Saarbruecker Zeitung

Wie viel Macht hat das EU-Parlament?

In gut 130 Tagen wird in Europa gewählt. Hunderte Millionen EU-Bürgerinne­n und -Bürger können dann ihre Stimmen abgeben und damit die EU-Politik für fünf Jahre entscheide­nd prägen.

- VON MAREK MAJEWSKY

(dpa) Am Wochenende küren SPD, FDP und das Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) ihre Spitzenkan­didaten für die Europawahl. Doch worüber wird im Sommer eigentlich genau abgestimmt und welchen Einfluss hat das Europaparl­ament? Ein Überblick:

Wann findet die Europawahl statt?

Vom 6. bis 9. Juni können Stimmen abgeben werden. Den Auftakt machen die Niederländ­er, die am Donnerstag, 6. Juni, an die Urne gehen können. Nach Parlaments­angaben folgen Irland, einen Tag darauf Lettland, Malta und die Slowakei. Im Rest der EU wird wie in Deutschlan­d am Sonntag, 9. Juni, gewählt. Mit den unterschie­dlichen Daten soll gewährleis­tet werden, dass die verschiede­nen Wahltradit­ionen beibehalte­n werden können.

Wer wählt?

Erstmals dürfen in Deutschlan­d bei Europawahl­en auch Minderjähr­ige teilnehmen. Das Wahlalter wurde von 18 auf 16 Jahre herabgeset­zt. Auch Staatsange­hörige der übrigen EU-Staaten, die ihren Wohnsitz in

Deutschlan­d haben und alt genug sind, sind wahlberech­tigt. Deutschlan­d ist eines der wenigen Länder, in dem sich Minderjähr­ige an der Wahl beteiligen dürfen. Nach Angaben des EU-Parlaments von August ist dies sonst nur in Österreich, Belgien, Malta und Griechenla­nd möglich. Das Wahlalter in Griechenla­nd liegt bei 17 Jahren.

Deutsche, die nicht in Deutschlan­d wohnen und an der Wahl teilnehmen wollen, müssen vor jeder Wahl einen förmlichen Antrag auf Eintragung in das Wählerverz­eichnis stellen. Dabei gibt es laut der

Bundeswahl­leiterin unterschie­dliche Verfahren, je nachdem in welchem Land man wohnt.

Wer wird gewählt?

Gewählt werden 720 Abgeordnet­e. Von der reinen Anzahl her sind das zwar weniger Politikeri­nnen und Politiker als bei der vergangene­n Wahl, damals zogen 751 Volksvertr­eterinnen und -vertreter ins Parlament ein. Mit dem Austritt Großbritan­niens aus der EU verloren aber auch zahlreiche Abgeordnet­e ihr Mandat. Im Vergleich zur derzeitige­n Zahl der Abgeordnet­en werden 15 Plätze mehr vergeben als noch vor viereinhal­b Jahren.

Deutschlan­d stellt als bevölkerun­gsreichste­s Land in der EU auch die meisten Abgeordnet­en. Deutsche sind im Parlament aber dennoch unterreprä­sentiert. Während ein deutscher Abgeordnet­er im Schnitt grob 875 000 Menschen vertritt, sind es bei einem Abgeordnet­en aus Malta nur knapp 100 000. Gäbe es diese Ungleichhe­it nicht, müsste das Parlament entweder deutlich größer werden oder die Bürgerinne­n und Bürger der kleinsten EU-Länder würden lediglich von einem Abgeordnet­en oder einer Abgeordnet­en vertreten.

Wie wird gewählt?

Das unterschei­det sich von EULand zu EU-Land, teils von Partei zu Partei. In Deutschlan­d stellen die meisten Parteien bundesweit Listen auf, deren Reihenfolg­e auf einem Parteitag festgelegt wird. Je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Menschen von dieser Liste ziehen ein. Bei der CDU/CSU werden Listen nicht bundesweit, sondern auf Landeseben­e verabschie­det. Diese Aufstellun­g ist teils noch nicht abgeschlos­sen, in NRW will die CDU ihre Liste beispielsw­eise am 3. Februar in Dortmund beschließe­n.

EU-weit einheitlic­h ist, dass die Anzahl der Abgeordnet­en einer Partei proportion­al zur Anzahl der erhaltenen Stimmen sein muss. Länderüber­greifende Listen gibt es nicht.

Welche Auswirkung­en hat die Wahl?

Welche Mehrheiten im Parlament organisier­t werden können, hat entscheide­nden Einfluss auf neue

EU-Gesetze. So musste bei vielen aktuellen Vorhaben wie etwa dem Verbrenner-Aus oder umstritten­en Naturschut­z- und Klimageset­zen eine Mehrheit im Parlament zustimmen. Auch bei der Verteilung von Geld, wie der milliarden­schweren EU-Agrarförde­rung, hat das Parlament einen großen Einfluss.

Die meisten Gesetze werden aber zusammen mit den EU-Staaten verhandelt und müssen auch im sogenannte­n Rat eine Mehrheit finden. Dort entscheide­n Vertrete

rinnen und Vertreter der jeweiligen nationalen Regierunge­n. Auf die Mehrheitsv­erhältniss­e in dieser Institutio­n hat die Europawahl keinen direkten Einfluss.

Die Besetzung der EU-Kommission nach der Wahl kann das Parlament hingegen beeinfluss­en. Die Behörde hat das alleinige Recht, konkrete EU-Rechtsakte vorzuschla­gen, die dann vom Parlament und den EU-Staaten ausgehande­lt werden. Zwar ist es zunächst Aufgabe der Staats- und Regierungs­chefs

der EU-Staaten, einen Vorschlag für die Präsidenti­n beziehungs­weise den Präsidente­n zu machen, das Parlament kann diesen aber ablehnen. In der Regel wird auch ein Kandidat aus den Reihen der größten Fraktion im Parlament vorgeschla­gen.

Der Rat und der designiert­e Präsident erarbeiten dann eine Liste der restlichen Kommissare, je einer aus jedem EU-Staat. Das Parlament muss auch der Ernennung der restlichen Kommissare zustimmen.

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FOTO: VIRGINIA MAYO/AP/DPA Die Europäer sind im Juni aufgeforde­rt ihre Repräsenta­nten im Brüssler Parlament neuzuwähle­n. In diesem Jahr werden 15 Abgeordnet­ensitze mehr vergeben als vor viereinhal­b Jahren.

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