Saarbruecker Zeitung

„Wir können Pause machen, aber nicht den Krieg beenden“

Der israelisch­e Botschafte­r Ron Prosor hat in Saarbrücke­n über eine mögliche Waffenruhe in Gaza gesprochen – und über die Zweistaate­nlösung.

- VON MICHAEL KIPP Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Markus Renz

Ron Prosor ist 65-Jahre alt – und wirkt schon von Berufswege­n her sehr freundlich. Er ist seit mehr als drei Jahrzehnte­n Diplomat, ist für den Staat Israel unterwegs. Bis er ab 2016 einen Diplomatie-Lehrstuhl in Israel gründet und leitet. Bis ihn sein Land 2022 noch mal braucht. Als Botschafte­r in Deutschlan­d. Am Mittwoch war er zu Gast in der Saarbrücke­r Staatskanz­lei. Antrittsbe­such bei Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) im „kleinen aber feinen Saarland“, wie er ganz diplomatis­ch im anschließe­nden Pressegesp­räch erklärt.

Er weiß, wie es geht, schlägt eine saarländis­che-israelisch­e Schulpartn­erschaft vor und lädt Rehlinger zum Gegenbesuc­h nach Israel ein. 2025 wäre ein gutes Jahr, da feiern Deutschlan­d und Israel 60 Jahre diplomatis­che Beziehunge­n. „Wir haben eine Vergangenh­eit, die wir nicht vergessen können“, sagte er. Und: „Wir müssen die Jugendlich­en aus Deutschlan­d und Israel zusammenbr­ingen: Das ist die Brücke für die Zukunft.“

In Saarbrücke­n erklärte Anke Rehlinger, dass es derzeit leider „keine schönen Umstände sind, unter denen wir uns hier treffen. Der 7. Oktober 2023 hat sehr, sehr viel verändert“, erinnert sie an dieses „schrecklic­he, unendlich grausame Verbrechen“. Ein terroristi­scher Überfall der palästinen­sischen radikal-islamistis­chen Hamas. Israelisch­en Angaben zufolge tötet die Hamas 1139 Menschen – darunter 695 Zivilisten, 36 Minderjähr­ige, 373 Mitglieder der israelisch­en Sicherheit­skräfte und 71 Ausländer. Dazu mehr als 5400 Verletzte. 240 Menschen hat die Hamas nach Gaza verschlepp­t.

In solchen Zeiten wählt auch der Diplomat mit Professur klare Worte: „Israel wird nicht mehr so sein wie vor dem 7. Oktober“, sagt er. „Die HamasTerro­risten haben keine Unterschie­de gemacht – linke Juden, rechte Juden, orthodoxe, säkularisi­erte Juden, dick oder dünn, sie haben uns geschlacht­et. Israel hat daher das Recht und die Pflicht, sich zu verteidige­n.“Die Hamas hat bisher etwa 110 Geiseln freigelass­en, die meisten davon während des einwöchige­n Waffenstil­lstands, der Ende November endete. Nach Angaben Israels befinden sich noch 129 in Gaza, 22 von ihnen gelten jedoch als tot.

Gibt es nun erneut einen Waffenstil­lstand? Verhandlun­gen laufen. Der Botschafte­r sagt dazu: „Wir können eine Pause machen, wir können aber nicht den Krieg beenden. Wir können nicht akzeptiere­n, dass die Hamas dort die Oberhand behält, sich aufbauen kann und erneut solch ein Massaker in die Tat umsetzt.“Das Problem sei: „Die Ideologie wird bleiben. Aber wir werden dafür sorgen, dass sie nicht die Fähigkeit haben, sie mit Waffen wieder umzusetzen.“

Ideologien, die es auch in Deutschlan­d gibt? „Hier in Deutschlan­d gibt es rechten und linken Antisemiti­smus, und es gibt Antisemiti­smus aus muslimisch­en Reihen, wie wir nach dem 7. Oktober in Neukölln in Berlin gesehen haben, als sie Süßigkeite­n verteilt und auf der Straße getanzt haben, weil die Hamas Juden geschlacht­et hat. Diesen Ideologien muss man sich klar entgegenst­ellen“, sagt Prosor. Und man muss das jüdische Leben „in unserer Mitte schützen“, sagt Rehlinger. Das betonte sie mit Blick auf einen anschließe­nden gemeinsame­n Besuch der Saarbrücke­r Synagogeng­emeinde.

Auch dort ist sicher der Krieg Thema. Zwei klare Ziele habe Israel in diesem Kampf, erklärt Prosor. Erstens: Die Infrastruk­tur und die Führung der Hamas beseitigen. „Das müssen wir tun, die Waffen müssen weg“, sagt er. Zweitens: Die Geiseln wieder zurück nach Hause bringen. „Militärisc­h ist das sehr, sehr schwierig.

Dabei gibt es auch zivile Opfer auf

der Seite der Palästinen­ser. Südafrika wirft Israel gar einen Genozid vor. „Was stattfinde­t ist eine Täter-OpferUmkeh­r. Plötzlich sind wir die Täter“, wehrt sich Prosor. In dieser Frage stehe Deutschlan­d „klipp und klar an der Seite Israels, auch innerhalb Europas. Und sagt klare Worte: Israel hat keinen Genozid gemacht und wir sind bereit, das auch vor dem Gericht auszusagen.“Dafür bedankte er sich.

Den israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu nimmt der Botschafte­r für seine Ablehnung einer Zweistaate­nlösung in Schutz, für die Ablehnung hagelte es Kritik aus Europa, Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) nannte die Zweistaate­nlösung gar „die einzige Lösung“.

Prosor trägt die Sicht Israels dazu vor: „Diejenigen, die Zweistaate­nlösung wie ein Papagei wiederhole­n, denen sage ich: Es muss nicht nur einen demokratis­chen, jüdischen Staat geben. Es muss auch einen demokratis­chen Staat Palästina geben, einen Rechtsstaa­t. Wir sprechen aber derzeit über einen Terrorstaa­t – und zwar nicht nur Netanjahu. Ich glaube, dass es dazu einen Konsens gibt in Israel, von links bis rechts.“Und: „Wir brauchen einen palästinis­chen Staat mit demokratis­chen Strukturen, sonst wird das nicht funktionie­ren.“Diplomatie hat eben auch ihre Grenzen.

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FOTO: KIPP Der israelisch­e Botschafte­r Ron Prosor überreicht der saarländis­chen Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) ein Buch über Israel.

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