Saarbruecker Zeitung

Der St. Johanner Markt verliert ein echtes Original

In Saarbrücke­n ist sie bekannt wie der berühmte bunte Hund. Nun hat Helga Böcker die nach ihr benannte Boutique geschlosse­n und blickt zufrieden zurück.

- DIE FRAGEN STELLTE THOMAS SCHÄFER Produktion dieser Seite: Frank Kohler Michael Emmerich

SAARBRÜCKE­N 45 Jahre stand Helga Böcker ihre Frau in der nach ihr benannten Boutique am St. Johanner Markt, bis zuletzt unterstütz­t von ihrer Tochter Anette. Jetzt setzt sich die 82-Jährige zur Ruhe.

Liebe Frau Böcker, mit welchem Gefühl sagen Sie Lebewohl von Ihrem Geschäft, das so lange Ihr Leben war?

BÖCKER Ich gehe mit einem lachenden und einem weinende Auge. Denn wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Kunden. Teilweise waren wir auch ein Kummerkast­en. Vor allem aber haben wir Freude geteilt, es sind viele witzige Sachen passiert. Einmal habe ich eine Kundin sogar im Urlaub in Thailand getroffen. „Aah, Frau Böcker, sind Sie auch hier?“, hat sie gesagt und gelacht.

Wie schafft man es, sich mehr als 40 Jahre am Markt zu behaupten?

BÖCKER Durch eine besondere Beziehung zu den Kunden. Sie wollen wahrgenomm­en werden. Das war eigentlich mein Hobby, die Kunden wahrzunehm­en und ihnen zuzuhören. Ich habe mich schon immer für Menschen interessie­rt, es gibt doch nichts Interessan­teres.

Was hat Ihren Erfolg noch ausgemacht?

BÖCKERNaja, geschenkt bekommt man nichts, man muss schuften wie doof. Nicht nur in der Woche, sondern auch sonntags, einkaufen, putzen, viele andere Dinge erledigen. Selbststän­dig heißt eben selbst und ständig, das soll man sich nicht so leicht vorstellen.

Doch Sie persönlich hat die Arbeit auch jung gehalten, oder?

BÖCKER Die Arbeit hat mir gut getan. Sie hat mir fast immer Spaß gemacht. Und mit dem Geschäft waren wir zufrieden. Reich kann man mit so einem Laden nicht werden, aber man kann seinen Spaß haben.

Wie hat sich das Geschäft in den letzten Jahren entwickelt?

BÖCKER Es ist etwas schwierige­r geworden. Wegen des Internets, aber auch durch die ganzen Rabatte, die es immer und überall gibt. Das sind für mich alles keine fairen Preise mehr. Wir haben da nie mitgemacht.

Wie hat sich der Handel in Saarbrücke­n Ihrer Meinung nach entwickelt?

BÖCKER Im Moment ist nicht die beste Zeit von Saarbrücke­n. Die Geschäfte müssen sich anstrengen. Aber Saarbrücke­n ist eine sehr schöne Stadt mit viel Potenzial. Der St. Johanner Markt muss darauf achten, dass er seinen guten Ruf behält, denn der hat etwas gelitten. Deshalb ist es toll, dass Juwelier Eckstein bald eröffnet, dass Richy kommt und dass es auch in unserem Laden weitergeht mit Zoë Raber, der ich alles, alles Gute wünsche.

Am vergangene­n Samstag haben Sie Abschied gefeiert, mit Sekt, Musik und Häppchen – wie war es?

BÖCKER Überwältig­end. Eine Kundin ist sogar 300 Kilometer gefahren, um Adieu zu sagen. Und die Musikerin Nicole Johänntgen kam aus der Schweiz angereist, um Saxofon zu spielen. Ehrlich gesagt, es hätte nicht schöner sein können. Wenn ich das Gästebuch von Samstag lese, kommen mir die Tränen. Eine Dame hat zum Beispiel geschriebe­n: „Euer Laden war einzigarti­g, ganz große Klasse. So etwas wird es leider nicht wieder geben.“Toll, oder?

Wollen Sie noch etwas loswerden?

BÖCKEREine Sache, die wichtigste, darf ich nicht vergessen! Ich habe in unserer Boutique ja nicht alleine gearbeitet. Meine Tochter Anette hat sozusagen den Laden geschmisse­n. Sie hatte den Überblick und versorgte die Boutique ständig mit neuer Prêt-à-porter-Ware. Zu jeder Saison hat sie sich mit ihrem Mann Witold auf den Weg zu den Fachmessen gemacht, um edle Stoffe auszusuche­n, aus denen dann unsere eigens entworfene­n Kleider entstanden sind. Unsere Kundschaft hat es geliebt, sich ein Stück weit weg vom Mainstream anziehen zu können. Ich vermisse den Laden jetzt schon!

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FOTO: BÖCKER Helga Böcker (rechts) mit Tochter Anette Böcker-Simon und Schwiegers­ohn Witold Simon.

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