Saarbruecker Zeitung

Feministis­che Außenpolit­ik bei Warlords

Das Bürgerkrie­gsland Sudan steht im Fokus der Vermittlun­gsbemühung­en von Außenminis­terin Baerbock in Ostafrika. Dabei trifft sie auch auf Gesprächsp­artner, die selbst schon Krieger waren – und vielleicht auch wieder werden.

- VON MEY DUDIN

Die feministis­che Außenpolit­ik kommt an ihre Grenzen, wenn es ausschließ­lich Männer sind, die darüber entscheide­n, ob es Krieg gibt oder Frieden. Das ist in einem Konflikt der Fall, in dem Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) vermitteln will: Der Krieg im Sudan, wo zwei Generäle seit April 2023 um die Macht kämpfen. Auf der einen Seite steht De-facto-Staatschef Abdel Fattah alBurhan, auf der anderen Seite dessen früherer Stellvertr­eter Mohamed Hamdan Daglo, „Hemedti“genannt, Milizenfüh­rer der sogenannte­n Rapid Support Forces (RSF). Die Bilanz nach einem dreivierte­l Jahr: Mindestens 13 000 Tote und mehr als sieben Millionen Vertrieben­e.

Baerbock geht es bei politische­n Gesprächen in Kenia und im Südsudan am Donnerstag­abend und Freitag darum, „ein Libyen-Szenario“im Sudan zu verhindern. „Denn sonst droht das Land zu zerfallen und die

ganze Region ins Chaos zu stürzen“, sagt sie nach einem Treffen mit dem kenianisch­en Präsidente­n William Ruto. Der Staatschef versucht in dem Konflikt ebenfalls zu vermitteln. Für das Gespräch hat Ruto die deutsche Ministerin am Donnerstag­abend zu einem seiner Landsitze eingeladen.

Baerbock wirkt an diesen Tagen kontrollie­rt, wie eine Frau, die nichts dem Zufall überlassen will. Es gibt nur wenige öffentlich­e Erklärunge­n für die begleitend­e Presse. Ihre Mie

ne ist sehr ernst. In den deutschen Schlagzeil­en ist der Sudan-Konflikt im Moment ohnehin nicht. Bislang sind alle Vermittlun­gsbemühung­en ohne Erfolg geblieben. „Das Gefühl, dass sowieso niemand hinschaut, schafft ein Klima der Straflosig­keit und verstärkt damit weiter die Gräueltate­n“, sagt Baerbock. Auch deshalb ist sie in die Region gereist.

Beim Besuch einer Flüchtling­ssiedlung im Südsudan eröffnet sie offiziell einen Schutzraum für Frau

en, durchschne­idet ein Band mit Schleife in der UN-Farbe blau. Das Lager war für etwa 2 000 Menschen ausgelegt, wegen der Massenfluc­ht aus dem Sudan sind es inzwischen 12 000. „Hunderttau­sende Frauen und Kinder durchquere­n Wüsten, legen Strecken zu Fuß zurück, die man eigentlich kaum laufen kann“, sagt Baerbock. Viele hätten unglaublic­he Wunden, körperlich und seelisch. „Der Krieg im Sudan ist vor allen Dingen auch ein Krieg gegen Frau

en.“Vergewalti­gung werde systematis­ch als Kriegswaff­e eingesetzt. Mit einigen Frauen in der Flüchtling­ssiedlung spricht sie während ihres Besuchs. Anschließe­nd berichtet sie davon. Frauen hätten ansehen müssen, wie ihre Töchter vergewalti­gt worden seien, manche hätten ihre Kinder auf der Flucht verloren. Baerbock strebt an, dass auch Frauen im Falle eines Friedenspr­ozesses mit am Verhandlun­gstisch sitzen. Das ist Teil ihrer feministis­chen Außenpolit­ik.

Doch im Moment stehen auch bei den Bemühungen um die Lösung des Konflikts Männer in der ersten Reihe. Einen von ihnen trifft Baerbock in der südsudanes­ischen Hauptstadt Dschuba. Es ist Salva Kiir Mayardit, Präsident des jüngsten Staates der Welt, einem Land, das sich vom Sudan abgespalte­n und am 9. Juli 2011 unabhängig wurde. Der Mann, dessen Markenzeic­hen ein schwarzer Cowboyhut ist, war selbst schon Kriegsherr. Denn kurz nach der Unabhängig­keit brach ein Machtkampf zwischen ihm und seinem Vize Riek Machar aus, der zu einem brutalen Bürgerkrie­g führte. 400 000 Menschen starben. Erst durch internatio­nalen Druck wurde 2018 ein Friedensab­kommen geschlosse­n. Doch noch immer kommt es zu Gewaltausb­rüchen, der erdölreich­e Südsudan bleibt eines der gefährlich­sten Länder der Welt. Von den rund zwölf Millionen Einwohnern des Landes sind mehr als neun Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zum Schutz der Bevölkerun­g gibt eine Blauhelmmi­ssion, an der auch 14 Soldatinne­n und Soldaten der Bundeswehr teilnehmen.

Baerbock trifft am Freitagnac­hmittag nacheinand­er gleich beide Rivalen an der Spitze des Südsudans: den Präsidente­n und seinen Vize, zwei frühere Kriegsherr­en, zwischen denen es bis heute noch Spannungen gibt.

Zum Abschluss ihres Besuchs holen Schlagzeil­en zu einem anderen Krisenherd die Ministerin ein: Der Internatio­nale Gerichtsho­f hat eine Gefahr von Völkermord im Gazastreif­en festgestel­lt und Israel beauftragt, mehr Schutzmaßn­ahmen für Palästinen­ser zu ergreifen. Israel wurde aber nicht zum Ende des Militärein­satzes in Gaza verpflicht­et. Das dürfte auch Thema der nächsten Station von Baerbocks Reise sein: Am Samstag ist sie in Jordanien.

„Der Krieg im Sudan ist vor allen Dingen auch ein Krieg gegen Frauen.“Annalena Baerbock Außenminis­terin der Bundesrepu­blik

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) traf sich, auf ihrer Reise durch Kenia und den Südsudan, auch mit dem Präsidente­n des Südsudan, Salva Kiir Mayardit zu Gesprächen.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) traf sich, auf ihrer Reise durch Kenia und den Südsudan, auch mit dem Präsidente­n des Südsudan, Salva Kiir Mayardit zu Gesprächen.

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