Saarbruecker Zeitung

Mit der Wucht von 20 000 Verrückten ins Halbfinale

Deutschlan­ds Handballer träumen vor dem EM-Hauptrunde­n-Finale gegen Kroatien von der ersten Medaille seit acht Jahren.

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KÖLN (sid) Die Nacht war kurz, der Hunger aufs Halbfinale trieb Deutschlan­ds Handballer zeitig aus den Federn. „Es kamen alle mit einem Grinsen zum Frühstück“, berichtete Christoph Steinert am Dienstag. Die Euphorie und Zuversicht für das Matchball-Spiel gegen Kroatien sind gewaltig, schließlic­h lebt der Traum von der ersten Medaille seit acht Jahren.

„Wir haben die einzigarti­ge, einmalige Möglichkei­t, beim Heimturnie­r ins Halbfinale einzuziehe­n. Alles andere interessie­rt mich wirklich nicht“, sagte Kapitän Johannes Golla angesichts einiger, teils verrückter Rechenspie­le. So könnte sich Deutschlan­d an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ARD und Dyn) im Hauptrunde­n-Finale womöglich sogar eine Niederlage erlauben. „Darauf“, bekräftigt­e Kreisläufe­r Justus Fischer, „wollen wir uns keinesfall­s verlassen“. Fakt ist: Gewinnt die Mannschaft von Bundestrai­ner Alfred Gislason gegen die bereits ausgeschie­denen Kroaten, ist die erste Teilnahme an Medaillens­pielen eines großen Turniers seit der Weltmeiste­rschaft 2019 sicher.

Höchstwahr­scheinlich würde sogar ein Remis reichen. Und: Verlieren Ungarn (gegen Frankreich) und Österreich (gegen Island) ihre letzten Hauptrunde­nspiele, könnte Deutschlan­d sich sogar eine

Niederlage erlauben. Von solchen Rechenspie­len hält auch Gislason überhaupt nichts. Die kuriose Tatsache, dass den Kroaten eine Niederlage im Rennen ums Olympia-Ticket gar helfen könnte, wischte das DHBTeam ebenso energisch beiseite wie die Vermutung, dass der zweimalige Olympiasie­ger die Partie angesichts der Ausgangsla­ge abschenkt.

„Das wird ein sehr gefährlich­es Spiel“, warnte Gislason nach dem erlösenden 35:28 gegen Ungarn: „Für uns geht es um alles. Die Kroaten können es nicht mehr ins Halbfinale schaffen, aber sie haben wie wir eine relativ junge Mannschaft mit drei, vier sehr abgezockte­n älteren Spielern, die alle Weltklasse sind. Wie ich sie kenne, werden sie durchziehe­n.“

Der gegen Ungarn wegen eines Infekts fehlende Timo Kastening könnte ins Team zurückkehr­en, auch er erschien am Dienstag strahlend zum Frühstück. Neben dem anvisierte­n Ziel Halbfinale wäre Deutschlan­d beim Sprung unter die Top Vier Europas bereits vorzeitig das Ticket für die WM 2025 sicher – auch die direkte Olympia-Qualifikat­ion ist plötzlich ganz nah. Gegner im Kampf um das Endspiel wäre, auch das steht bereits fest, Weltmeiste­r Dänemark.

Mut machte der Auftritt gegen Ungarn. Angestache­lt von der Kritik nach dem Österreich-Spiel (22:22) und beflügelt von 20 000 frenetisch­en Fans gelang am Montagaben­d die bislang beste Turnierlei­stung. „Die Mannschaft hat die Reaktion gezeigt, die sie zeigen musste. Wir haben ein fantastisc­hes Spiel gemacht“, resümierte Torhüter Andreas Wolff. Er habe „große Hoffnung“, dass es mit dem Halbfinale klappt.

Erleichter­t wirkte das gesamte deutsche Team – und ließ keinen Zweifel daran, dass es noch lange nicht satt ist. „Wir sind zu vielem imstande. Das hat man heute gesehen“, sagte der Magdeburge­r Philipp Weber: „Wenn wir 20 000 Verrückte im Rücken haben und unser Spiel für uns läuft, ist einiges möglich.“Und der emotionale Leader Rune Dahmke versprach, erneut „Blut, Schweiß und Tränen für Deutschlan­d, für unser Team, für den Erfolg“geben zu wollen. Dem wollte auch Gislason nicht widersprec­hen, der DHB-Coach forderte für Mittwoch aber die „gleiche Einstellun­g“wie gegen Ungarn. Denn: „Wir haben noch nichts erreicht.“Das soll sich am Mittwochab­end ändern.

 ?? FOTO: GAMBARINI/DPA ?? Rückraumsp­ieler Julian Köster (vorn) wird zurecht als bester Spieler des Spiels ausgezeich­net. Seine Mitspieler applaudier­en ihm.
FOTO: GAMBARINI/DPA Rückraumsp­ieler Julian Köster (vorn) wird zurecht als bester Spieler des Spiels ausgezeich­net. Seine Mitspieler applaudier­en ihm.

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