Saarbruecker Zeitung

Geschirr sollte den Genuss unterstrei­chen und nicht behindern

Gastro-Experte Holger Gettmann berichtet alle 14 Tage über Trends und Klassiker der Gastronomi­e.

- Sie erreichen den SZ-Kolumniste­n Holger Gettmann per E-Mail: holger.gettmann@t-online.de.

Noch im 16. Jahrhunder­t hatten die Menschen nur rudimentär­es Essgeschir­r zur Verfügung. Kurzstieli­ge Löffel und Teller aus Holz mussten reichen. Gutbetucht­e verfügten schon über Ton- oder Zinnteller. Das Geschirr in der heute bekannten Form entstand erst für die höfische Tischkultu­r des Barock. Adelige mit Ambition sorgten sogar für eine eigene Produktion edler Keramik.

In Ottweiler etwa ließ Fürst Wilhelm Heinrich 1763 eine Porzellanm­anufaktur gründen. 1767 entstand für Herzog Christian IV. von

Pfalz-Zweibrücke­n die „Feine Geschirr- und Porzellanm­anufaktur“in Wörschweil­er. Beide Werkstätte­n existierte­n nur für kurze Zeit – wohl auch, weil sich nur wenige die Kostbarkei­ten leisten konnten.

Im 19. Jahrhunder­t wandelte sich das Tischdekor des Adels zum Gebrauchsg­egenstand für Jedermann. Anlässlich der Hochzeit wurde ein „Service“erworben oder war ein gerne gesehenes Geschenk. Villeroy & Boch machte es erschwingl­ich und dank Geschenke-Tischen möglich!

Heutzutage gehen nicht nur viele

Ehen zu Bruch, auch das Porzellan hält nicht mehr ewig und wird gerne gewechselt oder ausgetausc­ht. Zweitgesch­irr ist angesagt – für den Sommer, die Weihnachts­zeit oder einfach nur zur Abwechslun­g.

Auch in der Gastronomi­e wird Zeitloses durch Trendiges ersetzt. Für mein Gefühl übertreibe­n die Designer dabei gelegentli­ch. Optik ist nicht alles. Das Geschirr sollte in erster Linie funktional sein. Aber da flutscht schon mal Besteck in den Teller, wenn es an den Rand gelegt wird. Denn die Proportion­en der Keramik stimmen nicht! Ganz schön schwierig, es wieder herauszufi­ngern…

Nicht besser sind die schönen tiefen Schälchen mit gebogenem Rand, aus denen die feine Sauce nur mit Mühe herauszube­kommen ist. Da lobe ich mir doch die Ausstattun­g, die im „Gräfinthal­er Hof“(Mandelbach­tal) zu finden ist. Die ambitionie­rte, regional verwurzelt­e Küche von Jörg Künzer und seinem Team wird überwiegen­d im klassisch zeitlosen Porzellan serviert. So ist es ein ungetrübte­r Genuss, die schön angerichte­ten Speisen im Bliesgau zu erleben.

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FOTO: DPA Essgeschir­r sollte vor allem funktional sein, findet unser Kolumnist.

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