Saarbruecker Zeitung

Was ein Waffen-Ringtausch mit Großbritan­nien bringen könnte

- VON JAN DREBES Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Lucas Hochstein

BERLIN Wie kann Russlands Angriffskr­ieg gegen die Ukraine gestoppt werden? Wie kann Russland so sehr in die Schranken gewiesen werden, dass es den Krieg nicht gewinnt – und an Friedenspe­rspektiven für die Ukraine gedacht werden kann? Diese Fragen sind Antrieb für die Befürworte­r von Lieferunge­n deutscher Taurus-Marschflug­körper für die Ukraine. Warum? Weil sich die Fachpoliti­ker und Sicherheit­sexperten von dieser Waffe einen sehr wichtigen Beitrag für den ukrainisch­en Abwehrkamp­f verspreche­n. Dem gegenüber stehen erhebliche Bedenken unter anderem bei Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), die aus einem Bündel an nicht näher genannten Faktoren bestehen. Einer davon: Die Ukraine könnte die Präzisions­waffe mit 500 Kilometern Reichweite und enormer Durchschla­gskraft entgegen aller Beteuerung­en so einsetzen, dass daraus eine große zusätzlich­e Eskalation­sgefahr ausgehen könnte. Um in der festgefahr­enen Debatte eine Lösung aufzuzeige­n, soll Großbritan­nien der Bundesregi­erung nun einen Marschflug­körper-Ringtausch angeboten haben.

Nach Informatio­nen der dpa gibt es Überlegung­en, Nato-Partnern wie Großbritan­nien oder Frankreich Taurus-Raketen der Bundeswehr zu liefern. Im Gegenzug würden diese Länder dann ähnliche, nicht ganz so leistungss­tarke Waffensyst­eme in die Ukraine exportiere­n. Das „Handelsbla­tt“berichtete unter Berufung auf Diplomaten und Regierungs­vertreter, Großbritan­nien habe bereits vor Wochen angeboten, der Ukraine im Gegenzug für Taurus weitere seiner Marschflug­körper vom Typ Storm Shadow überlassen zu wollen. Dieses Angebot werde noch geprüft, hieß es.

Der Sicherheit­sexperte bei der Münchner Sicherheit­skonferenz Nico Lange zeigt sich skeptisch, was den Nutzen eines solchen Ringtausch­s für die Ukraine angeht. Dass die Briten einen Ringtausch für die Ukraine anböten, scheine ein Ausdruck der Frustratio­n über die starre Haltung Deutschlan­ds zu sein und gleichzeit­ig ein pragmatisc­her Weg, damit die Ukraine überhaupt weiter Nachschub bei diesen wichtigen Präzisions­waffen erhalten könne, sagte Lange. „Der strategisc­he Fehler war, die deutschen Taurus nicht gleich gemeinsam mit den französisc­hen Scalp und den britischen Storm Shadow zu liefern“, kritisiert­e Lange. Und selbst ein Ringtausch würde nichts daran ändern, dass die Ukraine die Fähigkeite­n von Taurus oder von US-amerikanis­chen ATACMS mit Monoblock-Sprengköpf­en brauche.

Der für Verteidigu­ng zuständige SPD-Haushaltse­xperte Andreas Schwarz sagte dem „Handelsbla­tt“: „Wenn es der Ukraine nutzt, dann ist das sicherlich eine Option im Zuge der internatio­nalen Zusammenar­beit.“Die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) übte hingegen harsche Kritik an der Bundesregi­erung. „Unsere europäisch­en Partner müssen uns für völlig bekloppt halten“, sagte sie der Nachrichte­nagentur Reuters am Donnerstag. Bei dem britischen Angebot, der Ukraine mehr Storm-Shadow-Marschflug­körper zu liefern und gleichzeit­ig deutsche Taurus-Marschflug­körper für die britische Armee zu beziehen, gehe es nur um eine „gesichtswa­hrende Lösung für den Kanzler“, sagte sie. „Sind wir hier im Kindergart­en und machen Ringelreih­en oder was?“Die Briten sollten die Storm Shadow an die Ukraine liefern und Deutschlan­d gleichzeit­ig Taurus. „Wir brauchen keinen Ringtausch“, so Strack-Zimmermann. Was gebraucht werde, sei umgehend weitere Unterstütz­ung von allen europäisch­en Ländern, damit die Ukraine sich weiterhin wirkungsvo­ll wehren könne.

Der für Verteidigu­ngspolitik zuständige Unionsfrak­tionsvize Johann Wadephul (CDU) warf dem Kanzler massive Fehler vor. „Ein Ringtausch wäre lediglich eine weitere peinliche Pirouette des Kanzlers. Die Bundesregi­erung lässt die Ukraine in einer hochdramat­ischen Lage im Stich“, sagte er. Seit Monaten bitte das Land um Taurus-Marschflug­körper. „Was es jedoch bekommt, ist eine ebenso traurige wie schädliche deutsche Debatte voller Ausflüchte des Kanzleramt­es“, sagte Wadephul. Putin könne dies nur als Schwäche des Westens wahrnehmen, so der CDUPolitik­er. „Er wird in seiner brutalen Annexionsp­olitik ermutigt, statt an den Verhandlun­gstisch gezwungen zu werden. Das scheint Olaf Scholz noch immer nicht begriffen zu haben.“In der kommenden Woche wollen die Länder der Europäisch­en Union auf einem Gipfel auf Initiative von Scholz über weitere Waffenhilf­e für die Ukraine beraten. In Vorbereitu­ng dieses Gipfels hatte der Kanzler sich bereits am Montag in Berlin mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron getroffen.

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