Der Autoverkehr rollt am Thema Klimaschutz vorbei
Laut den neuesten Ergebnissen des Rechnungshofs sind immer noch drei von vier Neuwagen mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren ausgestattet.
Regelmäßig verschärft die EU die Grenzwerte für den erlaubten Schadstoffausstoß. Somit darf bei einer Bilanz der Entwicklung zum klimaneutralen Europa in den vergangenen drei Jahrzehnten eigentlich eine Kurve nach unten erwartet werden. Doch zumindest bis 2010 steigt die Linie beim Anteil der durch den Verkehr verursachten CO2-Emissionen stark an, geht danach nur sehr langsam zurück und nimmt nach einer Corona-Delle wieder Fahrt nach oben auf. „Die grüne Revolution der EU kann nur stattfinden, wenn deutlich weniger umweltschädliche Fahrzeuge im Umlauf sind“, stellt Pietro Russo vom Rechnungshof am Mittwoch bei der Vorstellung seiner Untersuchungsergebnisse fest.
Eine ganze Reihe von Gründen hat zu der für viele überraschend schlechten Bilanz beigetragen. Trotz der steigenden Zahl zugelassener Elektrofahrzeuge sind immer noch drei von vier Neuwagen mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren ausgerüstet. Auch wenn einzelne Modelle nun weniger CO2 ausstoßen, kommt das gleichwohl unter die Räder, weil immer mehr Autos unterwegs sind. Allein von 2010 bis 2021 stieg die Zahl der Fahrzeuge in der EU von 211 auf 250 Millionen. Davon sind viele deutlich schwerer und höher motorisiert. Schon diese drei Faktoren machen beim Klimaschutz im Straßenverkehr den Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit aus.
Für die Entwicklung bis 2020 haben die Prüfer die Faustformel gefunden, wonach nur die im Labor gemessenen Schadstoffwerte zurückgegangen seien, nicht jedoch die im praktischen Fahrbetrieb. Der Dieselskandal bildete hier die Spitze des Eisberges, aber auch jenseits davon ergab sich eine bemerkenswerte Schere zwischen den getesteten und den tatsächlichen Werten. Selbst im
Jahr 2021 unterschieden sich die beiden Werte laut Rechnungshof immer noch um 18,1 Prozent beim Diesel, um 23,7 Prozent beim Benzinmotor und um sage und schreibe 250 Prozent beim Plug-in-Hybrid.
Diese eklatante Differenz hat nach den Ermittlungen des Rechnungshofes damit zu tun, dass die Behörden einer selbst entwickelten Täuschung unterlagen, als sie davon ausgingen, dass die Fahrer von Hybrid-Antrieben den größten Teil ihrer Fahrten mit Elektroantrieb zurücklegen und keinen Schadstoff produzieren, und nur in geringem Maße auf den Verbrenner zurückgreifen. Das führte dazu, dass Hybridfahrzeuge insgesamt als emissionsarme Fahrzeuge eingestuft wurden, weil sie angeblich im Durchschnitt weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Für die Hersteller kam das gerade recht. Denn sie sparten auf diese Weise allein im Jahr 2020 fast 13 Milliarden Euro an Abgaben wegen Emissionsüberschreitungen.
Der Rechnungshof überprüfte, ob die Annahmen plausibel sind, und fand dabei heraus, dass die im realen Fahrbetrieb festzustellenden Menge mit 139,4 Gramm durchschnittlich dreieinhalb Mal höher war als das Ergebnis von 39,6 Gramm im Testbetrieb der Hybridmodelle mit dem unterstellten Anteil an E-Strecken. Der Rechnungshof erklärt sich diese immense Differenz dadurch, dass vor allem bei Firmenwagen mit Hybrid-Antrieb die Fahrer die Benzinkosten vom Unternehmen bezahlt bekommen und es für sie somit keinen finanziellen Anreiz gibt, mehr auf Batterieantrieb zu setzen.
Wirklich sinkende Kurven sind somit auf diesem Sektor erst zu erwarten, wenn die Neuzulassung von Elektrofahrzeugen immens steigt. Allerdings verweist der Rechnungshof auf den schwierigen Zugang zu Rohstoffen für die Herstellung von ausreichend Batterien. Zudem bemängelt er den Zustand der Ladeinfrastruktur in Europa.