Saarbruecker Zeitung

Das Adrenalin soll Wellinger zur Medaille tragen

Der 28-Jährige peilt seine erste Einzel-Medaille bei einer Skiflug-Weltmeiste­rschaft an. Er freut sich riesig auf die „Königsdisz­iplin des Skispringe­ns“.

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(sid) Andreas Wellinger liebt den Nervenkitz­el, egal ob auf dem Surfbrett oder beim Klettern. „Wenn das Adrenalin in mein Blut schießt, bin ich glücklich“, sagt der Bayer. Der größte Kick wartet auf Deutschlan­ds besten Skispringe­r aber ab diesem Donnerstag: Auf der Mega-Schanze am Kulm beginnt mit der Skiflug-WM der zweite Höhepunkt des Winters. Wie schon bei der Vierschanz­entournee will Wellinger auf das Podest – und im Idealfall sogar Gold holen.

„Wir haben bei der WM noch einmal 100 Meter mehr Flug als zuletzt. Da kann ich meine Stärken ausspielen, wenn ich auch im hohen Weitenbere­ich einen sauberen Telemark setze. Wenn mir das gelingt, ist alles möglich“, sagt der seit Wochen starke Wellinger. „Skifliegen ist einfach alles mal zwei. Es ist die Königsdisz­iplin des Skispringe­ns“, betont auch Bundestrai­ner Stefan Horngacher.

Acht Podestplät­ze hat der 28-jährige Wellinger in diesem Winter schon geholt, bei der jüngsten Polen-Tour sammelte er in der Summe aller elf Sprünge sogar mehr Punkte als der überragend­e Österreich­er Stefan Kraft. Wellinger ist wohl der einzige deutsche Medaillenk­andidat. Karl Geiger und Pius Paschke, die in diesem Winter schon Siege feierten, haben ihre Topform verloren und springen nur noch hinterher.

Sollte Wellinger seine beste Form auch in Bad Mitterndor­f abrufen, wo der Schanzenre­kord bei 244 Metern liegt, ist eine Einzel-Medaille in den insgesamt vier Durchgänge­n am Freitag (ab 14 Uhr/ZDF) und Samstag durchaus möglich. Für den deutschen Adler wäre es die erste im Fliegen, sein bestes WM-Ergebnis ist bislang ein siebter Platz 2018 in Oberstdorf. Im Teamwettka­mpf, der traditione­ll den Abschluss am Sonntag bildet, holte er 2016 und 2022 jeweils Silber.

Für den ganz großen Coup muss Wellinger vor allem die Umstellung auf den Monster-Bakken bewältigen. „Wenn du abspringst, brauchst du eine Brille, um bis unten zu schauen“, sagt Sven Hannawald, der 2000 und 2002 Gold holte: „Der Flug vergeht wie in Trance, du hast nur Gänsehaut, nur Adrenalin. Das bekommst du das ganze Wochenende nicht weg – vorausgese­tzt, dass die Form stimmt. Bei Andreas Wellinger bin ich überzeugt, dass es ein schönes Wochenende wird.“

Dass er es kann, hat Wellinger zumindest im Weltcup schon bewiesen. 2017 in Vikersund stellte er mit 245 Metern den damaligen deutschen Rekord von Severin Freund ein, auf der Heini-Klopfer-Schanze in Oberstdorf hielt er bis 2018 mit 238 Metern den Schanzenre­kord. Und auch den Kulm mag er, vor einem Jahr verpasste er dort als Vierter nur knapp das Podest.

Ganz ungefährli­ch ist das Fliegen indes nicht. Noch immer in schlechter Erinnerung ist die WM 2016 ebenfalls am Kulm, als der Österreich­er Lukas Müller während des Einfliegen­s der Vorspringe­r schwer stürzte. Müller erlitt eine inkomplett­e Querschnit­tlähmung und sitzt seither im Rollstuhl.

Wellinger kennt die Gefahren, geht aber voller Zuversicht in den Nervenkitz­el. „Beim Skifliegen braucht man vom ersten Training an das richtige Gefühl, die Herausford­erung startet daher schon mit dem Training am Donnerstag“, sagt der Mitfavorit und betont: „Ich freue mich riesig auf die WM.“Und auf das Adrenalin im Blut.

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FOTO: SOKOLOWSKI/AP/DPA Andreas Wellinger ist der wohl einzige deutsche Medaillenk­andidat bei der Skiflug-WM.

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