„Wir können Pause machen, aber nicht den Krieg beenden“
Der israelische Botschafter Ron Prosor hat in Saarbrücken über eine mögliche Waffenruhe in Gaza gesprochen – und über die Zweistaatenlösung.
Ron Prosor ist 65-Jahre alt – und wirkt schon von Berufswegen her sehr freundlich. Er ist seit mehr als drei Jahrzehnten Diplomat, ist für den Staat Israel unterwegs. Bis er ab 2016 einen Diplomatie-Lehrstuhl in Israel gründet und leitet. Bis ihn sein Land 2022 noch mal braucht. Als Botschafter in Deutschland. Am Mittwoch war er zu Gast in der Saarbrücker Staatskanzlei. Antrittsbesuch bei Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) im „kleinen aber feinen Saarland“, wie er ganz diplomatisch im anschließenden Pressegespräch erklärt.
Er weiß, wie es geht, schlägt eine saarländische-israelische Schulpartnerschaft vor und lädt Rehlinger zum Gegenbesuch nach Israel ein. 2025 wäre ein gutes Jahr, da feiern Deutschland und Israel 60 Jahre diplomatische Beziehungen. „Wir haben eine Vergangenheit, die wir nicht vergessen können“, sagte er. Und: „Wir müssen die Jugendlichen aus Deutschland und Israel zusammenbringen: Das ist die Brücke für die Zukunft.“
In Saarbrücken erklärte Anke Rehlinger, dass es derzeit leider „keine schönen Umstände sind, unter denen wir uns hier treffen. Der 7. Oktober 2023 hat sehr, sehr viel verändert“, erinnert sie an dieses „schreckliche, unendlich grausame Verbrechen“. Ein terroristischer Überfall der palästinensischen radikal-islamistischen Hamas. Israelischen Angaben zufolge tötet die Hamas 1139 Menschen – darunter 695 Zivilisten, 36 Minderjährige, 373 Mitglieder der israelischen Sicherheitskräfte und 71 Ausländer. Dazu mehr als 5400 Verletzte. 240 Menschen hat die Hamas nach Gaza verschleppt.
In solchen Zeiten wählt auch der Diplomat mit Professur klare Worte: „Israel wird nicht mehr so sein wie vor dem 7. Oktober“, sagt er. „Die HamasTerroristen haben keine Unterschiede gemacht – linke Juden, rechte Juden, orthodoxe, säkularisierte Juden, dick oder dünn, sie haben uns geschlachtet. Israel hat daher das Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen.“Die Hamas hat bisher etwa 110 Geiseln freigelassen, die meisten davon während des einwöchigen Waffenstillstands, der Ende November endete. Nach Angaben Israels befinden sich noch 129 in Gaza, 22 von ihnen gelten jedoch als tot.
Gibt es nun erneut einen Waffenstillstand? Verhandlungen laufen. Der Botschafter sagt dazu: „Wir können eine Pause machen, wir können aber nicht den Krieg beenden. Wir können nicht akzeptieren, dass die Hamas dort die Oberhand behält, sich aufbauen kann und erneut solch ein Massaker in die Tat umsetzt.“Das Problem sei: „Die Ideologie wird bleiben. Aber wir werden dafür sorgen, dass sie nicht die Fähigkeit haben, sie mit Waffen wieder umzusetzen.“
Ideologien, die es auch in Deutschland gibt? „Hier in Deutschland gibt es rechten und linken Antisemitismus, und es gibt Antisemitismus aus muslimischen Reihen, wie wir nach dem 7. Oktober in Neukölln in Berlin gesehen haben, als sie Süßigkeiten verteilt und auf der Straße getanzt haben, weil die Hamas Juden geschlachtet hat. Diesen Ideologien muss man sich klar entgegenstellen“, sagt Prosor. Und man muss das jüdische Leben „in unserer Mitte schützen“, sagt Rehlinger. Das betonte sie mit Blick auf einen anschließenden gemeinsamen Besuch der Saarbrücker Synagogengemeinde.
Auch dort ist sicher der Krieg Thema. Zwei klare Ziele habe Israel in diesem Kampf, erklärt Prosor. Erstens: Die Infrastruktur und die Führung der Hamas beseitigen. „Das müssen wir tun, die Waffen müssen weg“, sagt er. Zweitens: Die Geiseln wieder zurück nach Hause bringen. „Militärisch ist das sehr, sehr schwierig.
Dabei gibt es auch zivile Opfer auf
der Seite der Palästinenser. Südafrika wirft Israel gar einen Genozid vor. „Was stattfindet ist eine Täter-OpferUmkehr. Plötzlich sind wir die Täter“, wehrt sich Prosor. In dieser Frage stehe Deutschland „klipp und klar an der Seite Israels, auch innerhalb Europas. Und sagt klare Worte: Israel hat keinen Genozid gemacht und wir sind bereit, das auch vor dem Gericht auszusagen.“Dafür bedankte er sich.
Den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nimmt der Botschafter für seine Ablehnung einer Zweistaatenlösung in Schutz, für die Ablehnung hagelte es Kritik aus Europa, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte die Zweistaatenlösung gar „die einzige Lösung“.
Prosor trägt die Sicht Israels dazu vor: „Diejenigen, die Zweistaatenlösung wie ein Papagei wiederholen, denen sage ich: Es muss nicht nur einen demokratischen, jüdischen Staat geben. Es muss auch einen demokratischen Staat Palästina geben, einen Rechtsstaat. Wir sprechen aber derzeit über einen Terrorstaat – und zwar nicht nur Netanjahu. Ich glaube, dass es dazu einen Konsens gibt in Israel, von links bis rechts.“Und: „Wir brauchen einen palästinischen Staat mit demokratischen Strukturen, sonst wird das nicht funktionieren.“Diplomatie hat eben auch ihre Grenzen.