Finanzamt – Revitalisierung oder Neubau?
So manches Fragezeichen wird von dritter Seite hinter die Pläne des Landes gesetzt, das denkmalgeschützte Saarbrücker Finanzamt abzureißen. Fachleute bezweifeln die offizielle Argumentation, das Denkmal in bester Innenstadtlage sei baulich nur schwer zu r
Die Landesregierung hatte es sich wohl ganz einfach vorgestellt: Per Ministerratsbeschluss formulierte man im Oktober 2023 einen Abrissantrag für das Saarbrücker Finanzamt und gab ihn an die zuständige Denkmalschutzbehörde weiter. Wer sollte sich da schon auflehnen gegen den Wunsch von „ganz oben“?
Doch das Gebäude, um das es geht, hat eine Geschichte. Auch wenn es in der Bevölkerung womöglich nicht viele Freunde hat, die – wenn schon nicht seinen architektonischen, doch zumindest seinen regionalhistorischen – Wert erkennen. Immerhin handelt es sich um das erste landeseigene Nachkriegsgebäude der „Franzosenzeit“in Saarbrücken.
1948 wurde es zu Zeiten der Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich geplant – unter persönlicher Beteiligung von Georges-Henri Pingusson, dessen Französische Botschaft (später Sitz des Kultusministeriums und besser bekannt als Pingussonbau) die Landesregierung nach jahrelanger Hängepartie sanieren will. Weil das Denkmalamt das Gebäude als bewahrenswert einschätzt, stellte man das 125 Meter lange, in Filetlage gelegene Bürogebäude unter Denkmalschutz. Seit dem Umzug des Finanzamtes auf den Eschberg 2022 steht es leer. So weit die Vorgeschichte.
Das Land will das Gebäude jedoch aus der Denkmalliste streichen lassen und hat im November offiziell einen Abrissantrag eingereicht. Auf SZ-Anfrage hat das in der Sache maßgebliche Finanzministerium als Begründung mitgeteilt, das Gebäude sei „in einem besonders schlechten baulichen Zustand“und unterliege
„vielerlei und besonderen Restriktionen (Fassade, Gebäudeinstallation, Brandschutzproblematik, Statik)“, weshalb mit „außerordentlich hohen Sanierungskosten“zu rechnen sei. Mit anderen Worten: Das Landesdenkmalamt soll kleinbeigeben. Selbiges aber hat den Antragsteller Land nun um Nachweise einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit des Denkmalerhalts ersucht, so SZ-Informationen. Ganz so einfach geht es also doch nicht.
Mehrere ausgewiesene Fachleute hegen erhebliche Zweifel an den ins Feld geführten Argumenten und den weiteren Plänen des Landes, das vorhandene Bürogebäude durch ein neues zu ersetzen. Der Architekt Henning Freese, als Vorsitzender des Landesdenkmalrates (LDR) unmittelbar involviert, verweist auf ein vom Land 2017 in Auftrag gegebenes Gutachten, demzufolge das Finanzamt offenbar „vollkommen bautauglich“(Freese) sei. Im Übrigen müssten die heutigen, verschärften Statik-Auflagen bei damaligen Gebäuden aus Gründen des Bestandsschutzes auch gar nicht Anwendung finden.
Was die angeblichen statischen Defizite angeht, meint der Architekt und Vorsitzende des Saarbrücker Städtebaubeirates, Carsten Dietz, habe es im Fall des HTW-Hoch
hauses an der A 620 wie auch des HDI-Gebäudes, unter dem man via Wilhelm-Heinrich-Brücke nach AltSaarbrücken hindurchfährt, „baulich ganz ähnliche Einschränkungen gegeben, die zu lösen waren“. Ähnlich sieht die Sachlage der emeritierte Architektur- und Städtebauprofessor Markus Otto, heute ehrenamtlicher Leiter des Saarbrücker Ortskuratoriums der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. „Der Pingussonbau ist baulich in schlechterem Zustand“, gibt er zu bedenken. Nicht erkennbar sei überdies, dass das Land als Eigentümer der Immobilie ernstlich deren Umnutzung erwogen habe. Die bauliche Situation mit drei Treppenhäusern ließe relativ problemlos eine Wohnnutzung zu, regt Otto an. HTW-Architekturprofessor Heiko Lukas, bis 2020 Saarbrücker Baudezernent, erinnert daran, dass – Stichwort „graue Energie“, sprich das im Beton gespeicherte CO2 – auch ökologische Gesichtspunkte gegen einen Abriss und Neubau in gleicher Funktion sprächen.
Der LDR-Vorsitzende Freese kritisiert „das überfallartige Verfahren des Landes“, kurzerhand ohne Vorlage von belastbaren Unterlagen und jedwede öffentliche Diskussion den Gebäudeabriss auf den Weg bringen zu wollen. Das Land zeige sich „in dieser Frage uns gegenüber, gelinde gesagt, wenig auskunftsfreudig“.
Völlig losgelöst von allen baulichen, ästhetischen oder wirtschaftlichen Argumenten stellt sich noch eine andere Frage: Welche Verantwortung hat der Staat im Umgang mit Denkmälern? Dr. Marcus Hirschfelder, Saarbrücker Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Verwaltungsrecht, verweist auf Artikel 34 der Landesverfassung, der Schutz und Pflege von Denkmälern vorschreibt. „Der öffentlichen Hand obliegt es nach dem Saarländischen Denkmalschutzgesetz in besonderem Maße, die ihr gehörenden Denkmäler zu pflegen“, stellt Hirschfelder klar und erinnert an den einschlägigen Kommentar zur Verfassung des Saarlandes, in dem explizit die staatliche „Förderungspflicht“herausgestellt werde.
Wörtlich heißt es dort: „Mit den Begriffen Schutz und Pflege wird zum Ausdruck gebracht, dass der Staat nicht nur Eingriffe in diese Denkmäler zu unterlassen hat, sondern ihm die aktive Förderung ob
liegt.“Auch Privatleute, sagt Hirschfelder mit Blick auf das Finanzamt, dürften schließlich „wirtschaftliche Erwägungen nicht ohne weiteres über denkmalpflegerische Belange stellen“.
Auf SZ-Anfrage hatte das Finanzministerium mitgeteilt, es lägen „informelle Investorenfragen vor, die genau an diesem Standort eine erhebliche Anzahl qualitativ hochwertiger Büro-Arbeitsplätze in einem den heutigen Anforderungen entsprechenden Neubau neu schaffen wollen“. Sollten diese Investoren – Gerüchten zufolge auch eine Privatbank – in Saarbrücken, wo nicht gerade ein Mangel an zentral gelegenen Büroflächen herrscht, tatsächlich nur an diesem Standort und keinem anderen aktiv werden können?
Saarbrückens OB Uwe Conradt teilt auf SZ-Anfrage mit: „Es geht uns neben städtebaulichen Aspekten auch um einen Impuls für die Innenstadt. Es sind hunderte Arbeitsplätze weggebrochen an der Stelle.“Durch den Auszug des Amtes ginge der Stadt auch Kaufkraft verloren. Zu den Abrissplänen selbst lägen der Stadt „bislang keine detaillierten Informationen“vor, so Conradt. Er folgert: „Ob Revitalisierung im Bestand oder Neubau – klar ist, dass wir an dieser Stelle eine architektonisch überzeugende Lösung brauchen.“
„Der Pingussonbau ist baulich in schlechterem Zustand.“Prof. Markus Otto Deutsche Stiftung Denkmalschutz