Fahrerflucht nur noch ordnungswidrig ?
Nach einem Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann soll Fahrerflucht nur noch eine Ordnungswidrigkeit sein. Experten sind sich uneins, die Länder skeptisch.
GOSLAR (dpa/SZ) Sollte Fahrerflucht künftig nur noch eine Ordnungswidrigkeit sein? Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat diese Möglichkeit im vergangenen Jahr ins Spiel gebracht. Die Meinungen dazu gehen bei Fachleuten und Verbänden auseinander. Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar soll darüber von diesem Mittwoch an gesprochen werden. „Die Zeit ist reif für eine Reform“, meint der Verkehrspräsident des ADAC, Gerhard Hillebrand. Denkbar wäre aus seiner Sicht eine straffreie Meldung eines Unfalls innerhalb von 48 Stunden. Das könne entweder bei der Polizei oder bei neu zu gründenden Meldestellen passieren. Letztere könnten Polizeistellen dann künftig Arbeit abnehmen. Die Wartepflicht am Unfallort sei überholt. Entscheidend sei einzig und allein, dass der Geschädigte die nötigen Informationen zur Schadensregulierung erhalte.
Bundesjustizminister Buschmann hatte im Zuge einer Reform des Strafrechtes vorgeschlagen, dass Fahrerflucht künftig als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat geahndet werden könne. Auf jeden Fall soll es nach derzeitigen Plänen künftig eine Möglichkeit geben, Sachschäden online zu melden, damit der Verursacher nicht mehr vor Ort auf den Besitzer des beschädigten Fahrzeuges oder auf die Polizei warten muss. Derzeit kann eine Fahrerflucht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Gegner einer Entschärfung der Strafe sehen – anders als etwa der ADAC – die Gefahr, dass dadurch anderen Straftaten verschleiert werden könnten. „Wer bei einem Unfall flüchtet, hat oft etwas anderes zu verbergen“, meint der Leiter der Unfallforschung beim Gesamtverband der Versicherungswirtschaft, Siegfried Brockmann. Künftig sei es dann etwa möglich, einen Unfall bei einer Trunkenheitsfahrt erst am Folgetag zu melden. Dann könne der Alkohol im Blut nicht mehr nachgewiesen werden und man müsse sich nur für die milder bestrafte Fahrerflucht verantworten. Auch eine Entlastung der Polizei hält er für unwahrscheinlich, weil Unfallfluchten auch als Ordnungswidrigkeiten aufgeklärt werden müssten, wenn sich der Verursacher nicht melde. Bei einer Herabstufung der Fahrerflucht bestehe die Gefahr, dass weniger Unfälle gemeldet und Unfallopfer auf Schäden sitzenbleiben würden, sagt die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Anja Käfer-Rohrbach.
Dieser Ansicht ist auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein Meldeportal zur straffreien, nachträglichen Meldung von Sachschäden halten aber auch die Beamten für sinnvoll. Ein einfacher Zettel in der Windschutzscheibe sei nicht ausreichend. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) lehnt eine Herabstufung kategorisch ab, „um die Hemmschwelle für die Tat weiterhin aufrechtzuerhalten“. Eine straffreie Nachmeldung eines Schadens nach 24 Stunden sei denkbar.
Eine unabhängige Meldestelle brauche es aber nicht, es reiche aus, die erforderliche Wartezeit an der Unfallstelle konkreter zu benennen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis solle als Strafe zudem komplett gestrichen werden.
Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes ist die Zahl der Unfallfluchten in den vergangenen Jahren leicht rückläufig. Im Jahr 2022 entfernten sich den Angaben nach Fahrer und Fahrerinnen in 32 000 Fällen unerlaubt vom Unfallort. 2019 waren es noch 36 000.
Nach Ansicht des Strafrechtsprofessors Jan Zopfs von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz sind verschiedene Reformen denkbar. Entweder eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit, die unter anderem auch Staatsanwaltschaften entlasten würde, sagt der Professor, der den Arbeitskreis beim Verkehrsgerichtstag leiten wird. Alternativ könne die Wartepflicht am Unfallort ersetzt werden, etwa durch eine nachträgliche Meldung per App oder bei einer Meldestelle etwa innerhalb eines festgelegten Zeitraums. Oder es könne auch angepasst werden, dass seltener die Fahrerlaubnis nach einer Unfallflucht entzogen wird.
Aus den Ländern waren die Rückmeldungen auf Buschmanns Pläne verhalten. So erklärte das saarländische Justizministerium, man sehe zwar auch einen Reformbedarf. Die „Herabstufung“von Fällen mit reinen Sachschäden zu Ordnungswidrigkeiten sehe man aber kritisch. Die Einführung einer Meldepflicht an eine zentrale Stelle unter Wegfall der Wartepflicht sei aber erwägenswert.
„Wer bei einem Unfall flüchtet, hat oft etwas anderes zu verbergen“Siegfried Brockmann Leiter der Unfallforschung beim Gesamtverband der Versicherungswirtschaft