„Ich fühle mich nicht sehr sicher“
Generalkonsulin Lador-Fresher wirbt um Solidarität für Israel. Enttäuscht ist sie von Teilen der Kunst- und Kulturszene.
SAARBRÜCKENVor der Türe des großen Konferenzraumes der Saarbrücker Zeitung stehen am Donnerstag Polizisten in Zivil, bewaffnet. Sie schützen Talya Lador-Fresher. Seit September 2023 leitet sie in München das einzige Generalkonsulat des Staates Israel in Deutschland. Einen Monat später kommt es am 7. Oktober 2023 zu diesem „schrecklichen Anschlag“in ihrer Heimat, wie sie am Donnerstag anlässlich ihres Antrittsbesuchs im Saarland im SZ-Redaktionsgespräch erzählt.
Überall ist der große Sicherheitstross dabei – als sie sich zwei Tage zuvor mit dem saarländischen Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) trifft bei ihrem Besuch in der Synagogengemeinde in Saarbrücken. „Seit diesem 7. Oktober 2023 ist unser Sicherheitsgefühl geschwächt“, sagt sie. Seit dem terroristischen Überfall der palästinensischen radikal-islamistischen Hamas. 1139 Menschen sterben – darunter 695 Zivilisten. „Vor allem im Süden unseres Landes“, sagt Lador-Fresher. Das Perfide: „Es war die Hochburg der israelischen Friedensbewegung.“Die Hamas habe beim Töten keine Unterschiede gemacht.
Dazu zählen die Behörden 5400 Verletzte und die 240 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln. Das Ziel der Terrororganisation seien aber auch israelische Diplomaten. „Ich kann daher leider nicht sagen, dass ich mich sehr sicher fühle. Trotzdem versuche ich, meinen Job so gut wie möglich zu machen“, erklärt sie und bedankt sich bei der Polizei, die sie gut schütze.
Den Diplomatenjob hat sie schon seit 1989. Nach Militär (Nachrichtendienst) und Studium (Politik) tritt sie 1989 in den Diplomatischen Dienst ihres Landes ein, arbeitet in Jamaika, im Generalkonsulat in New York, in Jerusalem, London, sie ist Botschafterin in Wien, zuletzt Geschäftsträgerin in Paris. Seit September 2023 lebt Talya Lador-Fresher in München. Deutschland sei für sie ein „sehr wichtiges Land“, betont sie im Redaktionsgespräch. „Meine Eltern wurden hier geboren, meine Mutter in Berlin, mein Vater in Leipzig. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in Bonn verbracht.“
Derzeit sei ihr Hauptjob, um Solidarität für Israel zu werben. Das sei nicht leicht. Die Reaktionen aus Deutschland auf den Anschlag in ihrem Heimatland seien zwar grundsätzlich begrüßenswert gewesen. Die Politik habe sich klar an die Seite Israels gestellt, auch im Saarland gab es kurz darauf eine Solidaritäts-Demonstration mit 1000 Teilnehmern. „Gut, dass das passiert ist“, sagt sie.
Aber: „Was mich am meisten gestört hat, ist die Stille der kulturellen Ebene.“Dabei „haben wir sehr an den kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel gearbeitet“, sagt sie. Die Liste der Partnerschaften sei lang. Aber: „Nach dem 7. Oktober gab es aber wirklich eine laute Stille, die uns alle sehr, sehr enttäuscht hat“, sagt sie.
„Was mich am meisten gestört hat, ist die Stille der kulturellen Ebene.“Talya Lador-Fresher Generalkonsulin des Staates Israel in Deutschland
Die 61-Jährige nennt ein Beispiel: „Ich war zwar erst einen Monat im Amt, aber ich habe Dutzende Briefe und Mails bekommen, die tiefe Anteilnahme ausdrückten, die allermeisten kamen von Politikern. Wir haben aber leider sehr, sehr wenige Briefe von Leitern von Kunst- oder Kulturorganisationen bekommen. Ich möchte nicht sagen, wie wenige es waren.“
Die Israelische Botschaft und auch ihr Generalkonsulat hätten in diesem Zusammenhang im vergangenen November die Diskussion über die Absage der Candice-BreitzAusstellung im Saarbrücker Saarlandmuseum verfolgt. Breitz habe sich laut Stiftung Saarländischer Kulturbesitz nicht deutlich genug vom Terror der Hamas distanziert. „Ich finde es gut, dass die Ausstellung abgesagt wurde“, sagt Fresher.
„Ich verstehe, dass es diese Spannung zwischen Meinungsfreiheit und Hetze gibt, aber irgendwann muss man eine Linie ziehen. Es gibt israelbezogene, antisemitische Hetze und es gibt Meinungsfreiheit. Natürlich kann man die israelische Politik immer wieder kritisieren, wir machen es selbst, und wir machen es sehr, sehr gut. Aber manchmal kommt von einigen aus der Kunstund Kulturszene echt antisemitische Hetze.“
Die Gründe dafür? „Ich glaube, viele Kulturmenschen sind auf der linken politischen Seite verortet“, sagt sie. „Sie haben so lange ihre Meinung über diesen Konflikt gehabt, dass sie immer noch in der Vorstellung leben, dass es einen starken, großen Staat gibt, der Israel heißt – und dann gibt es die kleinen Opfer, die Palästinenser. Deshalb ist
Israel für sie an vielem schuld. Was jedoch am 7. Oktober geschehen ist, ist genau anders herum.“Israel sei überfallen worden. Niemand in Israel habe am 6. Oktober „die Idee gehabt, in den Gazastreifen zurückzukehren“. Und: „Niemand hatte gedacht, dass heute unsere Panzer im Gazastreifen stehen. Was passiert war, hat uns alle schockiert.“
Alle in Israel seien sich einig: „Was wir machen, ist ein Verteidigungskrieg, der notwendig ist, um die Infrastruktur der Hamas zu zerstören, um die Geiseln zu befreien.“110 hat die Hamas bisher freigelassen, 22 sind wohl tot. „Die Situation ist sehr schwierig“, sagt sie. Das Redaktionsgespräch ist exakt nach einer Stunde zu Ende. Weiter zum nächsten Termin, zum saarländischen Antisemitismus-Beauftragten Roland Rixecker. Wieder gut geschützt.