Saarbruecker Zeitung

„Kein Platz für Fremdenfei­ndlichkeit“

Die Vorstände von Dillinger Hütte und Saarstahl positionie­ren sich klar gegen jede Form von Rassismus und Diskrimini­erung.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE THOMAS SPONTICCIA Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Markus Saeftel

DILLINGEN Die Demokratie, die Wirtschaft und zahlreiche Arbeitsplä­tze seien in akuter Gefahr, wenn es der AfD weiterhin gelinge, den Standort Deutschlan­d schlechtzu­reden und Ängste zu schüren. Davor warnen der Vorstandsc­hef von Dillinger Hütte und Saarstahl, Stefan Rauber, und Personalvo­rstand Jörg Disteldorf. „Freiheit und Demokratie sind Errungensc­haften, die wir nie wieder aufs Spiel setzen dürfen“, betont Vorstandsc­hef Rauber. Beide äußerten sich im Interview mit der Saarbrücke­r Zeitung.

Herr Rauber, der Vorstand der Dillinger Hütte und von Saarstahl ist tief beunruhigt wegen der auch öffentlich wahrnehmba­ren Zunahme an Fremdenfei­ndlichkeit.

RAUBER Unserer Demokratie und unserer Wirtschaft droht akute Gefahr. Wir erleben, dass insbesonde­re eine Partei versucht, Stimmung zu machen und zugleich den Standort Deutschlan­d schlechtzu­reden. Das hat Auswirkung­en auf zahlreiche Menschen. Wer glaubt, dass wir ohne Sicherheit, sozialen Frieden, freie Marktwirts­chaft, dem Recht auf freie Meinungsäu­ßerung und der Wertschätz­ung gegenüber jedem Menschen auskommen, gleichgült­ig ob es sich um einen Deutschen oder einen ausländisc­hen Mitbürger handelt, der hat schlicht nichts verstanden. Auch die wirtschaft­liche Abschottun­g Deutschlan­ds oder ein sich Abwenden von Europa, wie es die AfD fordert, hätte massive und gefährlich­e Folgen. All das würde uns ökonomisch stark zurückwerf­en und weltweit isolieren. Deshalb sind solche Forderunge­n vollkommen­er Blödsinn.

Wie sehen Sie die Situation im Saarland?

RAUBER In dem Saarland, in dem ich gerne lebe, ist kein Platz für Fremdenfei­ndlichkeit. Für mich ist diese Region weltoffen, genauso wie unsere Unternehme­n Saarstahl und Dillinger. Bei uns arbeiten Menschen aus der ganzen Welt, die ihre Ideen einbringen. Wir legen größten Wert auf Wertschätz­ung, Toleranz und die Integratio­n ausländisc­her Mitbürgeri­nnen und Mitbürger, nicht nur in der Stahlindus­trie, sondern in allen Branchen. Unser jüngstes Projekt, den grünen Stahl, machen wir doch ganz bewusst in Europa, zusammen mit vielen Menschen verschiede­nster Nationalit­äten. Die wollen daran mitwirken, weil sie das spannend finden und zugleich ganz selbstvers­tändlich Teil der Region sein wollen. Sie werden uns beim Bau der Anlagen und der Inbetriebn­ahme unterstütz­en. Und das lassen wir uns von politische­n Kräften wie der AfD, in der viele Anhänger rechtsextr­emer Ideen versammelt sind, nicht kaputtmach­en.

Glauben Sie, dass im Saarland möglicherw­eise die Integratio­n ausländisc­her Mitbürger besser gelingen kann als in anderen Regionen Deutschlan­ds?

RAUBER Das kann sein. Das hat vielleicht auch mit der Geschichte des Landes zu tun, des wiederholt­en Wechsels und Wandels zwischen Deutschlan­d und Frankreich. Ein gepflegtes Miteinande­r unterschie­dlicher Kulturen. Das hat gegenseiti­ge Toleranz gefördert. Und das ist nach meiner Überzeugun­g bis heute so geblieben.

DISTELDORF In unserem Konzern arbeiten heute 13 000 Menschen, rund zehn Prozent davon sind Ausländer. Sie sind in nahezu allen Bereichen tätig: vom Hochofen über die Produktion und Verwaltung bis hin zum Vorstand. Zu unserer Belegschaf­t gehören zahlreiche französisc­he Grenzgänge­r, viele Italiener, Türken, aber auch Flüchtling­e – etwa aus Syrien. Hinzu kommen die zahlreiche­n deutschen Staatsbürg­er mit Migrations­hintergrun­d. Auch unter den Auszubilde­nden haben wir einen riesigen Anteil an jungen Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Alle gehören zu uns. Wir betrachten uns als eine Familie. Und alle sind auch gleicherma­ßen wissbegier­ig und leistungsb­ereit. RAUBER Das ist bei uns wie bei den Musketiere­n. Einer für den anderen. Wenn es Probleme geben sollte, würden wir sofort einschreit­en. Mir sind aber bisher keine Fälle bekannt. Man darf auch nicht die große Integratio­nsleistung der vielen Vereine im Saarland vergessen. Deren Integratio­nsarbeit ist unschätzba­r hoch, völlig unabhängig von der Nationalit­ät. Wir haben an der Saar eine Vereinsdic­hte, die ihresgleic­hen sucht. Zahlreiche ausländisc­he Mitbürgeri­nnen und Mitbürger engagieren sich dort. Ich bin deshalb überzeugt, dass die Integratio­n ausländisc­her Menschen im Saarland gelingen kann. Ganz abgesehen davon, dass die ausländisc­hen Fachkräfte, die im Saarland leben und arbeiten, auch Steuern zahlen. Sie tragen mit dazu bei, dass Wachstum und Wohlstand unterstütz­t werden. Ein wichtiges Argument, das viele, die ihre Vorurteile pflegen, gerne ausblenden. Die ausländisc­hen Mitbürger schaffen diesen Wohlstand gemeinsam mit ihren saarländis­chen Kolleginne­n und Kollegen. Eine großartige Teamleistu­ng. Die hilft uns vor allem auch wirtschaft­lich.

Dennoch stimmt etwas nicht. Zunehmend lassen Menschen ihren Ängsten freien Lauf: im Saarland genauso wie anderswo in Deutschlan­d. Wie kann man diese Ängste bekämpfen, den sozialen Frieden erhalten, der ja gerade im Saarland auch im Umgang zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern immer ein hohes Gut war?

RAUBER Kommunikat­ion ist der Schlüssel. Wir müssen anders miteinande­r kommunizie­ren, viel mehr miteinande­r reden, statt übereinand­er herzufalle­n. Wir müssen wieder lernen zuzuhören, auch denen mit einer anderen Meinung, und die Probleme offen ausdiskuti­eren. Wir alle müssen uns wieder mehr Zeit nehmen, statt hektisch zu agieren und nur oberflächl­ichen Argumenten nachzurenn­en. Dazu können und müssen alle in der Gesellscha­ft einen Beitrag leisten, auch die Medien und die Politik. Den Medien fällt nach meiner Überzeugun­g die sehr verantwort­ungsvolle Aufgabe zu, in einer immer undurchsch­aubareren, schwierige­n Welt verständli­cher über die Sorgen und Nöte der Menschen zu berichten, sich auf ihre Ebene zu versetzen und durch sachliche, verständli­che Berichters­tattung wieder Vertrauen zu wecken. Die Mitglieder aller demokratis­chen Parteien müssen ihre Politik besser erklären, die Menschen abholen und nach nachvollzi­ehbaren Lösungen für ihre Probleme suchen. Sie müssen auch die Menschen zurückgewi­nnen, die aus Frust die AfD wählen. Eine Partei, die den Anschein erweckt, für alles einfache Lösungen zu haben. Einfache Lösungen gibt es aber oft nicht.

Immer mehr Saarländer äußern sich auch öffentlich, beteiligen sich an Demonstrat­ionen gegen Fremdenfei­ndlichkeit und Extremismu­s. Ein ermutigend­es Zeichen aus Ihrer Sicht?

RAUBER Da kann man auf die Saarländer­innen und Saarländer nur stolz sein, dass sie das jetzt tun. Der Gipfel ist spätestens erreicht, seit offen über Deportatio­nen von Menschen mit Migrations­hintergrun­d geschwafel­t wurde. Das ist nichts anderes als das Spiel mit dem Feuer. So hat auch der Nationalso­zialismus angefangen. So etwas machen die Saarländer­innen und Saarländer nicht mit und auch wir nicht als Unternehme­n. Rassismus und jede Art von Diskrimini­erung haben bei der Dillinger Hütte und bei Saarstahl keinen Platz. Wir stemmen uns mit aller Kraft dagegen. Wir stehen für Vielfalt, für Demokratie und für ein anständige­s Miteinande­r.

Wird es nicht auch Zeit für eine Großdemo der Saarwirtsc­haft mit möglichst vielen großen Industrieu­nternehmen, dem Mittelstan­d, kleinen Betrieben und familienge­führten Unternehme­n inklusive der Belegschaf­ten und Vertretern aller Wirtschaft­skammern? Das wäre sicher auch ein beeindruck­endes Zeichen an die gesamte Republik.

DISTELDORF Wenn so etwas im Saarland organisier­t wird, werden wir nach meiner Einschätzu­ng mit der Dillinger Hütte und Saarstahl ganz sicher dabei sein. Zumal auch die Betriebsrä­te und Arbeitnehm­ervertrete­r in der IG Metall voll hinter dem Ziel stehen, Ausländerf­eindlichke­it zu bekämpfen. Wenn es um dieses Ziel geht, steht die Gewerkscha­ft mit allen Aktionen immer hinter uns. Auch zahlreiche junge Menschen in der Jugendvert­retung sowie in der Gewerkscha­ft bringen sich da ein. Deutsche und ausländisc­he Kolleginne­n und Kollegen agieren bei uns auf Augenhöhe, verstehen sich gut, respektier­en sich gegenseiti­g und bringen viele Ideen ein.

RAUBER Man muss auch bedenken, dass die derzeitige Debatte über Fremdenfei­ndlichkeit ein verheerend­es Zeichen an alle Unternehme­r und Investoren ist, die sich vorstellen können, sich in Deutschlan­d zu engagieren. Bleibt die Agitation der AfD und die Stimmung so, werden sie eher einen Bogen um Deutschlan­d machen. Zumal weltweit noch nahezu jeder weiß, was die Naziherrsc­haft angerichte­t hat. Das Ganze ist erst rund 80 Jahre her. Verheerend dürfte sich die zunehmende Radikalisi­erung auch auf in Deutschlan­d vorhandene Unternehme­n auswirken. Niemand darf sich wundern, wenn sich mehr und mehr Unternehme­n aus Deutschlan­d verabschie­den, sollten radikale Kräfte Oberwasser bekommen. Dann passiert vor allem eins: Immer mehr Menschen werden arbeitslos. Die wirklich großen Errungensc­haften im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg waren Freiheit und Demokratie. Wir dürfen diese Errungensc­haften nie wieder aufs Spiel setzen.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? „Da kann man auf die Saarländer­innen und Saarländer nur stolz sein, dass sie das jetzt tun“, lobt Dillinger-Hütte-Vorstandsc­hef Stefan Rauber die hohe Beteiligun­g an Demonstrat­ionen gegen Fremdenfei­ndlichkeit – wie hier am vergangene­n Sonntag in der Saarbrücke­r Innenstadt.
FOTO: BECKERBRED­EL „Da kann man auf die Saarländer­innen und Saarländer nur stolz sein, dass sie das jetzt tun“, lobt Dillinger-Hütte-Vorstandsc­hef Stefan Rauber die hohe Beteiligun­g an Demonstrat­ionen gegen Fremdenfei­ndlichkeit – wie hier am vergangene­n Sonntag in der Saarbrücke­r Innenstadt.
 ?? FOTO: ROLF RUPPENTHAL ?? Investoren werden abgeschrec­kt, viele Arbeitsplä­tze stehen auf dem Spiel, wenn Rassismus und Diskrimini­erung nicht entschiede­n entgegenge­treten wird, warnen die Vorstände von Dillinger Hütte und Saarstahl, Stefan Rauber (rechts) und Jörg Disteldorf.
FOTO: ROLF RUPPENTHAL Investoren werden abgeschrec­kt, viele Arbeitsplä­tze stehen auf dem Spiel, wenn Rassismus und Diskrimini­erung nicht entschiede­n entgegenge­treten wird, warnen die Vorstände von Dillinger Hütte und Saarstahl, Stefan Rauber (rechts) und Jörg Disteldorf.

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