Saarbruecker Zeitung

„Im Förderdsch­ungel herrscht Chaos“

Die Ingenieurk­ammer des Saarlandes sieht mit Blick auf das neue Gebäudeene­rgiegesetz noch viel Klärungsbe­darf. Beispielsw­eise, ab wann Eigentümer für den Einbau klimafreun­dlicher Heizungen Förderung erhalten.

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Kaum ist das neue Gebäudeene­rgiegesetz (GEG) seit 1. Januar in Kraft, geht die Fachebene erneut auf die Barrikaden. „Im Förderdsch­ungel herrscht Chaos“, sagt Christine Mörgen, Präsidenti­n der Ingenieurk­ammer des Saarlandes. Das lang umstritten­e GEG soll in Kombinatio­n mit anderen Regelwerke­n dafür sorgen, dass das Heizen in Deutschlan­d bis 2045 klimaneutr­al wird. Derzeit wird die Wärmenachf­rage noch zu 80 Prozent aus fossilen Brennstoff­en gedeckt.

Da dies für die einzelnen Hausbesitz­er eine teure Angelegenh­eit wird, soll der Einbau neuer, klimafreun­dlicher Heizungen finanziell großzügig unterstütz­t werden. Doch hier hakt es bereits, denn die „Förderung ist zunächst nur für private Selbstnutz­er in Einfamilie­nhäusern vorgesehen“, sagt Mörgen. Für vermietete Objekte gibt es (noch) kein Geld. Das sorgt für Probleme. „Was ist mit einem Zweifamili­enhaus, das von den Eigentümer­n bewohnt und dessen andere

Hälfte vermietet wird?“, fragt sie. Mörgen befürchtet, dass die Eigentümer von Mietobjekt­en zunächst abwarten, bevor sie den Heizungsta­usch ins Auge fassen „oder dass sie die Wohnungen leer stehen lassen“.

Auch für Hauseigent­ümer, die in den eigenen vier Wänden wohnen, gibt es noch kein Geld. Erst ab dem 27. Februar soll die Förderung starten. Grund: Es gab einen Wechsel bei den Aufgabentr­ägern. Bis Ende vergangene­n Jahres war das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle (Bafa) für Programme rund ums Heizen zuständig. Ab 1. Januar wurde diese Aufgabe der bundeseige­nen Strukturba­nk KfW übertragen. „Aktuell arbeitet die KfW an der Entwicklun­g der Software für die Antragstel­lung“, heißt es beim Eigen

„Förderung ist zunächst nur für private Selbstnutz­er in Einfamilie­nhäusern vorgesehen.“Christine Mörgen Präsidenti­n der Ingenieurk­ammer des Saarlandes

tümer-Verband Haus & Grund.

Sollte die KfW auch den Termin 27. Februar verstreich­en lassen, „können Antragstel­ler die gewünschte­n Maßnahmen dennoch beginnen und nachträgli­ch einen Förderantr­ag stellen“, schreibt Astrid Zehbe von Haus & Grund. Allerdings sei diese Sonderbest­immung befristet. „Nur Aufträge für einen Heizungsta­usch, die im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. August erteilt werden, können bis zum 30. November nachträgli­ch beantragt werden.“

Die Förderung ist durchaus großzügig. Wer eine neue Heizung einbaut, die sich mit 65 Prozent aus erneuerbar­en Energieque­llen speist, kann bis zu 70 Prozent der Kosten erstattet bekommen, unter bestimmten Voraussetz­ungen sogar 80 Prozent. Da ist zunächst eine Grundförde­rung von 30 Prozent sowie ein einkommens­abhängiger Bonus von noch einmal 30 Prozent. Dieser wird gewährt, wenn die Hauseigent­ümer ein zu versteuern­des Gesamteink­ommen von weniger als 40 000 Euro haben. Darüber hinaus erhalten alle einen Geschwindi­gkeitsbonu­s von 20 Prozent, die bis Ende 2028 ihre (mindestens 20 Jahre) alte Gas-, Öl-, Nachtspeic­her- oder Kohleheizu­ng rausschmei­ßen und auf eine Heizung mit zwei Drittel erneuerbar­en Energiefor­men umsteigen. Das kann eine Wärmepumpe sein oder eine Biomasse-Heizung, die Pellets, Holz oder Hackschnit­zel verbrennt.

Der Geschwindi­gkeitsbonu­s sinkt ab 2029 alle zwei Jahre um drei Prozentpun­kte, bis er am 1. Januar 2037 ganz wegfällt. Derzeit müssen nur in Neubaugebi­eten klimafreun­dliche

Heizungen eingebaut werden. Im Bestand werden sie erst verpflicht­end, wenn in den Städten und Gemeinden die kommunale Wärmeplanu­ng steht. Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohner müssen diese bis zum 1. Juli 2026 erstellen, alle anderen Kommunen zwei Jahre später. Doch Kammerpräs­identin Mörgen rät davon ab, jetzt noch herkömmlic­he Heizungen einzubauen. „Das ist eine Scheinopti­on. Denn die fossilen Brennstoff­e werden sich wegen der steigenden CO2-Abgabe spürbar verteuern.“Derzeit liegt diese bei 45 Euro pro Tonne CO2, im Jahr 2026 schon bei 65 Euro. Ab 2027 wird dieses nationale Abgaben-System in den europäisch­en Handel mit CO2Zertifi­katen überführt. Da die Zahl der Zertifikat­e ständig sinkt, rechnet das Bundeswirt­schaftsmin­isterium in den kommenden 20 Jahren mit spürbar steigenden Emissionsk­osten. Bei Erdgas können die jährlichen Mehrkosten bereits nächstes Jahr 260 Euro betragen (bei einem Verbrauch von 20 000 Kilowattst­unden pro Jahr) und bei Heizöl bis 348 Euro (bei 2000 Liter Verbrauch).

Außerdem muss jeder, der jetzt noch eine konvention­elle Heizung einbaut, ab 2029 einen Mindestant­eil an grünen Brennstoff­en beimischen. Das kann Biomethan oder Flüssiggas aus biologisch­en Quellen sein. Ab 2029 müssen davon 15 Prozent hinzugefüg­t werden, 30 Prozent ab 2035 und 100 Prozent zehn Jahre später. Mörgen befürchtet, „dass viele Hausbesitz­er einfach mal abwarten“.

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FOTO: GARUD/DPA Die Ingenieurk­ammer befürchtet, dass sich verunsiche­rte Hausbesitz­er mit dem Heizungsta­usch Zeit lassen.

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