Im Lufthansa-Konzern steigt die Streik-Gefahr
Passagiere von LufthansaGesellschaften sollten in den kommenden Wochen die Flugpläne genau verfolgen. Es drohen Streiks verschiedener Berufsgruppen, die jede für sich den Flugbetrieb lahmlegen können. Bei der Lufthansa-Tochter Discover streiken die Pilote
(dpa) Im weiten Reich der Lufthansa hat das Jahr 2024 begonnen, wie das alte aufgehört hat: Mit Pilotenstreiks in einer kleineren Teilgesellschaft. Am vergangenen Wochenende ließen die Piloten der belgischen Tochter Brussels Airlines etliche Flüge ausfallen. Und die Passagiere des umsatzstärksten Luftverkehrskonzerns in Europa müssen sich auf weitere Unannehmlichkeiten einrichten: Bei der LufthansaTochter Discover Airlines streiken an diesem Freitag die Piloten. Geplant sei ein 24 Stunden langer Ausstand, das geht aus einem Mitglieder-Rundschreiben der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit ( VC) vom Mittwoch hervor, das Journalisten vorliegt. Discover Airlines kritisierte die Entscheidung und teilte am Mittwochabend mit, man gehe „aktuell von weitreichenden Auswirkungen“des Streiks auf den Flugbetrieb und für die Passagiere aus. Es werde ein Ersatzflugplan erarbeitet. Priorität sei, so „viele Reisende wie möglich an ihr Ziel zu bringen“.
In einer Urabstimmung hatten knapp 96 Prozent der VC-Mitglieder für einen Arbeitskampf gestimmt. Die VC will bei dem vor zweieinhalb Jahren gegründeten Ferienflieger erste Tarifverträge zu Gehalt und Rahmenbedingungen durchsetzen. Auch für die Kabinen-Crews gibt es bisher keinen Tarifvertrag. Dort verhandelt die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo).
Mit rund 25 000 Beschäftigten geht das Bodenpersonal der Lufthansa-Gruppe in Deutschland als eine der größten Beschäftigtengruppen an diesem Donnerstag bereits in die Verhandlungen. Deren Streikmacht ist unbestritten, und die Forderungen sind kräftig – 12,5 Prozent mehr Geld, Ende der Mehrarbeit im Osten sowie höhere Schichtzulagen und Inflationsausgleichsprämie. Ohne Techniker oder Check-inPersonal kann ein Flieger ebenso wenig abheben wie ohne Piloten oder Flugbegleiter.
Immer wieder fällt dem MDaxKonzern seine komplizierte Struktur auf die Füße – mit etlichen Teilgesellschaften wie Eurowings, Discover oder als jüngste Tochter die City Airlines neben der Muttergesellschaft. In jedem dieser Unternehmen agieren die Gewerkschaf
ten wie die Vereinigung Cockpit, Verdi und die Ufo, drängen jeweils auf eigene Tarifverträge, gelegentlich auch in scharfer Konkurrenz untereinander. Dazu kommen die Auslandstöchter in Belgien, der Schweiz, Österreich und vielleicht bald in Italien, sodass im verzweigten Lufthansa-Konzern eigentlich fast immer irgendwo gestreikt wird.
Die Arbeitskämpfe in Grenzen zu halten und ein möglichst gutes Einvernehmen mit den Sozialpartnern zu schaffen, ist die Aufgabe von Personalvorstand Michael Niggemann.
Dabei muss er im Auge behalten, dass Lufthansa in allen Segmenten wettbewerbsfähig bleibt. Soll heißen: Im Punkt-zu-Punkt-Verkehr oder bei Zubringerflügen können in der Konzern-Logik nicht ähnlich hohe Gehälter gezahlt werden wie beim besonders auskömmlichen Transkontinentalverkehr. Auch nicht bei einem für 2023 erwarteten operativen Gewinn von rund 2,6 Milliarden Euro. Dieser wird laut Vorstandschef Carsten Spohr dringend benötigt, um Investitionen in umweltfreundlichere Flug
zeuge, Infrastruktur und Personal zu stemmen.
Obwohl die Friedenspflicht bereits ausgelaufen ist, verlaufen die Verhandlungen mit Ufo für rund 18 000 Flugbegleiter bei der Konzernmutter noch weitgehend friedlich. Ärger gibt es hier eher um die Tochter Cityline, deren rund 1000 Kabinenkräfte nach dem Willen des Managements zur neuen, fast namensgleichen Gesellschaft City Airlines wechseln sollen. Das Problem: Die neue Airline agiert nur in München und Frankfurt, während die Cityline noch neun dezentrale Stationen unterhält und daher viele Leute den Arbeitsort wechseln müssten. Annehmbare Bedingungen dafür seien noch nicht mal im Ansatz erkennbar, heißt es bei der Ufo.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit versucht mit einer gemeinsamen Tarifkommission, sämtliche Flugbetriebe der Lufthansa in Deutschland abzudecken. Der Lufthansa sollen bei allen Gesellschaften immer dieselben Verhandlungspartner begegnen, ein Gegeneinander-Ausspielen soll so verhindert werden. In der Vergangenheit ging es der VC allerdings häufig darum, ihre Kern-Klientel bei der Lufthansa-Hauptgesellschaft zu schützen. Dies mit den Interessen der Beschäftigten in den TochterGesellschaften unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer leicht. Im Ergebnis konnte Verdi zumindest bei der Beteiligung Aerologic und bei der Tochter Eurowings in die VC-Phalanx einbrechen und dort eigene Tarifverträge für Piloten abschließen.
Auch sonst besteht für die Passagiere durchaus Anlass zu neuen Streiksorgen: Dem Lufthansa-Bodenpersonal sollte der Konzern wohl spätestens bei der zweiten Runde am 23. Januar ein Angebot vorlegen. Laut Verdi haben sich die Beschäftigten bereits an mehreren Standorten untereinander ihrer Kampfbereitschaft versichert und „Streikversprechen“abgegeben. Spätestens Mitte März will Verdi lautVerhandlungsführer Reschinsky dann einen Abschluss sehen, sonst seien Urabstimmung und Streiks unausweichlich.
Die Forderungen: 12,5 Prozent mehr Geld, Ende der Mehrarbeit im Osten, höhere Schichtzulagen und Inflationsausgleichsprämie.