„So einem Menschen will man nicht begegnen“
Der Regisseur über seinen Film „Good News“, der beim Ophüls-Festival im Spielfilmwettbewerb zu sehen ist.
SAARBRÜCKEN Die große Geschichte soll es werden, der berufliche Durchbruch. Doch der Journalist Leo kommt in Thailand nicht weiter bei seiner Geschichte über Rebellen, denn die haben kein Interesse an deutscher Presse – und sind gefährlich. Unter dem Druck seiner Auftraggeber geht Leo über ethische Grenzen. „Good News“ist ein sehr sehenswerter Film über beruflichen Druck, Gewissen, ethische und soziale Ungleichheiten. Wir haben Regisseur und Ko-Autor Hannes Schilling befragt.
Ein Journalist, der bei seinen Reportagen zuspitzt, Dinge erfindet, lügt – man denkt bei „Good News“natürlich auch an den Fall Relotius. Gab der den Anstoß für den Film?
SCHILLING Sicherlich war der Fall Relotius eine Inspiration. Ausschlaggebend war aber eine persönliche Erfahrung. Bei einem Studentenaustausch in Johannesburg plante ich einen dokumentarischen Kurzfilm über den Alltag einer schwarzen Familienmutter, die als Putzfrau in einer weißen Gated-Community arbeitet und täglich zwischen ihrem Township und der Arbeit hin- und herpendelt. Aus Mangel an Geld arbeitete ich mit neuen Freunden aus Johannesburg zusammen. Doch mit den ersten Reisen in das Township geriet ich in ein ethisches Dilemma. Sollte ich meine Freunde möglichen Gefahren in dem Township aussetzen? Darf ich das Vertrauen meiner privaten Beziehungen für dieses Projekt nutzen? Wann missbrauche ich Beziehungen? In meinem Fall war es ein freies künstlerisches Studentenprojekt ohne existenziellen Druck. Ich brach das Projekt vorzeitig ab. Die Erfahrung aber wirkte weiter in mir. Ich begann mich zu fragen, was wäre, wenn ein ganzes Leben vom Erfolg eines Projekts abhängt? Wie weit würde jemand gehen, besonders bei gefährlicheren Themen wie einer Rebellengruppe? Der Film wirft einen Blick auf die ethischen Grenzen von Künstlern, die von ihren Projekten abhängig sind.
Auch auf die ethischen Grenzen von Menschen in den Medien?
SCHILLINGDer Druck in der Medienbranche und das System dahinter sind sicherlich auch Themen, die ich in den Blick nehmen will. Bei meiner Recherche kam ich mit einer Reihe von Journalistinnen und Journalisten ins Gespräch. Besonders junge und freie Reporterinnen und Reporter klagen über Schwierigkeiten, in der Branche Fuß zu fassen. Oft sind sie dazu gezwungen, auf eigene Kosten, möglichst sensationelle Themen zu schreiben, um sich einen Namen zu machen.
Ist der Reporter Leo auch so etwas wie ein Kolonialherr mit anderen Mitteln? Er verteilt Geld, er lockt mit dem wirtschaftlichen Aufstieg im gelobten Land Deutschland…
SCHILLING So ließe sich das sicherlich beschreiben. Vielleicht ist der Journalist Leo aber auch ein Symbol dafür, dass in allen Reisenden aus entwickelten Ländern so etwas wie ein Kolonialherr schlummert. In der Zeit in Thailand habe ich viele Situationen beobachtet, in denen Touristen ihre Bedürfnisse über die der Menschen vor Ort gestellt haben. Diese Haltung der Überlegenheit in der Fremde wollte ich reflektieren. Ich hüte mich aber davor Filme zu machen, in denen die Figuren nur noch Marionetten des Politischen sind. Im Film gehe ich immer vom Menschen, vom Individuum aus.
„Good News“ist in Schwarz-Weiß. Stand das von Anfang an fest?
SCHILLING Der Kameramann Falco Seliger hatte die Idee, zu Beginn der Farbkorrektur diverse Farbstimmungen für Testzwecke zu sichten. Als wir eine Fassung in Schwarz-Weiß gesehen haben, war schnell klar, dass der Film so aussehen muss. Das Schwarz-Weiße trägt dazu bei, dass Leo in seiner Rolle als Journalist ernster genommen wird. Die Reduktion der Farben hilft auch, sich mehr auf die Figuren und ihre Beziehungen einzulassen. Wir können ihnen mehr folgen und werden nicht von den vielen Farben im Hintergrund abgelenkt. Mich interessierte aber auch ein anderes Bild von Thailand. Eins, das nicht exotisiert ist. Die vielen Bilder von paradiesischen Stränden mit türkisem Wasser zeigen Thailand als eindimensionale Oberfläche. Dabei ist die Realität hinter der Fassade weniger schön. Es gibt keine wirkliche Demokratie oder Meinungsfreiheit im Land. Die Korruption bestimmt die Politik. Es gibt massive Ungleichheit. Und vor allem: Im Süden des Landes unterdrückt das thailändische Militär die muslimische Bevölkerungsgruppe massiv. All diese tieferliegenden Schichten kommen in dem Schwarz-Weiß viel besser, ungeschönter heraus.
Die Musik von Lena Radivoj und deren Einsatz im Film ist außergewöhnlich – wie kamen Sie dazu?
SCHILLING Ich habe Lena Radivojs frühere Arbeiten gehört und war instinktiv von ihrem sehr individuellen Stil begeistert. Ihre Musik ist voller Widersprüche und Kontraste, wie auch wir Menschen. Ihre Musik bildet das sehr schön ab. Beim Hören von ersten Entwürfen haben wir herausgefunden, dass wir eine Musik brauchen, die uns hilft, der Hauptfigur Leo näherzukommen. Er ist ja ein Charakter, der nicht wirklich sympathisch ist. Er ist ein Blender und er nutzt seinen thailändischen Freund Mawar gezielt für seine Zwecke aus. So einem Menschen will man eigentlich nicht begegnen. Mit der Musik brauchten wir daher etwas, um dieser Abneigung entgegenzuwirken. Die Zuschauer sollten die Gelegenheit bekommen, dem Monster Leo emotional näher zu kommen. Wir wollten die Figur Leo aber auch nicht beschönigen. Die Musik ist daher ein Ausdruck ambivalenter Gefühle.
Wie definitiv war das Drehbuch? Die Auseinandersetzung etwa zwischen Leo und dem Fotografen Julian, der ihm aus Deutschland nachgeschickt wird, wirkt improvisiert und sehr aus dem Leben gegriffen.
SCHILLING Das Drehbuch ist sehr genau. Mit dem Autor und Regisseur Ghiath Al Mhitawi hatte ich jemanden an meiner Seite, der unglaublich gut mit Dialogen arbeiten kann, um Tiefe in den Figuren zu schaffen. Beim Drehen fängt für mich aber immer eine neue Phase des Filmens an. Ich will auf das Unmittelbare reagieren können. Wenn ich beispielsweise in einer Probe oder Besprechung einen genialen Einfall einer Schauspielerin oder eines Schauspielers sehe, dann will ich das in die Szene integrieren. Das Drehbuch ist für mich eine sehr genaue Grundlage, die mir hilft, auch mal abweichen zu können. Die Ziele der Szene und die Motivationen der Figuren sind gesetzt und verabredet, der Weg dahin kann sich aber jederzeit ändern. Ich gehe jetzt nicht zu den Schauspielern hin und sage:
„Da fehlt aber ein Satz“oder „Das musst du so und so sagen“. Es muss sich stimmig anfühlen.
Waren die Dreharbeiten in Thailand schwierig?
SCHILLING Wir mussten gewisse Bedingungen schaffen, um im Süden Thailands drehen zu können. In der Gegend gibt es Dutzende von Militär-Checkpoints. Zu jeder Zeit der Dreharbeiten kann es sein, dass das Militär Papiere sehen will. Ich wollte nicht das Risiko eines Drehabbruchs eingehen. In diesem Zuge habe ich dann eine Kooperation der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf mit der Prince of Songkla University in Thailand in die Wege geleitet. Zusätzlich dazu habe ich mich in das Masterprogramm „Peace and Conflict Studies” an der Uni eingeschrieben. Das hatte den Vorteil, dass ich durch zahlreiche Seminare den Konflikt vor Ort besser verstanden habe, aber auch, dass wir von Seiten einer thailändischen Institution Papiere für die Dreharbeiten bekommen haben.
Termine: Freitag, 14 Uhr, Cinestar 5. Freitag, 21 Uhr, Filmhaus. Samstag, 15 Uhr, Cinestar 8. Sonntag, 17.30 Uhr, Kino Achteinhalb
Karten und Infos: www.ffmop