Saarbruecker Zeitung

Ostafrika-Reise Baerbocks zum Teil gestrichen

In Krisenzeit­en kann eine einfache Panne eine Reihe von Problemen nach sich ziehen. Wegen einer fehlenden Überflugge­nehmigung fiel der Besuch der deutschen Außenminis­terin in Dschibuti aus. Baerbock reist weiter nach Kenia und Südsudan.

- VON MEY DUDIN

DSCHIDDAA Eigentlich wollte Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) in Dschibuti Gespräche über den Schutz der Seewege im Roten Meer führen. Doch es kam anders: Die Konflikte in der Region behindern nicht nur die Schifffahr­t.

Weil ihr Regierungs­flieger nicht rechtzeiti­g die Überflugge­nehmigung für Eritrea hatte, und der Flug über die umliegende­n Länder Sudan und Jemen gefährlich bis unmöglich war, musste die Ministerin mit ihrer Delegation von Mittwoch auf Donnerstag in der saudischen Hafenstadt Dschidda übernachte­n. „Das macht vielleicht auch deutlich, wie instabil die Region ist, wo wir hier gerade sind, gerade rund um das Rote Meer“, betont die Außenminis­terin. Just an diesem Tag hatte die jemenitisc­he Huthi-Miliz wieder drei Raketen auf zwei Handelssch­iffe abgefeuert.

So muss Baerbock den ersten Teil ihrer Ostafrikar­eise streichen. „Die Reise wird nach dem Tankstopp in Dschidda mit dem Programmte­il Kenia fortgesetz­t“, heißt es aus Delegation­skreisen. Die Ministerin hebt trotzdem noch mal die „unglaublic­he geostrateg­ische Bedeutung“Dschibutis hervor, das an der 27 Kilometer breiten Meeresenge Bab al-Mandab gegenüber vom Jemen liegt, „von wo aus die Huthi-Milizen ihre Angriffe auf die freie Seefahrt in den letzten Wochen ausgeübt haben, mit Raketen und mit Drohnen den internatio­nalen Seeverkehr massiv bedroht haben“. Über die Meeresenge, deren Name auf Arabisch „Tor der Totenklage“bedeutet, gibt es eine Legende: Ein Herrscher soll seine Männer dorthin befehligt haben, um einen Berg zu durchbrech­en, der eine natürliche Barriere zum Meer bildete. Er wollte, dass Städte und Dörfer überflutet werden und seine Gegner ertrinken. Manche sagen, so sei das Rote Meer entstanden.

Einer der wichtigste­n Schifffahr­tswege der Welt, der Asien und Europa verbindet, führt an Bab al-Mandab vorbei. Etwa 15 Prozent des Welthandel­s geht normalerwe­ise durch den angrenzend­en Suezkanal, ebenso wie ein Großteil des deutschen Handels mit Ostasien. Doch seit Mitte Oktober die jemenitisc­hen Huthi-Rebellen begannen, Raketen in Richtung Israel zu feuern und mit Drohnen Frachtschi­ffe zu attackiere­n, wird das Gebiet gefährlich­er. Die Huthis sehen sich als Teil der pro-iranischen „Achse des Widerstand­s“. Ihr erklärtes Ziel ist es, Schiffe mit einem Bezug zu Israel zu treffen, bis der Gaza-Krieg endet. Bisher wurden mehr als 30 Frachter attackiert. Viele Reedereien sind inzwischen auf die Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas ausgewiche­n und nehmen eine fast zwei Wochen längere Fahrt in Kauf. Die Verzögerun­gen zwingen mehrere Unternehme­n dazu, ihre Produktion zu unterbrech­en, weil Bauteile fehlen.

Es geht also auch um den deutschen Wohlstand, wenn Baerbock auf diplomatis­cher Mission in der Region ist. Die Ministerin nennt konkret Tesla in Brandenbur­g, wo die Produktion kurzfristi­g stillstehe­n werde, „weil die eigentlich­e Just-inTime Lieferung aufgrund der gefährlich­en Situation im Roten Meer und der Angriffe der Huthis eben nicht mehr just in time sein konnte“, also nicht rechtzeiti­g da war. Daher übernehme auch Deutschlan­d Verantwort­ung für die Sicherheit des Roten Meeres. Und deshalb plane die Bundesregi­erung auch, sich in einer Mission der Europäisch­en Union zum Schutz der dortigen Seefahrt einzusetze­n.

Baerbock betont, dass es der EU um eine „Schutzmiss­ion“geht, um eine „defensive Mission“, von der keine Angriffe auf den Jemen ausgingen. Aber das Recht auf Selbstvert­eidigung, „das Individuel­le und das Kollektive“, solle durch die europäisch­e Mission mit unterstütz­t werden. Die USA und Großbritan­nien gehen derzeit mit Luftschläg­en auf HuthiStell­ungen im Jemen vor. Deutschlan­d könnte ein Kriegsschi­ff zur Absicherun­g des Seewegs schicken, sofern der Bundestag zustimmt. Von der Fregatte „Hessen“ist die Rede. Das Schiff ist unter anderem mit Flugabwehr­raketen ausgerüste­t.

Die jemenitisc­he Menschenre­chtsvertei­digerin Radhya al-Mutawakel hält von den neuen militärisc­hen Aktivitäte­n im Roten Meer nichts. „Ein neuer Krieg wird nur zu einer neuen Katastroph­e führen, er wird aber nicht für den Schutz der Schifffahr­t sorgen.“Das Time Magazine hat die Vorsitzend­e der Nichtregie­rungsorgan­isation Mwatana einst auf seiner Liste der 100 einflussre­ichsten Menschen des Jahres 2019 geführt. Seither gerät die humanitäre Katastroph­e in ihrem Land in Vergessenh­eit, sagt sie. Den Huthis wiederum gefalle diese Situation. „Jetzt können sie sagen, sie kämpfen gegen Amerika.“Da viele Jemeniten an der Seite der Palästinen­ser im Gaza-Krieg stünden, glaubten die Stammeskri­eger auch, die Attacken könnten sie populärer machen. Schon der Krieg der vergangene­n neun Jahre habe die Huthis gestärkt. „Am Anfang des Krieges hatten sie keine Raketen. Jetzt haben sie Raketen.“

Außenminis­terin Baerbock beschäftig­t allerdings auf der Weiterreis­e nach Kenia und in den Südsudan schon wieder ein anderer aktiver Konflikt: der seit mehr als neun Monaten tobende Bürgerkrie­g im Sudan.

„Ein neuer Krieg wird nur zu einer neuen Katastroph­e führen, er wird aber nicht für den Schutz der Schifffahr­t sorgen.“Radhya al-Mutawakel Menschenre­chtsvertei­digerin aus dem Jemen

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Außenminis­terin Annalena Baerbock musste ihre Ost-Afrikareis­e aufgrund von fehlenden Überflugge­nehmigunge­n unterbrech­en.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Außenminis­terin Annalena Baerbock musste ihre Ost-Afrikareis­e aufgrund von fehlenden Überflugge­nehmigunge­n unterbrech­en.

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