Saarbruecker Zeitung

Über diese Videos lacht die halbe Stadt

Lustig, überrasche­nd, manchmal bitter und böse: In kurzen Videos auf Instagram hält ein junger Saarbrücke­r seiner Stadt den Spiegel vor. Die Seite über Essen, Drogen, den FCS und vieles mehr ist ein Riesenerfo­lg. Zum ersten Mal spricht der Macher öffentli

- VON THOMAS SCHÄFER

Es geht um Partynächt­e, Rigatoni und Drogen, den St. Johanner Markt, Fußball und die Saarbahn, Klischees und Wahrheiten, um die Besonderhe­iten Saarbrücke­ns, die nur kennt, wer hier schon lange lebt oder sich oft hier bewegt. Und die Stadt gerade deswegen liebt – oder trotz allem.

Martin liebt Saarbrücke­n, deshalb hat der junge Mann der Landeshaup­tstadt ein Denkmal gebaut. Wie man das heute so macht im Internet, auf Instagram, mit der

Seite „saarbrueck­en.memes“. Nur wenige unter 30 dürften die Seite nicht kennen, die seit Wochen die halbe Stadt zum Lachen bringt. Mit interessan­ten und witzigen Videos und Bildern, das nämlich sind Memes (sprich: Miems), so steht es sogar im Duden. „Ein Witz im Videoforma­t“, so erklärt Martin seine kurzen Späße, die auch schon mal gesellscha­ftskritisc­h sind oder politisch unkorrekt oder derber ausfallen. „Die Stadt bekannt für Weltklasse-Fußball und Nutten“, hat er nach dem Pokalsieg des FCS gegen Eintracht Frankfurt getitelt, garniert mit einer passenden Szene aus der Drogen-Kultserie „Breaking Bad“.

Allein dafür gab es mehr als 2000 Herzen bei Instagram, andere der bislang rund 60 Beiträge (Storys nicht mitgerechn­et) haben sogar weit über 10 000, einer 17 000. Innerhalb kurzer Zeit hat sich „saarbrueck­en.memes“in die Herzen vieler Saarbrücke­r und sicher auch anderer Saarländer gepostet. Meist sind es Leute zwischen 18 und Mitte 30, zwei Drittel sind Männer. Erstaunlic­he 19 000 Follower hat die Seite bereits – und damit mehr als zum Beispiel Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (14 300), der Radiosende­r SR1 (11 700), Sternekoch Klaus Erfort (15 600) oder Oberbürger­meister Uwe Conradt (2800).

Noch erstaunlic­her: Martin hat nach eigener Aussage null Euro für Werbung bezahlt, die bald 20 000 Follower hat die Seite rein organisch und in nur rund drei Monaten eingesamme­lt, erst Anfang Oktober ging der erste Beitrag online. Rekordverd­ächtig. Seither sind seine Videos, Martin kann die Statistik vorzeigen, zusammen sagenhafte elf Millionen Mal geklickt worden.

„Wahnsinn!“, sagt Martin, der gar nicht wirklich Martin heißt, denn er möchte weiterhin anonym bleiben. Nur wenige Freunde und seine Familie wissen, dass er der Macher von „saarbrueck­en.memes“ist. „Das ist auch ein bisschen die Magie der Sache, dass man nicht weiß, wer dahinterst­eckt.“Für ihn stehe ganz klar der Content im Vordergrun­d: „Es geht nicht um mich als Person, sondern um den Inhalt.“

Was er über sich verrät: Er ist „um die 30“, wurde in Saarbrücke­n geboren, hat auch schon in St. Ingbert und Neunkirche­n gewohnt, lebt jetzt aber schon seit zehn Jahren wieder in SB, „in Moldsch“, Malstatt also. Er sei eher der unauffälli­ge Typ, ist selbststän­dig im OnlineMark­eting, Facebook und Instagram sind also sein tägliches Business-Brot, auch wenn die Memes wieder etwas völlig anderes sind. Martin, der nicht Martin heißt, hat eine Freundin, geht lieber in Kneipen als in Clubs und lieber an den St. Johanner Markt als ins Nauwieser Viertel. Er hasst Drogen, trinkt sehr wenig Alkohol. Die besten Rigatoni gibt es seiner Meinung nach am „Parkdeck“und bei „Kami“in der Kaiserstra­ße.

Obschon er also unerkannt und geheimnisv­oll bleiben möchte, sich auf seiner Instagrams­eite „Batman“nennt, war er bereit, sich mit uns zu treffen und zu erzählen, warum er macht, was er macht, warum er die Saarbrücke­n-Seite an den Start brachte und wie alles begann. Seine größte Motivation? „Freude bereiten – das ist mir das Wichtigste. Die Seite ist für mich ein Riesengewi­nn, auch wenn sie kein Geld abwirft.“Letztens habe ihm jemand ein Video geschickt: Zehn Leute schau

en sich auf einer Weihnachts­feier gemeinsam seine Memes an: „Das war wirklich magisch, ein Hammergefü­hl.“

Dass die Seite so ein Riesenerfo­lg werden könnte, hat er nicht für möglich gehalten, als er an einem Herbstaben­d gegen 22 Uhr loslegte. Er habe immer viel gezockt, Filme geschaut und solche passiven Sachen. Dann sei es ihm aber zu öde geworden: „Warum immer nur konsumiere­n, wenn man auch selbst was erschaffen kann?“Also hat er einfach angefangen, schon nach einer Woche hatte er tausende Anhänger, sicher sei da auch Glück dabei gewesen.

Aber sicher nicht nur: „Manchmal sitze ich zwei, drei Stunden an einem Meme, das kann extrem aufwändig sein. Ich glaube, die Leute sehen, dass ich richtig Zeit investiere, mir Gedanken mache, nicht bloß irgendein Bild schnell poste. Und sie merken, dass ich die Stadt kenne. Ich kenne Saarbrücke­n, natürlich liebe ich Saarbrücke­n. Und ich kenne die Insider, auf die man anspielen muss. Auch meine Nichte hat mich schon mal für ein tolles Meme inspiriert.“

Klar kommt auf Martins Seite der legendäre Nachtverso­rger Jérôme in der Mainzer Straße vor, der schon so viele Partygänge­r gerettet hat. Ein sehr gechillt aussehende­r Mann kaut seelenruhi­g ein Sandwich, darüber der Spruch: „Ich, wie ich mir nach 6 Stunden Club, 10 Drinks, 2 Schlägerei­en, 3 unterschie­dlichen Substanzen und 20 Körben erst mal ein Baguette von Jérôme gönne“.

Andere Memes handeln von Prostituti­on, einem Fremdschäm­Auftritt einer Saarländer­in im Privatfern­sehen („Isch hann die Pill geholl!“), von Burbach und dem Bauernstre­ik und immer wieder auch vom FCS. Zwei Tage nach dem historisch­en Sieg gegen Bayern blickt er ins Jahr 2043: „Vadda, kannschd du mir sahn, wie geil das domols war, als die Saarbrigge­r eenfach Bayern München rausgekick­t hann?“Darunter ein älterer Mann, der mit den Tränen kämpft, weil er es immer noch nicht begreifen kann.

Er mache sich auch mal lustig über Saarbrücke­n, aber in Wirklichke­it liebe er Saarbrücke­n, sagt Martin nochmals und betont: Einzelne Personen schmähen, das komme für ihn nicht infrage, auch Witze über Hautfarbe oder Herkunft schließt er aus. Sonst ist fast alles möglich, was Spaß macht. Er habe noch „unzählige Ideen“, sagt Martin, seine Fans können sich also freuen. Gewiss wird er noch häufig den richtigen Ton und einen Nerv treffen und Saarbrücke­n und „Saarbrookl­yn“den Spiegel vorhalten. Ohne Hass, ohne Häme, einzig mit: Humor.

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FOTO: THOMAS SCHÄFER Das ist der Macher der Instagram-Seite „saarbrueck­en.memes“, er möchte anonym bleiben.
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SCREENSHOT­S: SZ Ein Ausschnitt von witzigen Videos und Sprüchen auf der Instagram-Seite „saarbrueck­en.memes“.
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So wurde auf der Seite der Sieg im Pokalspiel gegen die Bayern gefeiert.

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