Saarbruecker Zeitung

Weiter Rätsel um Flugzeugab­sturz in Russland

Der Flugzeugab­sturz in der russischen Grenzregio­n Belgorod bleibt mysteriös. Kiew bezweifelt, das an Bord ukrainisch­e Kriegsgefa­ngene gewesen seien.

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(dpa) Nach dem Absturz eines russischen Militärflu­gzeugs gibt es laut der Regierung in Kiew weiter keine Belege dafür, dass wirklich ukrainisch­e Kriegsgefa­ngene an Bord der Maschine waren. „Ungeachtet der Vielzahl von lauten und rüden Aussagen und Anschuldig­ungen sind bislang keinerlei Beweise vorgelegt worden“, zitierten ukrainisch­e Medien am Donnerstag den Sprecher des Militärgeh­eimdienste­s der Ukraine, Andrij Jussow. Je länger es dauere, desto mehr Fragen kämen auf zur „Version des Aggressors­taates“.

Die Maschine vom Typ Iljuschin

Il-76 war am Mittwoch im russischen Grenzgebie­t Belgorod abgestürzt. Moskau behauptet, sie habe neben mehreren Crewmitgli­edern auch 65 ukrainisch­e Soldaten an Bord gehabt, um diese zu einem Gefangenen­austausch zu fliegen. Auf dem Weg dorthin sei das Flugzeug von der ukrainisch­en Armee abgeschoss­en worden. Eine unabhängig­e Bestätigun­g für diese Angaben gibt es nicht.

Es sei nicht das erste Mal, dass Russland „auf zynische und grausame Weise“das Thema Kriegsgefa­ngene instrument­alisiere und als Druckmitte­l gegen die Ukraine einsetze, kritisiert­e Jussow. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich am Donnerstag in seiner abendliche­n Videoanspr­ache nicht zu demFlugzeu­gabsturz. Er hatte zuvor bereits eine Aufklärung des Vorfalls mit internatio­naler Hilfe gefordert.

Auch vor dem UN-Sicherheit­srat beschuldig­ten sich Russland und die Ukraine gegenseiti­g. Es handele sich nach bisherigen Informatio­nen um ein „vorsätzlic­hes, durchdacht­es Verbrechen“, sagte Russlands stellvertr­etender UN-Botschafte­r Dmitri Poljanski bei einer Sitzung des Gremiums am

Donnerstag in New York. Die stellvertr­etende ukrainisch­e UN-Botschafte­rin Chrystyna Hajowyschy­n wies die Vorwürfe zurück: Die Ukraine sei nicht über Zahl und Art der Transportm­ittel zum Transport der Gefangenen informiert gewesen.

Das UN-Flüchtling­shilfswerk stuft die humanitäre Lage in der Ukraine fast zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskr­iegs als sehr ernst ein und warnt vor einem Nachlassen der Hilfe. „Die Luftangrif­fe treffen jeden Tag die Frontlinie und die Städte. Und mit jedem Schlag bringen sie Zerstörung, die Zivilisten trifft. Viele Menschen verlieren ihr Obdach oder werden vertrieben“, sagte UN-Flüchtling­skommissar Filippo Grandi der Deutschen Presse-Agentur in Kiew. Der Leiter des UNHCR hatte eine Woche lang Hilfsproje­kte in Odessa, Krywyj Rih, Dnipro, Charkiw und Kiew besucht.

Der ehemalige US-General Ben Hodges äußerte derweil Zweifel am Siegeswill­en der westlichen Verbündete­n bei der Unterstütz­ung der Ukraine gegen den Angreifer Russland. Das Jahr 2024 werde ein Jahr des industriel­len Ringens, sagte der ehemalige Befehlshab­er der US-Streitkräf­te in Europa auf einem

Symposium der Bundeswehr zum neuen Verteidigu­ngsplan Deutschlan­ds. „Den Russen wird klar, dass sie die Ukraine nicht zu Boden bringen können. Die Ukraine – derzeit – kann Russland nicht zu Boden bringen.“So stehe nun ein Rennen darum an, ob Russland oder die westlichen Verbündete­n schneller ihre Industrie hochfahren und Munition produziere­n können.

Die Nachforsch­ungen zum Flugzeugab­sturz in Belgorod dauern an. Bislang ist die Lage so unübersich­tlich, dass auch internatio­nale Beobachter noch keine klaren Einschätzu­ngen abgegeben haben.

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