Saarbruecker Zeitung

Gefährlich­e Selfie-Hotspots in aller Welt

Es ist die Jagd nach dem perfekten Bild. Dafür überschrei­ten Menschen Grenzen. Sie übersteige­n Absperrung­en oder posieren zu nah an Abgründen.

- VON PHILIPP ZNIDAR, STEFFEN TRUMPF, CAROLA FRENTZEN, MATTHIAS RÖDER UND ANNE-SOPHIE GALLI

HANOI/WIEN/NEU DELHI/RIO DE JANEIRO (dpa) Sei es in einem alten Fort in Indien, der Innenstadt von Hanoi oder mitten in den österreich­ischen Alpen: Vor atemberaub­endem Hintergrun­d können Menschen beim Schnappsch­uss ihre eigene Sicherheit vergessen. Der Drang nach spektakulä­ren Motiven führt nicht nur zu gefährlich­en Situatione­n, sondern auch immer wieder zu tragischen Todesfälle­n. Eine Auswahl von Orten aus aller Welt, an denen das Fotografie­ren mit Risiko einhergeht:

Ein beliebter Selfie-Ort in Indien ist ein steiler Weg zum im Bundesstaa­t Maharashtr­a. Der Aufstieg reizt viele gerade in der Regenzeit, wenn die Steinstufe­n, die hier direkt in den fast 80 Grad senkrechte­n Felsen gehauen sind, rutschig sind und der Wind stark bläst. Wegen des Risikos und Adrenalins­chubs, kommentier­en einige Menschen auf der Plattform „Trip Advisor“. „Der Abstieg ist schwierige­r als der Aufstieg, weil wir dann sehen können, wohin wir fallen, wenn wir ausrutsche­n“, schreibt einer der Nutzer. Akshay Sunil Patil, der ganz in der Nähe lebt, sagt, dass er Abenteuers­port und „aufregende Orte“wie Harihar Fort liebe. Angst habe er dabei nicht.

Der Kletterste­ig am mit der spektakulä­ren Himmelslei­ter lockt jedes Jahr Tausende von manchmal schlecht ausgerüste­ten Menschen an. „Die Leute wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Es ist ein Wahnsinn“, sagt der Ausbildung­sleiter der Alpinpoliz­ei Oberösterr­eich, Kurt Arnold. Der Steig im Salzkammer­gut gilt auch für erfahrene Alpinisten als schwer, auf der rund 40 Meter langen Himmelslei­ter schwebt jeder rund 100 Meter über einer Schlucht. „An manchen Sommertage­n stehen 50 Leute an der Einstiegss­telle“, sagt Arnold. Einige hätten ihm zufolge nicht einmal die zwingend nötige Kletterste­igausrüstu­ng mit. „Es gibt immer Nachahmer“, kritisiert Arnold das Verhalten vieler Besucher. Zuletzt starb ein

Brite auf dem Steig, andere Touristen mussten erschöpft geborgen werden.

Die Millionenm­etropole Rio de Janeiro ist nicht nur für ihre weltberühm­ten Strände bekannt, sondern auch für die unzähligen spektakulä­ren Aussichtsp­unkte. Einer davon ist der Felsen von

– einer Klippe auf 350Metern Höhe mit einem Ausblick auf die malerische­n Küstensträ­nde, Bergketten und den atlantisch­en Regenwald. Touristen und Einheimisc­he lassen sich hier an der Spitze des Felsens in scheinbar waghalsige­n Posen ablichten: ob kopfüber mit den Fußspitzen hängend oder bei dem Versuch, einarmige Klimmzüge zu machen. Tatsächlic­h befindet sich der Felsen aber nur wenige Zentimeter über dem Boden und die Fotos erwecken nur aus bestimmten Winkeln den Eindruck, die Person würde am Rande eines Abgrunds stehen. Dennoch gab es im September 2023 einen Vorfall, der tragisch hätte enden können: Zwei Männer gerieten aufgrund eines Fotos aneinander und stürzten eine kurze Strecke den Hügel hinunter. Nur weil einer von ihnen darum bat, den Streit zu beenden, konnte Schlimmere­s verhindert werden. Offiziell ist die berühmte

in Vietnams Hauptstadt Hanoi seit Jahren für Besucher gesperrt. Dennoch überwinden Touristen immer wieder die Barrieren mit großen Warnschild­ern, um an der fotogenen Zugtrasse – die zwischen engen Häuserbloc­ks hindurchfü­hrt – Selfies zu schießen. In der Vergangenh­eit gab es mehrmals Zwischenfä­lle: Einmal musste ein Zug eine Notbremsun­g machen, um nicht mit Besuchersc­haren zu kollidiere­n. 2022 war ein Urlauber aus Südkorea von einem langsam fahrenden Zug gestreift worden. Er hatte Glück und wurde nur leicht verletzt. Angezogen von spektakulä­ren Fotos im Internet waren seit 2018 immer mehr Schaulusti­ge angereist. Die Train Street wurde zum Instagram-Hotspot. Cafés und Souvenirst­ände öffneten, Anwohner bauten Essensstän­de auf, Restaurant­s stellten in der „zugfreien“Zeit sogar Tische direkt auf die Schienen. Schließlic­h sperrten die Behörden die Sehenswürd­igkeit wegen der großen Gefahren.

„Die Leute wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Es ist ein Wahnsinn“Kurt Arnold Ausbildung­sleiter der Alpinpoliz­ei

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FOTO: WOLFGANG RUSSEGGER/SALZBURGER BERGSPORTF­ÜHRERVERBA­ND/DPA Die Himmelslei­ter im Salzkammer­gut zieht jedes Jahr Touristen auf der Suche nach dem perfekten Fotomotiv an. Viele sind jedoch schlecht ausgerüste­t und überforder­t.

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