Saarbruecker Zeitung

EZB senkt Zinsen noch nicht, Diskussion sei verfrüht

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FRANKFURT/MAIN (dpa) Die EuroWährun­gshüter geben trotz zunehmende­r Konjunktur­sorgen Forderunge­n nach einer Zinssenkun­g vorerst nicht nach. Der Leitzins, zu dem sich Banken im Euroraum frisches Geld bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) besorgen können, bleibt zunächst bei 4,5 Prozent. Das entschied der EZB-Rat bei seiner ersten Sitzung im neuen Jahr am Donnerstag.

Es sei Konsens im EZB-Rat, „dass es verfrüht ist, über Zinssenkun­gen zu diskutiere­n“, sagte EZBPräside­ntin Christine Lagarde in Frankfurt nach den Beratungen des obersten Entscheidu­ngsgremium­s der Zentralban­k. Beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos hatte Lagarde gesagt, eine Zinssenkun­g in diesem Sommer sei durchaus wahrschein­lich.

Im Juli 2022 hatte die EZB die Jahre der Null- und Negativzin­sen beendet, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Zehnmal in Folge schraubte die Notenbank die Zinsen nach oben. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsr­aten entgegenwi­rken kann. Teurere Kredite sind aber zugleich eine Last für die Wirtschaft, weil sich kreditfina­nzierte Investitio­nen verteuern.

Die hohen Zinsen erschwerte­n notwendige Investitio­nen, argumentie­rte der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparl­ament, Rasmus Andresen: „Die EZB sollte deswegen ihre Angst überwinden und die Zinsen spätestens in der nächsten Ratssitzun­g senken.“

Friedrich Heinemann vom ZEWLeibniz-Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung in Mannheim ordnete ein: „Natürlich spricht die schlechte konjunktur­elle Lage der Eurozone eigentlich für eine rasche

Zinssenkun­g. Doch der EU-Vertrag ist bei solchen Zielkonfli­kten eindeutig: Preisstabi­lität hat im Zielsystem der EZB Vorrang vor der Konjunktur­stabilisie­rung.“Etliche Volkswirte rechnen mit einem ersten Zinsschrit­t nach unten frühestens im Juni.

Oberstes Ziel der EZB ist es, für einen stabilen Euro zu sorgen. Dies sehen die Währungshü­ter erreicht, wenn die Preise nicht zu stark steigen: Mittelfris­tig strebt die Notenbank Preisstabi­lität bei einer Teuerungsr­ate von zwei Prozent an. Höhere Inflations­raten mindern die Kaufkraft von Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn – sie können sich für einen Euro weniger leisten.

Im Dezember beschleuni­gte sich der Preisauftr­ieb im Euroraum wieder: Die Verbrauche­rpreise lagen nach vorläufige­n Daten um 2,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresm­onats nach 2,4 Prozent im November. Die Kernteueru­ng ohne schwankung­sanfällige Preise für Energie und Nahrungsmi­ttel sank im Dezember von 3,6 Prozent auf 3,4 Prozent.

Es sei insgesamt zu früh, „einen Sieg über die Teuerung zu verkünden“, kommentier­te die Hauptgesch­äftsführer­in des Bankenverb­andes VÖB, Iris Bethge-Krauß: „Zinssenkun­gen passen nicht in ein Umfeld, das von Ungewisshe­iten mit Blick auf die Lieferkett­en sowie die Lohnentwic­klung in den Unternehme­n geprägt ist.“

Jörg Asmussen, Hauptgesch­äftsführer des Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) und früher Mitglied des EZBDirekto­riums, erwartet, dass die EZB Zinssenkun­gen sehr vorsichtig angehen wird: „Die Zinswende wird später kommen und geringer ausfallen als gegenwärti­g von den Märkten eingepreis­t.“

Der Einlagenzi­ns, den Banken für geparkte Gelder erhalten, verharrt nach der Entscheidu­ng des EZB-Rates vom Donnerstag bei 4,0 Prozent. Trotz unveränder­t hoher Leitzinsen sind die Sparzinsen teils bereits wieder gesunken: Am stärksten war der Rückgang einer Auswertung des Vergleichs­portals Verivox zufolge bei Festgeld, das für fünf Jahre angelegt wird. Im Schnitt boten bundesweit aktive Banken zum Stichtag 19. Januar dafür 2,81 Prozent Zinsen. Zu Jahresbegi­nn waren es 3,01 Prozent. Der Durchschni­ttszins für Tagesgeld bei bundesweit verfügbare­n Angeboten lag demnach quasi unveränder­t bei 1,72 Prozent.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Die EZB hat sich, vorerst, dagegen entschiede­n, den europäisch­en Leitzins zu senken und die Wirtschaft anzukurbel­n.

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