Was ein Waffen-Ringtausch mit Großbritannien bringen könnte
BERLIN Wie kann Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gestoppt werden? Wie kann Russland so sehr in die Schranken gewiesen werden, dass es den Krieg nicht gewinnt – und an Friedensperspektiven für die Ukraine gedacht werden kann? Diese Fragen sind Antrieb für die Befürworter von Lieferungen deutscher Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine. Warum? Weil sich die Fachpolitiker und Sicherheitsexperten von dieser Waffe einen sehr wichtigen Beitrag für den ukrainischen Abwehrkampf versprechen. Dem gegenüber stehen erhebliche Bedenken unter anderem bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die aus einem Bündel an nicht näher genannten Faktoren bestehen. Einer davon: Die Ukraine könnte die Präzisionswaffe mit 500 Kilometern Reichweite und enormer Durchschlagskraft entgegen aller Beteuerungen so einsetzen, dass daraus eine große zusätzliche Eskalationsgefahr ausgehen könnte. Um in der festgefahrenen Debatte eine Lösung aufzuzeigen, soll Großbritannien der Bundesregierung nun einen Marschflugkörper-Ringtausch angeboten haben.
Nach Informationen der dpa gibt es Überlegungen, Nato-Partnern wie Großbritannien oder Frankreich Taurus-Raketen der Bundeswehr zu liefern. Im Gegenzug würden diese Länder dann ähnliche, nicht ganz so leistungsstarke Waffensysteme in die Ukraine exportieren. Das „Handelsblatt“berichtete unter Berufung auf Diplomaten und Regierungsvertreter, Großbritannien habe bereits vor Wochen angeboten, der Ukraine im Gegenzug für Taurus weitere seiner Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow überlassen zu wollen. Dieses Angebot werde noch geprüft, hieß es.
Der Sicherheitsexperte bei der Münchner Sicherheitskonferenz Nico Lange zeigt sich skeptisch, was den Nutzen eines solchen Ringtauschs für die Ukraine angeht. Dass die Briten einen Ringtausch für die Ukraine anböten, scheine ein Ausdruck der Frustration über die starre Haltung Deutschlands zu sein und gleichzeitig ein pragmatischer Weg, damit die Ukraine überhaupt weiter Nachschub bei diesen wichtigen Präzisionswaffen erhalten könne, sagte Lange. „Der strategische Fehler war, die deutschen Taurus nicht gleich gemeinsam mit den französischen Scalp und den britischen Storm Shadow zu liefern“, kritisierte Lange. Und selbst ein Ringtausch würde nichts daran ändern, dass die Ukraine die Fähigkeiten von Taurus oder von US-amerikanischen ATACMS mit Monoblock-Sprengköpfen brauche.
Der für Verteidigung zuständige SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz sagte dem „Handelsblatt“: „Wenn es der Ukraine nutzt, dann ist das sicherlich eine Option im Zuge der internationalen Zusammenarbeit.“Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) übte hingegen harsche Kritik an der Bundesregierung. „Unsere europäischen Partner müssen uns für völlig bekloppt halten“, sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. Bei dem britischen Angebot, der Ukraine mehr Storm-Shadow-Marschflugkörper zu liefern und gleichzeitig deutsche Taurus-Marschflugkörper für die britische Armee zu beziehen, gehe es nur um eine „gesichtswahrende Lösung für den Kanzler“, sagte sie. „Sind wir hier im Kindergarten und machen Ringelreihen oder was?“Die Briten sollten die Storm Shadow an die Ukraine liefern und Deutschland gleichzeitig Taurus. „Wir brauchen keinen Ringtausch“, so Strack-Zimmermann. Was gebraucht werde, sei umgehend weitere Unterstützung von allen europäischen Ländern, damit die Ukraine sich weiterhin wirkungsvoll wehren könne.
Der für Verteidigungspolitik zuständige Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) warf dem Kanzler massive Fehler vor. „Ein Ringtausch wäre lediglich eine weitere peinliche Pirouette des Kanzlers. Die Bundesregierung lässt die Ukraine in einer hochdramatischen Lage im Stich“, sagte er. Seit Monaten bitte das Land um Taurus-Marschflugkörper. „Was es jedoch bekommt, ist eine ebenso traurige wie schädliche deutsche Debatte voller Ausflüchte des Kanzleramtes“, sagte Wadephul. Putin könne dies nur als Schwäche des Westens wahrnehmen, so der CDUPolitiker. „Er wird in seiner brutalen Annexionspolitik ermutigt, statt an den Verhandlungstisch gezwungen zu werden. Das scheint Olaf Scholz noch immer nicht begriffen zu haben.“In der kommenden Woche wollen die Länder der Europäischen Union auf einem Gipfel auf Initiative von Scholz über weitere Waffenhilfe für die Ukraine beraten. In Vorbereitung dieses Gipfels hatte der Kanzler sich bereits am Montag in Berlin mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron getroffen.