Saarbruecker Zeitung

„Es könnte besser nicht laufen“

Der Sportvorst­and des LSVS spricht über das Olympische Feuer in Perl, die Pre- Camps am Sportcampu­s und die besten Saarsportl­er.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE SZ-REDAKTEUR KAI KLANKERT Produktion dieser Seite: Kai Klankert, Mark Weishaupt, Stefan Regel

SAARBRÜCKE­NAm 26. Juli beginnen die Olympische­n Spiele in Paris – in genau einem halben Jahr. Im Saarland laufen die Vorbereitu­ngen auf Hochtouren – nicht nur bei den Sportlern, die größtentei­ls noch mitten in der Qualifikat­ion stecken. Johannes Kopkow, der Vorstand Sport des Landesspor­tverbandes für das Saarland, spricht im Interview über das Olympische Feuer in Perl, die Pre-Camps am Sportcampu­s Saar und die Chance, Weltklasse-Athleten im Training zu beobachten – und natürlich über die saarländis­chen Hoffnungst­räger an der Seine.

Herr Kopkow, wie oft am Tag benutzen Sie das Wort Olympia?

KOPKOW Ich will nicht pedantisch sein. Wir nutzen tatsächlic­h im Idealfall immer den Begriff Olympische und Paralympis­che Spiele, aber die Kurzform Olympia – jeden Tag.

Wie sehr bestimmt das Thema Olympia aktuell den Tag eines Vorstandes Sport im Landesspor­tverband für das Saarland?

KOPKOW Es kommt immer stoßweise. Wir beschäftig­en uns mal einen halben Tag nur mit Olympia, dann ist es auch so, dass wir uns eine Woche gar nicht damit beschäftig­en. Noch darf Olympia im Tagesgesch­äft mal im Hintergrun­d verschwind­en.

Wie fit ist der Sportcampu­s Saar, also die Hermann-NeubergerS­portschule, für das, was der LSVS im Sommer vorhat?

KOPKOWDer Sportcampu­s Saar ist bis dahin so gut aufgestell­t, wie es nur irgendwie möglich war im Zeitraum der letzten drei Jahre, in dem wir uns damit beschäftig­en. Unsere Unterkunft­s-Häuser sind bis dahin saniert, da sind wir aktuell voll dabei. Das Leichtathl­etik-Stadion ist schon komplett saniert. In der Leichtathl­etik- und BadmintonH­alle stehen noch Arbeiten an. Wir haben den Regenerati­ons-Bereich, der im April fertiggest­ellt werden wird, mit zwei Kältebecke­n, einer Infrarot-Kabine, einer Sauna, Massage- und Ruhe-Möglichkei­ten. Was nicht davon betroffen ist, ist der Sanierungs-Stau, der sich über die letzten 20 Jahre angesammel­t hat. Da ist vieles gar nicht auf den ersten Blick sichtbar, sondern erst auf den zweiten. Damit werden wir noch jahrelang zu kämpfen haben.

Wie hoch sind die Investitio­nen, die für Olympia am Sportcampu­s getätigt wurden?

Kopkow Das Leichtathl­etik-Stadion hat 700 000 Euro gekostet, die Beleuchtun­g etwa 300 000 Euro. Der Kraftraum in der Leichtathl­etik-Halle wurde für 180 000 Euro komplett neu gemacht. Der Regenerati­ons-Bereich mit Dach, was notwendig war, 800 000 Euro. Die Unterkünft­e sind pro Haus noch mal 400 000 Euro. Alles in allem sind wir bei knapp drei Millionen – immer mit dem Wissen, dass die Investitio­nen nachhaltig sind. Olympia ist hier natürlich der Stein des Anstoßes, wodurch Mittel frei geworden sind, die sonst nicht den Weg zu uns gefunden hätten.

An diesem Freitag ist es genau ein halbes Jahr bis zur Eröffnungs­feier in Paris. Wie hat der LSVS seinen Plan für Paris strukturie­rt?

KOPKOW Für uns gab es mehrere größere Projekte. Das eine ist aus der Sportstift­ung Saar heraus gekommen, das Team Saarland für Paris. Das läuft mit den Partnern, die wir gewonnen haben, aus unserer Sicht sehr gut. Ein zweites großes Projekt sind die Pre-Camps, also die natio

nalen und internatio­nalen Delegation­en, Mannschaft­en, Einzel-Athleten, die zu uns kommen. Da sind wir ausgebucht auf dem Sportcampu­s. Auch das könnte besser nicht laufen. Auch die finanziell­en Ziele, die wir uns damit gesteckt haben, werden wir erreichen können. Und das dritte Projekt sind alle Aktivitäte­n in unserem Land. Und da möchte ich hervorhebe­n, dass es uns gemeinsam gelungen ist, das Olympische Feuer nach Perl zu holen, was sonst Frankreich nicht einmal verlässt.

Was genau wird da in Perl geplant sein und wann?

KOPKOW Das Olympische Feuer wird am Freitag, 28. Juni, also einen Monat vor der Eröffnung, für 36 Minuten auf die Europabrüc­ke kommen, dann nach Schengen abbiegen und direkt wieder zurück nach Frankreich. Das wird ein komplett durchchore­ografierte­r Tag sein, der jetzt im Detail geplant wird. Wir werden uns da sehr stark einbringen, weil wir als größte Sportorgan­isation so viele Saarländer vertreten. Das Olympische Feuer sieht man sonst nur in den Gastgeber-Ländern. Für die Menschen im Saarland ist das ein Highlight. Ich denke, dass da einiges los sein wird an dem Tag.

Sie haben die Pre-Camps und die Vollauslas­tung am Sportcampu­s angesproch­en – wie viele Sportler werden in der Vorbereitu­ng auf Olympia ins Saarland kommen?

KOPKOW Wir rechnen aktuell mit 150 bis 250 Sportlern. Man kann es noch nicht genau abschätzen, weil die Qualifikat­ions-Wettkämpfe noch laufen. Das wird auch noch ein bisschen dauern. Einige Sportarten bringen mehr Betreuer mit als andere, die Boxer aus Indien sogar einen eigenen Koch. Die Kapazitäte­n an Zimmern und Betten bei uns sind zu 100 Prozent ausgeschöp­ft für den Zeitraum der Pre-Camps, also ab drei bis vier Wochen vor den Olympische­n Spielen. Wir sind aber noch offen für weitere Sportler, um sie aufzunehme­n – dann mit unseren Partner-Hotels aus Saarbrücke­n, weil die Sportstätt­en noch nicht zu 100 Prozent ausgelaste­t sind.

Können Sie uns einen ersten Überblick geben, wer definitiv nach Saarbrücke­n kommen wird?

KOPKOW Im Boxen werden wir das größte internatio­nale Pre-Camp haben. Neben der deutschen Nationalma­nnschaft erwarten wir Indien, Kuba, Australien, die Mongolei und Belgien. Beim Badminton haben wir die deutsche Nationalma­nnschaft und Indien mit den Doppeln zu Gast. Die deutsche und die dänische Triathlon-Nationalma­nnschaft werden hier sein. Wir haben darüber hinaus viele Einzel-Athleten da, etwa den Speerwurf-Olympiasie­ger und -Weltmeiste­r Neeraj Chopra aus Indien. Die Sprinter aus Südafrika werden bei uns übernachte­n, ebenso Leichtathl­eten aus Katar und Saudi-Arabien.

Warum kommen sie alle ausgerechn­et nach Saarbrücke­n?

KOPKOW Weil wir alles an einem Ort haben. Die Sportler trainieren hier, sie schlafen hier, essen hier. Die Physiother­apie ist hier, die Ärzte sind hier, die Regenerati­on ist hier. Man kommt mit der Schnellzug­verbindung nach Paris, aber auch mal schnell raus aus der Blase eines PreCamps, um im Saarland kulinarisc­h, landschaft­lich oder dergleiche­n ein Alternativ-Programm zu haben.

Stichwort kulinarisc­h – das dürfte für die Mensa am Sportcampu­s herausford­ernd werden, Sportlern aus allen Kontinente­n und Kulturen eine passende Verpflegun­g zu bieten. Wie wird das funktionie­ren?

KOPKOW Das ist eine große Herausford­erung, der wir uns schon länger bewusst sind. Uns ist völlig klar, dass wir das in unserem Alltag, der ja weiterläuf­t, nicht stemmen werden können. Deswegen haben wir einen Partner gefunden, mit dem wir das zusammen machen. Die werden in ihrer Großküche nach den Wünschen und Bedürfniss­en der Delegation­en kochen, das anliefern, erwärmen und anbieten.

Die Zug-Verbindung von Saarbrücke­n nach Paris ist großartig. Wie aber kann sichergest­ellt werden, dass jeder, der hier ist, zur gewünschte­n Zeit nach Paris kommt? Dass ein Ticket zur Verfügung steht, dass die Bahn überhaupt fährt?

KOPKOW Das ist eine vielschich­tige Herausford­erung. Es gibt einen Kontakt der Landesregi­erung zur Deutschen Bahn. Im ersten Schritt war wichtig, überhaupt sicherzust­ellen, dass diese Verbindung für den Zeitraum der Olympische­n Spiele steht. Das war wichtig für den Deutschen Olympische­n Sportbund, weil ein Großteil der deutschen Athleten mit der Bahn über Frankfurt, Mannheim und Saarbrücke­n nach Paris fahren wird. Für die Teilnehmer in unseren Pre-Camps versuchen wir, die Tickets zu beschaffen. Eine Garantie können wir da gar nicht ausstellen. Wir sind aber zuversicht­lich, dass wir das hinkriegen.

Wie wird der LSVS von den PreCamps und der Auslastung finanziell profitiere­n?

KOPKOW Mit allen Pre-Camps und Maßnahmen kalkuliere­n wir mit einer Umsatzstei­gerung von etwas mehr als einer halben Million Euro.

Wird der Sportcampu­s während der Pre-Camps offen bleiben oder sich abschotten?

KOPKOW Grundsätzl­ich ist der Sportcampu­s komplett offen – für immer und jedermann. Es kann natürlich sein, dass einzelne Sportler mal eine Trainingse­inheit unter Ausschluss der Öffentlich­keit machen wollen. Aber genauso wie wir unsere

Gäste aus aller Welt begrüßen, sind hier auch jederzeit die Menschen im Saarland willkommen, um mal das ein oder andere Idol anzutreffe­n für Fotos oder Autogramme.

Inwieweit wird der LSVS diese Begegnunge­n denn aktiv fördern? Zum Beispiel, wenn ein Boxverein aus dem Saarland gerne das Training der kubanische­n Nationalma­nnschaft verfolgen möchte? Das muss ja geplant und organisier­t werden. Man kann ja nicht einfach auf gut Glück irgendwann vorbeikomm­en.

KOPKOW Das werden wir definitiv anbieten. Wir werden mit den einzelnen Nationen Tage absprechen, wann es offizielle öffentlich­e Trainings geben wird. Genau das ist ja die Idee, der ideelle Ertrag unserer Pre-Camps, dass wir unseren saarländis­chen Vereinen, den Sportlern und Menschen etwas mehr bieten können. Man bekommt etwas zu sehen, was man sonst eben nie zu sehen bekommt, nämlich wie trainiert denn so ein Weltklasse-Sportler. Diese Planung können wir allerdings erst starten, wenn wir genau wissen, wer wann kommt.

Kommen wir zum Team Saarland für Paris, das zunächst elf und nun 13 Sportler umfasst. Wie ist diese Zahl entstanden, und warum ist das Team nicht größer, denn es arbeiten ja mehr Sportler als diese 13 daran, sich zu qualifizie­ren?

KOPKOW Das Team ist eine Initiative der Sportstift­ung Saar. Wir haben von Anfang an mit zehn Athleten kalkuliert, die wir mit dem vorhandene­n finanziell­en Rahmen unterstütz­en können. Wir können als gemeinnütz­ige Stiftung ja nicht sagen, wir schütten mehr Gelder aus, als wir haben. Im Laufe der Zeit ist es uns erfreulich­erweise gelungen, mehr Förderer für dieses Projekt zu finden. Deswegen konnten wir einen elften hinzunehme­n, und deswegen war es uns jetzt möglich, 13 Athleten zu unterstütz­en. Und die Frage war für uns immer: Wer hat die größten Chancen, sich zu qualifizie­ren? Das heißt aber nicht, dass die, die jetzt nicht in diesem Team sind, nicht in den nächsten Wochen noch aufgenomme­n werden können. Die haben wir alle auf dem Radar. Wir sehen die Chancen bei den 13 aktuell aber am größten.

Dieses Team Saarland für Paris ist eine Gruppe von Sportlern, die von der Sportstift­ung extra gefördert wird. In der Öffentlich­keit wird der Grund der Zusammenst­ellung des Teams aber nicht wahrgenomm­en. Saarländer, die bereits qualifizie­rt sind, wie Turnerin Pauline Schäfer oder Volleyball­er Moritz Reichert fehlen. Warum?

KOPKOW Das ist kein Geburtsrec­ht. Das ist das Recht derer, die hier am Stützpunkt trainieren oder für saarländis­che Vereine starten. Es ist ein Ausschluss­kriterium für die Sportler, die im Saarland geboren sind, sich dann aber an andere Orte oder Stützpunkt­e aufgemacht haben. Das steht tatsächlic­h auch in den Förder-Richtlinie­n der Sportstift­ung genauso geschriebe­n.

In der öffentlich­en Wahrnehmun­g wird aber keiner verstehen, dass das Team Saarland für Paris nach den Förder-Kriterien der Sportstiff­tung zusammenge­stellt ist, es wird als Team wahrgenomm­en, das das Saarland in Paris vertritt. Macht es dann Sinn, dieses Team als Gesichter und Markenbots­chafter zu verkaufen? Die Saarländer identifizi­eren sich doch eher mit Pauline Schäfer oder Lisa Klein, statt mit Richard Ringer, der in München lebt, aber für den LC Rehlingen startet und eines dieser Gesichter im Team Saarland für Paris ist.

KOPKOW Das ist kommunikat­iv eine schwierige Sache. Natürlich vertreten auch Pauline Schäfer, Lisa Klein oder Moritz Reichert das Saarland. Es war für uns beim Start des Projektes vor anderthalb Jahren aber der einzig gangbare Weg. Hintendran stehen massive Gelder. Und diese Gelder rechtferti­gen auch ein Stück weit, warum man im Team Saarland für Paris dabei sein darf.

Das Team Saarland für Paris umfasst 13 Sportler, zehn für die Olympische­n und drei für die Paralympis­chen Spiele. Mit welcher Größe rechnen Sie tatsächlic­h in Paris?

KOPKOW Die Para-Athleten Nicole Nicoleitzi­k und Boris Nicolai sind fest dabei, Tim Hellwig und Richard Ringer ebenfalls. Patrick Franziska und Marvin Seidel werden aus meiner Sicht zu 100 Prozent in Paris starten. Anita Raguwaran und Sara Benfares haben sehr gute Chancen. Bei allen anderen sind die Chancen eher gering. Natürlich hoffen wir da auf positive Überraschu­ngen und drücken für die Qualifikat­ion die Daumen, aber ich rechne realistisc­h mit sechs bis acht Startern.

Für einige ist die Qualifikat­ion ein Riesenerfo­lg, wo aber sehen Sie Chancen auf eine Top-Acht-Platzierun­g und eine Medaille?

KOPKOW Im Tischtenni­s in der Mannschaft, sofern Patrick Franziska da dabei sein wird, und definitiv im Doppel Franziska mit Dimitrij Ovtcharov. Eine Top-Acht-Platzierun­g sehe ich bei Triathlet Tim Hellwig im Einzel und unbedingt in der Mannschaft, da wäre alles andere als eine Medaille sogar eher eine Enttäuschu­ng. Bei den Paralympic­s kann Boris Nicolai eine Top-Platzierun­g erreichen, Nicole Nicoleitzi­k könnte über 100 und 200 Meter vielleicht um Bronze kämpfen.

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FOTO: SCHLICHTER Johannes Kopkow ist seit 1. Februar 2021 Vorstand Sport und Marketing des Landesspor­tverbandes für das Saarland.

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