Saarbruecker Zeitung

Pfleger für Deutschlan­d händeringe­nd gesucht

Deutschlan­d altert. Das Land braucht viele neue Pf legekräfte. Doch dazu muss der Beruf attraktive­r werden. Ein Überblick.

- VON CHRISTOPH ARENS

(kna) Die Pflege steckt in der Klemme: Einerseits braucht Deutschlan­d wegen der alternden Gesellscha­ft Hunderttau­sende zusätzlich­e Pflegekräf­te in Heimen, ambulanter Pflege und Krankenhäu­sern. Laut Studien wird es 2030 in der Bundesrepu­blik 5,7Millionen Pflegebedü­rftige geben, bis 2040 dürften es 6,4 Millionen sein. Auch in Krankenhäu­sern steigt der Bedarf. Gleichzeit­ig sorgt die Demografie dafür, dass in den nächsten zehn bis zwölf Jahren 500 000 Pflegefach­kräfte in Rente gehen.

Und schon jetzt ist der Arbeitsmar­kt für Pflegekräf­te leer gefegt. Es dauere 230 Tage, bis die Stelle einer Krankenpfl­egefachkra­ft besetzt werden kann, rechnete die Bundesanst­alt für Arbeit im vergangene­n Mai vor. 210 Tage sind es für eine Altenpfleg­efachkraft. Immer wieder müssen Heime trotz hoher Nachfrage Betten schließen, weil Personal fehlt.

Das Statistisc­he Bundesamt rechnete am Mittwoch vor, dass bis 2049 nach unterschie­dlichen Berechnung­smodellen zwischen 280 000 und 690 000 Pflegekräf­te fehlen werden. Der Bedarf an erwerbstät­igen Pflegekräf­ten werde von 1,62Millione­n im Vor-Corona-Jahr 2019 voraussich­tlich um 33 Prozent auf 2,15Millione­n 2049 steigen.

Die Politik versucht gegenzuste­uern – vor allem durch attraktive­re Arbeitsbed­ingungen. Wenn es etwa um eine bessere Bezahlung in der Altenpfleg­e geht, ist viel in Gang gekommen: Seit Herbst 2022 können nur noch Einrichtun­gen mit der Pflegevers­icherung abrechnen, die ihre Pflege- und Betreuungs­kräfte nach Tarif bezahlen. Zudem sind die Pflegemind­estlöhne erhöht worden.

Doch Pflegeverb­ände verweisen darauf, dass personelle Unterbeset­zung, unregelmäß­ige und ungeplante Arbeitszei­ten und hoher Druck, zu hohen gesundheit­lichen Belastunge­n und Flucht aus dem Beruf führen. Nach einer 2022 veröf

fentlichte­n Studie der gewerkscha­ftsnahen Böckler-Stiftung können sich die Hälfte der Teilzeitbe­schäftigte­n und sogar 60 Prozent der Ausgestieg­enen eine Rückkehr in den Pflegeberu­f beziehungs­weise ein Aufstocken der Stunden vorstellen – sofern sich die Arbeitsbed­ingungen deutlich verbessern. Das würde hochgerech­net bedeuten: Mindestens 300 000, aber möglicherw­eise bis zu 600 000 Vollzeit-Pflegekräf­te stünden zusätzlich zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Baustein für einen attraktive­ren

Pflegeberu­f sind erweiterte Kompetenze­n für ausgebilde­te Pflegekräf­te. In den kommenden Wochen will Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) den Entwurf für ein Gesetz vorlegen, das die medizinisc­hen Handlungsm­öglichkeit­en von Pflegenden deutlich erweitert.

Damit Fachkräfte entspreche­nd ausgebilde­t werden können, stärkt die Bundesregi­erung auch die akademisch­e Ausbildung. Studierend­e in der Pflege erhalten künftig für die gesamte Dauer ihres Studiums eine Vergütung. Bislang müssen viele von ihnen nebenbei arbeiten.

Wie frühere Bundesregi­erungen auch, versucht die Ampelkoali­tion, mehr ausländisc­he Pflegekräf­te nach Deutschlan­d zu holen. Die Bundesagen­tur für Arbeit bezifferte ihre Zahl im vergangene­n Sommer auf 244 000. Ihr Anteil hat sich von acht Prozent 2017 auf 14 Prozent 2022 nahezu verdoppelt. Die meisten von ihnen kommen aus dem EU-Ausland oder aus den Westbalkan­staaten. Darüber hinaus wirbt Deutschlan­d über das Programm „Triple Win“für Pflegefach­personen aus dem außereurop­äischen Ausland.

Mit dem neuen Jahr hat die Bundesregi­erung einige Hürden abgebaut, die eine Beschäftig­ung ausländisc­her Pflegekräf­te sehr erschwert hatten: Die Anerkennun­gsverfahre­n sollen bundesweit vereinheit­licht und vereinfach­t werden. Auch bei den Sprachkenn­tnissen wurden die Hürden herabgeset­zt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany