„Es könnte besser nicht laufen“
Der Sportvorstand des LSVS spricht über das Olympische Feuer in Perl, die Pre- Camps am Sportcampus und die besten Saarsportler.
SAARBRÜCKENAm 26. Juli beginnen die Olympischen Spiele in Paris – in genau einem halben Jahr. Im Saarland laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren – nicht nur bei den Sportlern, die größtenteils noch mitten in der Qualifikation stecken. Johannes Kopkow, der Vorstand Sport des Landessportverbandes für das Saarland, spricht im Interview über das Olympische Feuer in Perl, die Pre-Camps am Sportcampus Saar und die Chance, Weltklasse-Athleten im Training zu beobachten – und natürlich über die saarländischen Hoffnungsträger an der Seine.
Herr Kopkow, wie oft am Tag benutzen Sie das Wort Olympia?
KOPKOW Ich will nicht pedantisch sein. Wir nutzen tatsächlich im Idealfall immer den Begriff Olympische und Paralympische Spiele, aber die Kurzform Olympia – jeden Tag.
Wie sehr bestimmt das Thema Olympia aktuell den Tag eines Vorstandes Sport im Landessportverband für das Saarland?
KOPKOW Es kommt immer stoßweise. Wir beschäftigen uns mal einen halben Tag nur mit Olympia, dann ist es auch so, dass wir uns eine Woche gar nicht damit beschäftigen. Noch darf Olympia im Tagesgeschäft mal im Hintergrund verschwinden.
Wie fit ist der Sportcampus Saar, also die Hermann-NeubergerSportschule, für das, was der LSVS im Sommer vorhat?
KOPKOWDer Sportcampus Saar ist bis dahin so gut aufgestellt, wie es nur irgendwie möglich war im Zeitraum der letzten drei Jahre, in dem wir uns damit beschäftigen. Unsere Unterkunfts-Häuser sind bis dahin saniert, da sind wir aktuell voll dabei. Das Leichtathletik-Stadion ist schon komplett saniert. In der Leichtathletik- und BadmintonHalle stehen noch Arbeiten an. Wir haben den Regenerations-Bereich, der im April fertiggestellt werden wird, mit zwei Kältebecken, einer Infrarot-Kabine, einer Sauna, Massage- und Ruhe-Möglichkeiten. Was nicht davon betroffen ist, ist der Sanierungs-Stau, der sich über die letzten 20 Jahre angesammelt hat. Da ist vieles gar nicht auf den ersten Blick sichtbar, sondern erst auf den zweiten. Damit werden wir noch jahrelang zu kämpfen haben.
Wie hoch sind die Investitionen, die für Olympia am Sportcampus getätigt wurden?
Kopkow Das Leichtathletik-Stadion hat 700 000 Euro gekostet, die Beleuchtung etwa 300 000 Euro. Der Kraftraum in der Leichtathletik-Halle wurde für 180 000 Euro komplett neu gemacht. Der Regenerations-Bereich mit Dach, was notwendig war, 800 000 Euro. Die Unterkünfte sind pro Haus noch mal 400 000 Euro. Alles in allem sind wir bei knapp drei Millionen – immer mit dem Wissen, dass die Investitionen nachhaltig sind. Olympia ist hier natürlich der Stein des Anstoßes, wodurch Mittel frei geworden sind, die sonst nicht den Weg zu uns gefunden hätten.
An diesem Freitag ist es genau ein halbes Jahr bis zur Eröffnungsfeier in Paris. Wie hat der LSVS seinen Plan für Paris strukturiert?
KOPKOW Für uns gab es mehrere größere Projekte. Das eine ist aus der Sportstiftung Saar heraus gekommen, das Team Saarland für Paris. Das läuft mit den Partnern, die wir gewonnen haben, aus unserer Sicht sehr gut. Ein zweites großes Projekt sind die Pre-Camps, also die natio
nalen und internationalen Delegationen, Mannschaften, Einzel-Athleten, die zu uns kommen. Da sind wir ausgebucht auf dem Sportcampus. Auch das könnte besser nicht laufen. Auch die finanziellen Ziele, die wir uns damit gesteckt haben, werden wir erreichen können. Und das dritte Projekt sind alle Aktivitäten in unserem Land. Und da möchte ich hervorheben, dass es uns gemeinsam gelungen ist, das Olympische Feuer nach Perl zu holen, was sonst Frankreich nicht einmal verlässt.
Was genau wird da in Perl geplant sein und wann?
KOPKOW Das Olympische Feuer wird am Freitag, 28. Juni, also einen Monat vor der Eröffnung, für 36 Minuten auf die Europabrücke kommen, dann nach Schengen abbiegen und direkt wieder zurück nach Frankreich. Das wird ein komplett durchchoreografierter Tag sein, der jetzt im Detail geplant wird. Wir werden uns da sehr stark einbringen, weil wir als größte Sportorganisation so viele Saarländer vertreten. Das Olympische Feuer sieht man sonst nur in den Gastgeber-Ländern. Für die Menschen im Saarland ist das ein Highlight. Ich denke, dass da einiges los sein wird an dem Tag.
Sie haben die Pre-Camps und die Vollauslastung am Sportcampus angesprochen – wie viele Sportler werden in der Vorbereitung auf Olympia ins Saarland kommen?
KOPKOW Wir rechnen aktuell mit 150 bis 250 Sportlern. Man kann es noch nicht genau abschätzen, weil die Qualifikations-Wettkämpfe noch laufen. Das wird auch noch ein bisschen dauern. Einige Sportarten bringen mehr Betreuer mit als andere, die Boxer aus Indien sogar einen eigenen Koch. Die Kapazitäten an Zimmern und Betten bei uns sind zu 100 Prozent ausgeschöpft für den Zeitraum der Pre-Camps, also ab drei bis vier Wochen vor den Olympischen Spielen. Wir sind aber noch offen für weitere Sportler, um sie aufzunehmen – dann mit unseren Partner-Hotels aus Saarbrücken, weil die Sportstätten noch nicht zu 100 Prozent ausgelastet sind.
Können Sie uns einen ersten Überblick geben, wer definitiv nach Saarbrücken kommen wird?
KOPKOW Im Boxen werden wir das größte internationale Pre-Camp haben. Neben der deutschen Nationalmannschaft erwarten wir Indien, Kuba, Australien, die Mongolei und Belgien. Beim Badminton haben wir die deutsche Nationalmannschaft und Indien mit den Doppeln zu Gast. Die deutsche und die dänische Triathlon-Nationalmannschaft werden hier sein. Wir haben darüber hinaus viele Einzel-Athleten da, etwa den Speerwurf-Olympiasieger und -Weltmeister Neeraj Chopra aus Indien. Die Sprinter aus Südafrika werden bei uns übernachten, ebenso Leichtathleten aus Katar und Saudi-Arabien.
Warum kommen sie alle ausgerechnet nach Saarbrücken?
KOPKOW Weil wir alles an einem Ort haben. Die Sportler trainieren hier, sie schlafen hier, essen hier. Die Physiotherapie ist hier, die Ärzte sind hier, die Regeneration ist hier. Man kommt mit der Schnellzugverbindung nach Paris, aber auch mal schnell raus aus der Blase eines PreCamps, um im Saarland kulinarisch, landschaftlich oder dergleichen ein Alternativ-Programm zu haben.
Stichwort kulinarisch – das dürfte für die Mensa am Sportcampus herausfordernd werden, Sportlern aus allen Kontinenten und Kulturen eine passende Verpflegung zu bieten. Wie wird das funktionieren?
KOPKOW Das ist eine große Herausforderung, der wir uns schon länger bewusst sind. Uns ist völlig klar, dass wir das in unserem Alltag, der ja weiterläuft, nicht stemmen werden können. Deswegen haben wir einen Partner gefunden, mit dem wir das zusammen machen. Die werden in ihrer Großküche nach den Wünschen und Bedürfnissen der Delegationen kochen, das anliefern, erwärmen und anbieten.
Die Zug-Verbindung von Saarbrücken nach Paris ist großartig. Wie aber kann sichergestellt werden, dass jeder, der hier ist, zur gewünschten Zeit nach Paris kommt? Dass ein Ticket zur Verfügung steht, dass die Bahn überhaupt fährt?
KOPKOW Das ist eine vielschichtige Herausforderung. Es gibt einen Kontakt der Landesregierung zur Deutschen Bahn. Im ersten Schritt war wichtig, überhaupt sicherzustellen, dass diese Verbindung für den Zeitraum der Olympischen Spiele steht. Das war wichtig für den Deutschen Olympischen Sportbund, weil ein Großteil der deutschen Athleten mit der Bahn über Frankfurt, Mannheim und Saarbrücken nach Paris fahren wird. Für die Teilnehmer in unseren Pre-Camps versuchen wir, die Tickets zu beschaffen. Eine Garantie können wir da gar nicht ausstellen. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir das hinkriegen.
Wie wird der LSVS von den PreCamps und der Auslastung finanziell profitieren?
KOPKOW Mit allen Pre-Camps und Maßnahmen kalkulieren wir mit einer Umsatzsteigerung von etwas mehr als einer halben Million Euro.
Wird der Sportcampus während der Pre-Camps offen bleiben oder sich abschotten?
KOPKOW Grundsätzlich ist der Sportcampus komplett offen – für immer und jedermann. Es kann natürlich sein, dass einzelne Sportler mal eine Trainingseinheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit machen wollen. Aber genauso wie wir unsere
Gäste aus aller Welt begrüßen, sind hier auch jederzeit die Menschen im Saarland willkommen, um mal das ein oder andere Idol anzutreffen für Fotos oder Autogramme.
Inwieweit wird der LSVS diese Begegnungen denn aktiv fördern? Zum Beispiel, wenn ein Boxverein aus dem Saarland gerne das Training der kubanischen Nationalmannschaft verfolgen möchte? Das muss ja geplant und organisiert werden. Man kann ja nicht einfach auf gut Glück irgendwann vorbeikommen.
KOPKOW Das werden wir definitiv anbieten. Wir werden mit den einzelnen Nationen Tage absprechen, wann es offizielle öffentliche Trainings geben wird. Genau das ist ja die Idee, der ideelle Ertrag unserer Pre-Camps, dass wir unseren saarländischen Vereinen, den Sportlern und Menschen etwas mehr bieten können. Man bekommt etwas zu sehen, was man sonst eben nie zu sehen bekommt, nämlich wie trainiert denn so ein Weltklasse-Sportler. Diese Planung können wir allerdings erst starten, wenn wir genau wissen, wer wann kommt.
Kommen wir zum Team Saarland für Paris, das zunächst elf und nun 13 Sportler umfasst. Wie ist diese Zahl entstanden, und warum ist das Team nicht größer, denn es arbeiten ja mehr Sportler als diese 13 daran, sich zu qualifizieren?
KOPKOW Das Team ist eine Initiative der Sportstiftung Saar. Wir haben von Anfang an mit zehn Athleten kalkuliert, die wir mit dem vorhandenen finanziellen Rahmen unterstützen können. Wir können als gemeinnützige Stiftung ja nicht sagen, wir schütten mehr Gelder aus, als wir haben. Im Laufe der Zeit ist es uns erfreulicherweise gelungen, mehr Förderer für dieses Projekt zu finden. Deswegen konnten wir einen elften hinzunehmen, und deswegen war es uns jetzt möglich, 13 Athleten zu unterstützen. Und die Frage war für uns immer: Wer hat die größten Chancen, sich zu qualifizieren? Das heißt aber nicht, dass die, die jetzt nicht in diesem Team sind, nicht in den nächsten Wochen noch aufgenommen werden können. Die haben wir alle auf dem Radar. Wir sehen die Chancen bei den 13 aktuell aber am größten.
Dieses Team Saarland für Paris ist eine Gruppe von Sportlern, die von der Sportstiftung extra gefördert wird. In der Öffentlichkeit wird der Grund der Zusammenstellung des Teams aber nicht wahrgenommen. Saarländer, die bereits qualifiziert sind, wie Turnerin Pauline Schäfer oder Volleyballer Moritz Reichert fehlen. Warum?
KOPKOW Das ist kein Geburtsrecht. Das ist das Recht derer, die hier am Stützpunkt trainieren oder für saarländische Vereine starten. Es ist ein Ausschlusskriterium für die Sportler, die im Saarland geboren sind, sich dann aber an andere Orte oder Stützpunkte aufgemacht haben. Das steht tatsächlich auch in den Förder-Richtlinien der Sportstiftung genauso geschrieben.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird aber keiner verstehen, dass das Team Saarland für Paris nach den Förder-Kriterien der Sportstifftung zusammengestellt ist, es wird als Team wahrgenommen, das das Saarland in Paris vertritt. Macht es dann Sinn, dieses Team als Gesichter und Markenbotschafter zu verkaufen? Die Saarländer identifizieren sich doch eher mit Pauline Schäfer oder Lisa Klein, statt mit Richard Ringer, der in München lebt, aber für den LC Rehlingen startet und eines dieser Gesichter im Team Saarland für Paris ist.
KOPKOW Das ist kommunikativ eine schwierige Sache. Natürlich vertreten auch Pauline Schäfer, Lisa Klein oder Moritz Reichert das Saarland. Es war für uns beim Start des Projektes vor anderthalb Jahren aber der einzig gangbare Weg. Hintendran stehen massive Gelder. Und diese Gelder rechtfertigen auch ein Stück weit, warum man im Team Saarland für Paris dabei sein darf.
Das Team Saarland für Paris umfasst 13 Sportler, zehn für die Olympischen und drei für die Paralympischen Spiele. Mit welcher Größe rechnen Sie tatsächlich in Paris?
KOPKOW Die Para-Athleten Nicole Nicoleitzik und Boris Nicolai sind fest dabei, Tim Hellwig und Richard Ringer ebenfalls. Patrick Franziska und Marvin Seidel werden aus meiner Sicht zu 100 Prozent in Paris starten. Anita Raguwaran und Sara Benfares haben sehr gute Chancen. Bei allen anderen sind die Chancen eher gering. Natürlich hoffen wir da auf positive Überraschungen und drücken für die Qualifikation die Daumen, aber ich rechne realistisch mit sechs bis acht Startern.
Für einige ist die Qualifikation ein Riesenerfolg, wo aber sehen Sie Chancen auf eine Top-Acht-Platzierung und eine Medaille?
KOPKOW Im Tischtennis in der Mannschaft, sofern Patrick Franziska da dabei sein wird, und definitiv im Doppel Franziska mit Dimitrij Ovtcharov. Eine Top-Acht-Platzierung sehe ich bei Triathlet Tim Hellwig im Einzel und unbedingt in der Mannschaft, da wäre alles andere als eine Medaille sogar eher eine Enttäuschung. Bei den Paralympics kann Boris Nicolai eine Top-Platzierung erreichen, Nicole Nicoleitzik könnte über 100 und 200 Meter vielleicht um Bronze kämpfen.