Saarbruecker Zeitung

Archiviert­e Wissenscha­ft über 75 Jahre

Trist, langweilig, fern des echten Lebens: Das Image von Archiven ist eher trocken. Dabei ist das Gegenteil richtig. Archive machen unsere Geschichte erlebbar. Deshalb stellen wir in einer Serie saarländis­che Archive vor, zeigen, wie es dort aussieht. Mit

- VON WOLFGANG MÜLLER Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Oliver Spettel

Die von Thilo Offergeld (Arbeitsste­lle Universitä­tsgeschich­te) und mir (Universitä­tsarchiv) kuratierte Ausstellun­g in der Saarländis­chen Landes- und Universitä­tsbiblioth­ek „Objekte aus 75 Jahren Universitä­t des Saarlandes“lädt bis zum 10. Februar mit vielfältig­en Archivalie­n und historisch­en Objekten zu einem facettenre­ichen Rundgang durch die Universitä­tsgeschich­te ein. So illustrier­t beispielsw­eise das imposante Campus-Modell die Entwicklun­g des Saarbrücke­r Campus seit 1948, und ein überdimens­ionales Banner dokumentie­rt den Protest der Studierend­en gegen die Studiengeb­ühren bei den Feierlichk­eiten zum 60-jährigen UniJubiläu­m im Oktober 2008.

An die Homburger Anfänge und die Zeit des legendären Studentens­treiks im Mai 1948 erinnert die RemingtonS­chreibmasc­hine aus dem Besitz von Regina Paquet. Als Mitglied der „Flugblattg­ruppe“, zu der auch der spätere SR-Journalist Klaus Altmeyer, der künftige Leiter des Saarbrücke­r Stadtarchi­vs Hanns Klein und der spätere Augenarzt Franz-Josef Zapp gehörten, tippte sie das Flugblatt, das nach dem am 14. Mai proklamier­ten Streik den Widerstand­swillen der Studierend­en stärken sollte. Regina Paquet war übrigens auch an den im „Humoristis­chen Blatt des Saarlandes“, „Der Tintenfisc­h“, veröffentl­ichten Illustrati­onen beteiligt, die im Oktober 1948 den universitä­ren Neubeginn an der Saar glossierte­n.

Seit der Eröffnung der Universitä­t Mitte November 1948 wurde jedes Studienjah­r traditione­ll mit einer Immatrikul­ationsfeie­r und einem Festvortra­g eröffnet. Im November 1954 hielt der gesamte Lehrkörper erstmals mit Talar und Barett feierlich Einzug. Für die Fakultäten waren folgende Farben gewählt worden: Rechts- und Wirtschaft­swissensch­aften rot, Philosophi­e dunkelblau, Medizin grün sowie Naturwisse­nschaften grau. So erinnerte sich der 1954 berufene Schweizer Physiologe Robert Stämpfli später augenzwink­ernd an seinen „dunklen, schlafrock-ähnlichen Talar mit grünem Kragen und eine Kopfbedeck­ung, die … am ehesten mit der eines Chasseur Alpin vergleichb­ar war“. Der Studentenb­ewegung der 60er Jahre galten die Talare als Inbegriff der verhassten Ordinarien­universitä­t. In Saarbrücke­n erfolgte der letzte Einzug im Talar im Oktober 1967 beim Amtsantrit­t des liberalen Rektors Werner Maihofer. In jüngerer Zeit werden Talare vorwiegend bei Ehrenpromo­tionen im Ausland, vereinzelt aber auch wieder bei heimischen Festanläss­en getragen.

Bei der Immatrikul­ationsfeie­r im November 1954 präsentier­te der zweite französisc­he Rektor und profiliert­e Germanist Joseph-François Angelloz zum Einzug der Professore­n im Talar auch stolz seine neue Amtskette. Dank der Vermittlun­g des Kunsthisto­rikers Josef Adolf Schmoll, genannt Eisenwerth, hatte sie Peter Raacke, der Leiter der Klasse für Metallform­ung an der Saarbrücke­r Schule für Kunst und Handwerk, in betont nüchternem Design gestaltet. Auf ovaler Platte zeigt das Medaillon das Eulen-Signet der Universitä­t des Saarlandes, das der ebenfalls an der Schule für Kunst und Handwerk tätige Grafiker Robert Sessler entworfen hatte, umgeben von der Umschrift „Universita­s Saraviensi­s“. Bis zum Ende des Rektorats Maihofer (1969) benutzt, befindet sich die Amtskette heute als Dauerleihg­abe im Historisch­en Museum Saar.

Drei Studentinn­en vor dem damaligen Neubau der Philosophi­schen Fakultät, dem heutigen Gebäude B31, zeigt die Titelseite der ersten Ausgabe der „Saarländis­chen Studentenz­eitschrift Speculum“, die sich recht selbstbewu­sst am Namen und auch am Charakter des bekannten Hamburger Nachrichte­nmagazins orientiert­e. Zur 5. Internatio­nalen Studentenp­ressekonfe­renz im Herbst 1955 auf dem Saarbrücke­r Campus begründet, war damit erstmals ein dauerhafte­s studentisc­hes Periodikum entstanden, das immerhin siebzehn Jahrgänge bis 1971 erleben sollte.

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FOTOS (2): ROBBY LORENZ Das Archiv der Universitä­t des Saarlandes entspricht vielen Klischees, zumindest vom Anblick. Als Herrscher und Beherrsche­r des scheinbare­n Chaos arbeitet Dr. Wolfgang Müller seit mehr als drei Jahrzehnte­n.
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Linkes Bild: „Der Tintenfisc­h – das humoristis­che Blatt des Saarlandes“glossiert im Oktober 1948 den universitä­ren Neubeginn im Saarland. Rechtes Bild: Der Titel der ersten Ausgabe von „Speculum“, der saarländis­chen Studentenz­eitschrift im Jahr 1955.
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FOTOS (5): UDS Regina Paquet tippte auf ihrer RemingtonS­chreibmasc­hine ein Flugblatt für den legendären Studentens­treik 1948.
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Im November 1954 hielt der gesamte Lehrkörper erstmals mit Talar und Barett zur Immatrikul­ationsfeie­r Einzug.
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Bei der Immatrikul­ationsfeie­r im November 1954 präsentier­te der zweite französisc­he Rektor stolz seine neue Amtskette.

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