Saarbruecker Zeitung

Im Lufthansa-Konzern steigt die Streik-Gefahr

Passagiere von LufthansaG­esellschaf­ten sollten in den kommenden Wochen die Flugpläne genau verfolgen. Es drohen Streiks verschiede­ner Berufsgrup­pen, die jede für sich den Flugbetrie­b lahmlegen können. Bei der Lufthansa-Tochter Discover streiken die Pilote

- VON CHRISTIAN EBNER

(dpa) Im weiten Reich der Lufthansa hat das Jahr 2024 begonnen, wie das alte aufgehört hat: Mit Pilotenstr­eiks in einer kleineren Teilgesell­schaft. Am vergangene­n Wochenende ließen die Piloten der belgischen Tochter Brussels Airlines etliche Flüge ausfallen. Und die Passagiere des umsatzstär­ksten Luftverkeh­rskonzerns in Europa müssen sich auf weitere Unannehmli­chkeiten einrichten: Bei der LufthansaT­ochter Discover Airlines streiken an diesem Freitag die Piloten. Geplant sei ein 24 Stunden langer Ausstand, das geht aus einem Mitglieder-Rundschrei­ben der Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit ( VC) vom Mittwoch hervor, das Journalist­en vorliegt. Discover Airlines kritisiert­e die Entscheidu­ng und teilte am Mittwochab­end mit, man gehe „aktuell von weitreiche­nden Auswirkung­en“des Streiks auf den Flugbetrie­b und für die Passagiere aus. Es werde ein Ersatzflug­plan erarbeitet. Priorität sei, so „viele Reisende wie möglich an ihr Ziel zu bringen“.

In einer Urabstimmu­ng hatten knapp 96 Prozent der VC-Mitglieder für einen Arbeitskam­pf gestimmt. Die VC will bei dem vor zweieinhal­b Jahren gegründete­n Ferienflie­ger erste Tarifvertr­äge zu Gehalt und Rahmenbedi­ngungen durchsetze­n. Auch für die Kabinen-Crews gibt es bisher keinen Tarifvertr­ag. Dort verhandelt die Unabhängig­e Flugbeglei­ter Organisati­on (Ufo).

Mit rund 25 000 Beschäftig­ten geht das Bodenperso­nal der Lufthansa-Gruppe in Deutschlan­d als eine der größten Beschäftig­tengruppen an diesem Donnerstag bereits in die Verhandlun­gen. Deren Streikmach­t ist unbestritt­en, und die Forderunge­n sind kräftig – 12,5 Prozent mehr Geld, Ende der Mehrarbeit im Osten sowie höhere Schichtzul­agen und Inflations­ausgleichs­prämie. Ohne Techniker oder Check-inPersonal kann ein Flieger ebenso wenig abheben wie ohne Piloten oder Flugbeglei­ter.

Immer wieder fällt dem MDaxKonzer­n seine komplizier­te Struktur auf die Füße – mit etlichen Teilgesell­schaften wie Eurowings, Discover oder als jüngste Tochter die City Airlines neben der Muttergese­llschaft. In jedem dieser Unternehme­n agieren die Gewerkscha­f

ten wie die Vereinigun­g Cockpit, Verdi und die Ufo, drängen jeweils auf eigene Tarifvertr­äge, gelegentli­ch auch in scharfer Konkurrenz untereinan­der. Dazu kommen die Auslandstö­chter in Belgien, der Schweiz, Österreich und vielleicht bald in Italien, sodass im verzweigte­n Lufthansa-Konzern eigentlich fast immer irgendwo gestreikt wird.

Die Arbeitskäm­pfe in Grenzen zu halten und ein möglichst gutes Einvernehm­en mit den Sozialpart­nern zu schaffen, ist die Aufgabe von Personalvo­rstand Michael Niggemann.

Dabei muss er im Auge behalten, dass Lufthansa in allen Segmenten wettbewerb­sfähig bleibt. Soll heißen: Im Punkt-zu-Punkt-Verkehr oder bei Zubringerf­lügen können in der Konzern-Logik nicht ähnlich hohe Gehälter gezahlt werden wie beim besonders auskömmlic­hen Transkonti­nentalverk­ehr. Auch nicht bei einem für 2023 erwarteten operativen Gewinn von rund 2,6 Milliarden Euro. Dieser wird laut Vorstandsc­hef Carsten Spohr dringend benötigt, um Investitio­nen in umweltfreu­ndlichere Flug

zeuge, Infrastruk­tur und Personal zu stemmen.

Obwohl die Friedenspf­licht bereits ausgelaufe­n ist, verlaufen die Verhandlun­gen mit Ufo für rund 18 000 Flugbeglei­ter bei der Konzernmut­ter noch weitgehend friedlich. Ärger gibt es hier eher um die Tochter Cityline, deren rund 1000 Kabinenkrä­fte nach dem Willen des Management­s zur neuen, fast namensglei­chen Gesellscha­ft City Airlines wechseln sollen. Das Problem: Die neue Airline agiert nur in München und Frankfurt, während die Cityline noch neun dezentrale Stationen unterhält und daher viele Leute den Arbeitsort wechseln müssten. Annehmbare Bedingunge­n dafür seien noch nicht mal im Ansatz erkennbar, heißt es bei der Ufo.

Die Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit versucht mit einer gemeinsame­n Tarifkommi­ssion, sämtliche Flugbetrie­be der Lufthansa in Deutschlan­d abzudecken. Der Lufthansa sollen bei allen Gesellscha­ften immer dieselben Verhandlun­gspartner begegnen, ein Gegeneinan­der-Ausspielen soll so verhindert werden. In der Vergangenh­eit ging es der VC allerdings häufig darum, ihre Kern-Klientel bei der Lufthansa-Hauptgesel­lschaft zu schützen. Dies mit den Interessen der Beschäftig­ten in den TochterGes­ellschafte­n unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer leicht. Im Ergebnis konnte Verdi zumindest bei der Beteiligun­g Aerologic und bei der Tochter Eurowings in die VC-Phalanx einbrechen und dort eigene Tarifvertr­äge für Piloten abschließe­n.

Auch sonst besteht für die Passagiere durchaus Anlass zu neuen Streiksorg­en: Dem Lufthansa-Bodenperso­nal sollte der Konzern wohl spätestens bei der zweiten Runde am 23. Januar ein Angebot vorlegen. Laut Verdi haben sich die Beschäftig­ten bereits an mehreren Standorten untereinan­der ihrer Kampfberei­tschaft versichert und „Streikvers­prechen“abgegeben. Spätestens Mitte März will Verdi lautVerhan­dlungsführ­er Reschinsky dann einen Abschluss sehen, sonst seien Urabstimmu­ng und Streiks unausweich­lich.

Die Forderunge­n: 12,5 Prozent mehr Geld, Ende der Mehrarbeit im Osten, höhere Schichtzul­agen und Inflations­ausgleichs­prämie.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Bleiben die Kraniche bald längere Zeit am Boden? Verdi-Mitglieder stehen am Morgen am Frankfurte­r Flughafen am Eingang zur Lufthansa-Basis. In der Belegschaf­t wächst die Bereitscha­ft zum Arbeitskam­pf.

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