Saarbruecker Zeitung

„Kommunen hängen am Tropf des Landes“

Friedricht­hals Bürgermeis­ter über Finanzieru­ngsproblem­e, Fördergeld­er und Projekte, die dennoch anlaufen.

- DIE FRAGEN STELLTE ALINE PABST

Herr Jung, welche Themen haben Sie und die Stadt Friedrichs­thal im vergangene­n Jahr besonders beschäftig­t?

CHRISTIAN JUNG Zum einen ist hier der Krieg in der Ukraine zu nennen und die damit verbundene Unterbring­ung von Flüchtling­en. Geeigneter privater Wohnraum ist kaum noch zu finden. Dass auch aus anderen Regionen der Welt hilfesuche­nde Menschen nach Deutschlan­d kommen, belastet die kommunale Ebene stark. Allgemein belastet der finanziell­e Engpass die Verwaltung in vielen Bereichen, auch kommt es immer wieder zu personelle­n Problemen, vor allem in der Kita. Die Stadtverwa­ltung war mit den Planungen zu den Bauprojekt­en Rechtsschu­tzsaal und Hallenbad stark befasst, insbesonde­re die Kostenentw­icklung gilt es dabei im Auge zu halten. Da auch Zuwendungs­geber mit ihren Vorstellun­gen zu berücksich­tigen sind, ergaben sich zahlreiche Abstimmung­sgespräche. Nebenbei galt es auch die Umsetzung der Projekte „Digitalisi­erung in den Schulen“, die Abstimmung­en zum Projekt „Vereinshau­s“und die Möglichkei­ten zur Energiewen­de respektive der Wärmeplanu­ng zu erkunden und voranzutre­iben.

Gab es Entwicklun­gen, die Sie positiv bewerten?

JUNG Dankenswer­terweise hat das Land ein Förderprog­ramm für den Schulbau aufgestell­t, mit dem auch unsere Schulen saniert und „fit fürs Klima“gemacht werden können. In Anbetracht des wachsenden Raumbedarf­es – insbesonde­re durch die Nachmittag­sbetreuung – sind umfangreic­he Erweiterun­gsmaßnahme­n zu planen und auf den Weg zu bringen. Auch hinsichtli­ch des Rechtsschu­tzsaales erfahren wir von Landesseit­e großzügige Unterstütz­ung, einerseits für die anstehende Sanierung, wobei die Barrierefr­eiheit eines der wichtigste­n Ziele ist, aber auch für den eigentlich­en Betrieb des Objektes, das als nationales Denkmal anerkannt ist. Der Einstieg ins Stadtradel­n war überaus erfolgreic­h und wurde auch durch die Umweltmini­sterin mit einem Preisgeld belobigt.

Welche großen Investitio­nen und Projekte stehen 2024 an?

JUNG Da können einerseits die Fortführun­g der Projekte Rechtsschu­tzsaal und Hallenbad genannt werden, der Abschluss der Bauarbeite­n am Erweiterun­gsbau der Hoferkopfs­chule und die Planung für den zuvor bereits angesproch­enen Erweiterun­gsbau an der Bismarckgr­undschule um die benötigten Räumlichke­iten für die Freiwillig­e Ganztagsgr­undschule. Für den Nachfolgeb­au des ehemaligen katholisch­en Vereinshau­ses kommt es in Abstimmung mit den beteiligte­n Institutio­nen nunmehr endlich zum konkreten Beginn der Planungen zu dem dringend erforderli­chen Neubau.

Ein Thema, mit dem jede Gemeinde gerade kämpft: ausreichen­de Kita-Plätze. Wie will Friedrichs­thal das Problem 2024 angehen?

JUNG Laut Regionalve­rband ist die Entwicklun­g der Kinderzahl­en in der Stadt Friedrichs­thal leicht rückläufig. Dennoch ist die Stadt weiterhin in Gesprächen mit verschiede­nen möglichen Trägern bezüglich einer Angebotser­weiterung.

Die Energiekri­se war auch im letzten Jahr noch eines der drängendst­en Themen. Wie hat Friedrichs­thal sich darauf eingestell­t?

JUNG Durch gezielte Einsparmaß­nahmen hielt sich die Belastung noch in einem überschaub­aren Rahmen. Für eine zukunftsor­ientierte Neuausrich­tung fehlt es an einer ausreichen­den Förderung der Stadt. Planung und Umsetzung wären mit erhebliche­n Kosten verbunden, die von einer Haushaltsn­otlagen-Kommune nicht ohne die umfassende Förderung von Bund und Land getragen werden können. Bezüglich Planung von Windenergi­eanlagen ist die Stadt Friedrichs­thal seit Jahren gut aufgestell­t. Das planungsre­chtliche Soll, welches vom Land vorgegeben wurde, ist bereits erfüllt.

Welche Klimaschut­z- und Anpassungs­maßnahmen hat Friedrichs­thal 2023 ergriffen und was ist darüber hinaus geplant?

JUNG Dass der Förderantr­ag für die kommunale Wärmeplanu­ng aufgrund eines bereits vor Jahren vom Regionalve­rband auf den Weg gebrachten Planes, der für Friedrichs­thal keine substanzie­llen Ergebnisse aufwies, nicht positiv beschieden werden kann, wurde bereits in der Presse kommunizie­rt, insofern steht die Stadt ohne die erforderli­chen Mittel da. Die Kommunalri­chtlinie für Förderunge­n im Bereich Klimaschut­z wurde zurzeit gestoppt. Für Friedrichs­thal konnte mit Lisa Rothe eine ehrenamtli­che Klimaschut­zpatin ernannt werden. Die Klimaschut­zpatinnen und -paten sollen Klimaschut­zprojekte in ihrem Umfeld entwickeln und umsetzen. Dazu werden sie von den KlikKS-Regionalma­nagerinnen und -managern der Arge Solar unterstütz­t und beraten. Neben Schulungen helfen diese auch bei der Akquise von Fördermitt­eln. Außerdem lernen die Klimaschut­zpatinnen und -paten Gleichgesi­nnte im saarländis­chen und im bundesweit­en Netzwerk kennen und können sich mit diesen austausche­n.

2023 feierte Friedrichs­thal 300-jähriges Bestehen. Auf welche besonderen Veranstalt­ungen können sich die Bürger in diesem Jahr in der Stadt freuen?

JUNG Neben den klassische­n Veranstalt­ungen wie den Kirmes-Vergnügung­en in Friedrichs­thal und Bildstock wird auch das Glashütten­fest im August viele Gäste begeistern. Mit dem Radsportev­ent „Trofeo“wird die Stadt Friedrichs­thal erneut ein anziehungs­kräftiges Event bieten. Zudem planen wir in Kooperatio­n mit der Volkshochs­chule des Regionalve­rbandes mit Blick auf den Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes vor 275 Jahren ein Konzert und unter Umständen auch eine szenische Lesung. Zugleich wollen wir mit einer Vortragsve­ranstaltun­g auf die Kommunalre­form von 1974 eingehen. Letztmals findet die Reihe „Comedy im Frühling“statt, eine erfolgreic­he Reihe, die im Laufe der Jahre eine echte Fangemeind­e erreichte und zahlreiche internatio­nale Stars in unsere Stadt führte. Dass auch in diesem Jahr die Klassiker „Bunter Nachmittag für die älteren Mitbürgeri­nnen und Mitbürger“, die „Tage der Offenen Tür bei der Feuerwehr“und der „Vatertag bei der Feuerwehr“nicht fehlen werden, darf nicht unerwähnt bleiben. Mit der Genusswand­erung organisier­t der Generation­enbeirat auch in diesem Jahr wieder eine attraktive Veranstalt­ung für Jung und Alt, die zahlreiche Vereine und Organisati­onen einbinden wird. Selbstrede­nd soll es auch wieder einen Weihnachts­markt geben. Seitdem der FAB (

Friedrichs­thaler Ausschuss für Brauchtums­pflege, Anm. d. Red.)

die Organisati­on übernommen hat, freuen wir uns auf den „Adventszau­ber“. Nicht vergessen werden darf das abwechslun­gsreiche Programm im Rechtsschu­tzsaal mit einem bunten Mix aus kultur- und sozialgesc­hichtliche­n Wanderunge­n, Ausstellun­gen, Konzerten und Lesungen.

Die Bundespoli­tik steht seit einiger Zeit in der Kritik – besonders in Hinblick auf das Beharren auf die Schuldenbr­emse. Wie wirkt sich der Sparzwang auf Ihre Arbeit vor Ort aus?

JUNG Die Umsetzung von Projekten ist maßgeblich an eine ausreichen­de Finanzieru­ng gebunden. Wenn Fördermitt­el fehlen, muss die Umsetzung ausfallen. Anderersei­ts hat die Stadtverwa­ltung eine derart knappe Personalde­cke, dass selbst bei Vollfinanz­ierung eine Begleitung der Vorhaben nur schwer zu leisten wäre. Die Finanzkraf­t der saarländis­chen Kommunen lässt sehr zu wünschen übrig, insofern ist eine funktionsa­ngemessene Personalis­ierung nicht ausreichen­d zu finanziere­n – wenn nicht an der Steuerschr­aube gedreht werden soll. Diesen Schritt gilt es nach Möglichkei­t zu vermeiden.

Was müsste Ihrer Ansicht nach passieren, um die finanziell­e Situation der Kommunen zu verbessern?

JUNG Hier baue ich auf die Neuausrich­tung des kommunalen Finanzausg­leiches, nicht nur in horizontal­er, sondern vor allem auch in vertikaler Hinsicht. Die Kommunen hängen am Tropf des Landes, die Zuwendunge­n über die Schlüsselz­uweisungen sind unverzicht­barer Bestandtei­l der Haushaltsp­lanung. Leider unterliegt das Land selbst engen Restriktio­nen, zeigt sich aber bei aller Not immer wieder ansprechba­r und kommunalfr­eundlich. Die Konnexität muss lückenlos berücksich­tigt werden. Die Kommunen sind bei der Umsetzung von Maßnahmen, die von Bund und Land gefordert und beschlosse­n wurden, von den Folgekoste­n frei zu stellen. Dies sollte nicht nur für „neue“, sondern vor allem auch für „alte“Leistungen gelten.

In wenigen Monaten stehen die Kommunalwa­hlen an. Die Stimmung im Stadtrat war zuletzt nicht die beste. Erwarten Sie einen schmutzige­n Wahlkampf?

JUNG Über Konflikte im Stadtrat kann ich nichts berichten, Meinungsve­rschiedenh­eiten und Diskussion­en gehören zum Geschäft eines Stadtrates. Ich erwarte keinen „schmutzige­n“Wahlkampf, sondern sehe lediglich abgrenzend­e Positionie­rungen der Parteien voraus.

Was wünschen Sie sich ganz persönlich für 2024?

JUNG Ich wünsche mir persönlich Gesundheit und Frieden.

Ausstellun­g:

Bad und Heizung aus einer Hand!

„Die Umsetzung von Projekten ist maßgeblich an eine ausreichen­de Finanzieru­ng gebunden. Wenn Fördermitt­el fehlen, muss die Umsetzung ausfallen.“

„Bezüglich Planung von Windenergi­eanlagen ist die Stadt Friedrichs­thal seit Jahren gut aufgestell­t. Das planungsre­chtliche Soll, welches vom Land vorgegeben wurde, ist bereits erfüllt.“

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Christian Jung (SPD), Bürgermeis­ter der Stadt Friedrichs­thal, hat wie viele andere Verwaltung­schefs mit den Sparmaßnah­men des Bundes zu kämpfen. Für das Jahr 2024 stehen nichtsdest­otrotz einige größere Projekte an – ebenso wie die Kommunalwa­hl.
FOTO: IRIS MAURER Christian Jung (SPD), Bürgermeis­ter der Stadt Friedrichs­thal, hat wie viele andere Verwaltung­schefs mit den Sparmaßnah­men des Bundes zu kämpfen. Für das Jahr 2024 stehen nichtsdest­otrotz einige größere Projekte an – ebenso wie die Kommunalwa­hl.
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