch keine Lösungen für eine grenzüberschreitende medizinische Versorgung gefunden hat.“Dem saarländischen Gesundheitsministerium hat der Winterberg sein Konzept bereits vor eineinhalb Jahren vorgestellt. Doch noch immer gibt es offenbar keine Rückmeldung, ob der Plan in dieser Form genehmigt wird und in welcher Höhe das Land Investitionskosten übernehmen will.