Auch SPD und FDP setzen auf Frauen für die Europawahl
Nach den Grünen und den Linken, schicken nun auch Sozialdemokraten und Liberale eine Frau als Spitzenkandidaten in den Europa-Wahlkampf.
BERLIN Oben ist alles klar, aber dahinter wird noch kräftig gerungen, wenn am Sonntag die SPD zur Delegiertenkonferenz im Berliner Congress Center und die FDP zum außerordentlichen Parteitag in der Berliner Station zusammentritt. Es wird entschieden, welcher Genosse und welcher Parteifreund die besten Chancen hat, nach dem 9. Juni fünf Jahre lang in Brüssel und Straßburg mitentscheiden zu dürfen – und: mit welchen programmatischen Grundaussagen sie in den Europawahlkampf ziehen werden. Was die Wähler vor allem ansprechen soll, werden Katarina Barley bei den Sozialdemokraten und Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei den Liberalen in möglichst mitreißenden Reden als neue Spitzenkandidatinnen der größten und kleinsten Ampel-Partei publikumswirksam verkünden.
An den Vorschlägen für die beiden
Spitzenkandidatinnen wird nicht gezweifelt. Aber auf den folgenden Plätzen ist bei beiden Parteien noch gehörig Musik zu erwarten. Schließlich haben sich bereits alle Landesverbände der Parteien mächtig ins Zeug gelegt und ihrerseits Wahllisten und eigene Landes-Spitzenkandidaten gekürt. Allerdings gilt das nur für die regionalen Wahlkämpfe. Mit den realen Chancen der jeweils Gekürten hat das nichts zu tun. Denn außer bei CDU und CSU werden keine Landeslisten auf den Stimmzetteln stehen, sondern nur gemeinsame Bundeslisten.
Weil Deutschland im neuen Europaparlament erneut mit 96 Abgeordneten vertreten sein wird, gilt die Faustformel, dass jeweils ein Abgeordneter pro Stimmenprozentanteil ein Mandat erhält. Die SPD erzielte beim letzten Mal 15,8 Prozent und brachte 16 Abgeordnete durch, die FDP schaffte 5,4 Prozent und fünf Mandate. Gemessen an den jüngsten Umfragen könnte die SPD mit 13 bis 15, die FDP mit vier bis sechs Sitzen im Europaparlament rechnen. Wer also sicher in Straßburg mitmischen will, tut gut daran, es bei der SPD am Sonntag auf einen der vorderen 13, bei der FDP auf einen der vorderen vier Listenplätze zu schaffen.
Die SPD hat sich in NRW für den derzeitigen Sprecher ihrer Europaparlamentarier, Jens Geier, entschieden, gefolgt von Birgit Sippel und Tobias Cremer – sowie 21 weiteren
Europa-Kandidaten aus der NRWSPD. Es gehört also nicht viel Fantasie dazu, dass es nicht alle in Berlin auch auf die aussichtsreichen Plätze der Bundesliste schaffen werden.
Noch größer ist das Gerangel bei den Liberalen. Deren Landesverbände wollen Moritz Körner aus NRW vorne sehen, Isabell Schnitzler aus
Hessen, Jan-Christoph Oetjen aus Niedersachsen, Sandra Weeser aus Rheinland-Pfalz – und zwölf weitere „Spitzenkandidaten“aus den übrigen Landesverbänden. Das Licht auf Europaebene fiel zuletzt auf den NRW-Generalsekretär Moritz
Körner, als dieser zum Sprecher der deutschen Liberalen im Europaparlament bestimmt wurde, und auf Jan-Christoph Oetjen, als dieser neuer Vizepräsident des Europaparlamentes wurde. Wer auf aussichtsreichen Plätzen das Rennen macht, wird jedoch – wie bei den Sozialdemokraten – erst am Sonntagnachmittag entschieden sein.
Während sich Terry Reintke nach der Nominierung zur deutschen Grünen-Spitzenkandidatin anschickt, diese Position in der nächsten Woche auch auf europäischer Ebene zu erreichen, hat bei den Sozialdemokraten Katarina Barley bereits verkündet, sich auf das Rennen in Deutschland zu konzentrieren. Sie überließ ihrem Parteifreund Nicolaus Schmit (70) aus Luxemburg das Feld des europäischen Spitzenkandidaten. Damit rückt eine am Sonntag als Elefant mit in den Raum, die sich immer noch nicht erklärt hat. Bei den Christdemokraten wird damit gerechnet, dass Ursula von der Leyen am 19. Februar in Berlin ihre Kandidatur verkünden dürfte. Als Spitzenkandidatin für ganz Europa – und damit hierzulande auf keinem einzigen Stimmzettel.