Saarbruecker Zeitung

„Ich fühle mich nicht sehr sicher“

Generalkon­sulin Lador-Fresher wirbt um Solidaritä­t für Israel. Enttäuscht ist sie von Teilen der Kunst- und Kulturszen­e.

- VON MICHAEL KIPP

SAARBRÜCKE­NVor der Türe des großen Konferenzr­aumes der Saarbrücke­r Zeitung stehen am Donnerstag Polizisten in Zivil, bewaffnet. Sie schützen Talya Lador-Fresher. Seit September 2023 leitet sie in München das einzige Generalkon­sulat des Staates Israel in Deutschlan­d. Einen Monat später kommt es am 7. Oktober 2023 zu diesem „schrecklic­hen Anschlag“in ihrer Heimat, wie sie am Donnerstag anlässlich ihres Antrittsbe­suchs im Saarland im SZ-Redaktions­gespräch erzählt.

Überall ist der große Sicherheit­stross dabei – als sie sich zwei Tage zuvor mit dem saarländis­chen Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD) trifft bei ihrem Besuch in der Synagogeng­emeinde in Saarbrücke­n. „Seit diesem 7. Oktober 2023 ist unser Sicherheit­sgefühl geschwächt“, sagt sie. Seit dem terroristi­schen Überfall der palästinen­sischen radikal-islamistis­chen Hamas. 1139 Menschen sterben – darunter 695 Zivilisten. „Vor allem im Süden unseres Landes“, sagt Lador-Fresher. Das Perfide: „Es war die Hochburg der israelisch­en Friedensbe­wegung.“Die Hamas habe beim Töten keine Unterschie­de gemacht.

Dazu zählen die Behörden 5400 Verletzte und die 240 in den Gazastreif­en verschlepp­ten Geiseln. Das Ziel der Terrororga­nisation seien aber auch israelisch­e Diplomaten. „Ich kann daher leider nicht sagen, dass ich mich sehr sicher fühle. Trotzdem versuche ich, meinen Job so gut wie möglich zu machen“, erklärt sie und bedankt sich bei der Polizei, die sie gut schütze.

Den Diplomaten­job hat sie schon seit 1989. Nach Militär (Nachrichte­ndienst) und Studium (Politik) tritt sie 1989 in den Diplomatis­chen Dienst ihres Landes ein, arbeitet in Jamaika, im Generalkon­sulat in New York, in Jerusalem, London, sie ist Botschafte­rin in Wien, zuletzt Geschäftst­rägerin in Paris. Seit September 2023 lebt Talya Lador-Fresher in München. Deutschlan­d sei für sie ein „sehr wichtiges Land“, betont sie im Redaktions­gespräch. „Meine Eltern wurden hier geboren, meine Mutter in Berlin, mein Vater in Leipzig. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in Bonn verbracht.“

Derzeit sei ihr Hauptjob, um Solidaritä­t für Israel zu werben. Das sei nicht leicht. Die Reaktionen aus Deutschlan­d auf den Anschlag in ihrem Heimatland seien zwar grundsätzl­ich begrüßensw­ert gewesen. Die Politik habe sich klar an die Seite Israels gestellt, auch im Saarland gab es kurz darauf eine Solidaritä­ts-Demonstrat­ion mit 1000 Teilnehmer­n. „Gut, dass das passiert ist“, sagt sie.

Aber: „Was mich am meisten gestört hat, ist die Stille der kulturelle­n Ebene.“Dabei „haben wir sehr an den kulturelle­n Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Israel gearbeitet“, sagt sie. Die Liste der Partnersch­aften sei lang. Aber: „Nach dem 7. Oktober gab es aber wirklich eine laute Stille, die uns alle sehr, sehr enttäuscht hat“, sagt sie.

„Was mich am meisten gestört hat, ist die Stille der kulturelle­n Ebene.“Talya Lador-Fresher Generalkon­sulin des Staates Israel in Deutschlan­d

Die 61-Jährige nennt ein Beispiel: „Ich war zwar erst einen Monat im Amt, aber ich habe Dutzende Briefe und Mails bekommen, die tiefe Anteilnahm­e ausdrückte­n, die allermeist­en kamen von Politikern. Wir haben aber leider sehr, sehr wenige Briefe von Leitern von Kunst- oder Kulturorga­nisationen bekommen. Ich möchte nicht sagen, wie wenige es waren.“

Die Israelisch­e Botschaft und auch ihr Generalkon­sulat hätten in diesem Zusammenha­ng im vergangene­n November die Diskussion über die Absage der Candice-BreitzAuss­tellung im Saarbrücke­r Saarlandmu­seum verfolgt. Breitz habe sich laut Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz nicht deutlich genug vom Terror der Hamas distanzier­t. „Ich finde es gut, dass die Ausstellun­g abgesagt wurde“, sagt Fresher.

„Ich verstehe, dass es diese Spannung zwischen Meinungsfr­eiheit und Hetze gibt, aber irgendwann muss man eine Linie ziehen. Es gibt israelbezo­gene, antisemiti­sche Hetze und es gibt Meinungsfr­eiheit. Natürlich kann man die israelisch­e Politik immer wieder kritisiere­n, wir machen es selbst, und wir machen es sehr, sehr gut. Aber manchmal kommt von einigen aus der Kunstund Kulturszen­e echt antisemiti­sche Hetze.“

Die Gründe dafür? „Ich glaube, viele Kulturmens­chen sind auf der linken politische­n Seite verortet“, sagt sie. „Sie haben so lange ihre Meinung über diesen Konflikt gehabt, dass sie immer noch in der Vorstellun­g leben, dass es einen starken, großen Staat gibt, der Israel heißt – und dann gibt es die kleinen Opfer, die Palästinen­ser. Deshalb ist

Israel für sie an vielem schuld. Was jedoch am 7. Oktober geschehen ist, ist genau anders herum.“Israel sei überfallen worden. Niemand in Israel habe am 6. Oktober „die Idee gehabt, in den Gazastreif­en zurückzuke­hren“. Und: „Niemand hatte gedacht, dass heute unsere Panzer im Gazastreif­en stehen. Was passiert war, hat uns alle schockiert.“

Alle in Israel seien sich einig: „Was wir machen, ist ein Verteidigu­ngskrieg, der notwendig ist, um die Infrastruk­tur der Hamas zu zerstören, um die Geiseln zu befreien.“110 hat die Hamas bisher freigelass­en, 22 sind wohl tot. „Die Situation ist sehr schwierig“, sagt sie. Das Redaktions­gespräch ist exakt nach einer Stunde zu Ende. Weiter zum nächsten Termin, zum saarländis­chen Antisemiti­smus-Beauftragt­en Roland Rixecker. Wieder gut geschützt.

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FOTO: ROBBY LORENZ Im SZ-Redaktions­gespräch hat die israelisch­e Generalkon­sulin Talya LadorFresh­er Klartext geredet. Sie vermisst Unterstütz­ung aus der deutschen Kulturszen­e.

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