Es wird weniger gequalmt, dafür mehr E-Zigarette inhaliert
(dpa) Der Trend weg von der Zigarette hat sich im vergangenen Jahr fortgesetzt. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte, sank die Menge der versteuerten Zigaretten imVergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent auf 64,0 Milliarden Stück. 2022 hatte das Minus sogar 8,3 Prozent betragen, der Rückgang hat sich also abgeschwächt. Im langfristigen Vergleich zu 1991 ging der Zigarettenabsatz um mehr als die Hälfte zurück.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE), Jan Mücke, begründet das Minus beim Zigarettenverkauf mit einem stärkeren Gesundheitsbewusstsein der Menschen und mit derVerfügbarkeit von Alternativen. Dabei bezieht er sich unter anderem auf Tabakerhitzer, in denen der Tabak nur heiß gemacht, aber nicht verbrannt wird. Dadurch werden weniger Schadstoffe freigesetzt.
Aus Sicht von Mücke sind solche Produkte ein positives Angebot an Raucher, um wegzukommen von der Zigarette. „Der Staat sollte den Verkauf solcher Alternativen unterstützen, anstatt ihnen den Markteintritt zu erschweren“, sagt Mücke. Dass die Tabakerhitzer nicht mehr auf Plakaten in den Straßen beworben werden dürfen, sei nicht nachvollziehbar, moniert der Branchenvertreter.
Der deutsche Tabakmarkt ist dominiert von Marken internationaler Konzerne, etwa Marlboro von Philip Morris International (PMI), Nil von Japan Tobacco International ( JTI) und Lucky Strike von British American Tobacco (BAT). Angesichts der sinkenden Nachfrage nach den krebserzeugenden Zigaretten satteln diese Firmen allmählich um und investieren Milliarden in Alternativprodukte, also Tabakerhitzer, E-Zigaretten und weitere Produkte.
Auf dieses Marktsegment setzen die Konzerne große Hoffnungen. Ihnen ist bewusst, dass die jahrzehntelang hoch lukrativen Geschäfte mit den klassischen Kippen künftig immer schwieriger werden. Schließlich steuert der Gesetzgeber mit einer strengeren Regulierung inklusive weitreichender Werbeverbote und höheren Steuersätzen dagegen.
Philip Morris bietet die Tabakerhitzer-Geräte der Marke „Iqos“an, BAT „Glo“. JTI steht hierzulande mit „Ploom“in den Startlöchern.
Nach Schätzung vom BVTE machen die Sticks inzwischen etwa vier Prozent des deutschen Tabakmarktes aus, nach drei Prozent 2022.
Das Geschäft zieht an. Philip Morris verzeichnete im dritten Quartel 2023 nach eigenen Angaben in
Deutschland ein Absatzplus von 19,2 Prozent mit TabakerhitzerSticks. Man werde „das Segment der schadstoffreduzierten Alternativen“weiter ausbauen, sagt der deutsche PMI-Cheflobbyist und frühere SPD-Politiker Torsten Albig. Bis 2030 wolle Philip Morris International „ein weitgehend rauchfreies Unternehmen“sein und mehr als zwei Drittel der Nettoeinnahmen aus rauchfreien Produkten erzielen.
Noch machen die klassischenKippen den Löwenanteil des Tabakgeschäfts von Philip Morris aus, im dritten Quartal 2023 lag dieser global betrachtet bei 83,2 Prozent. Die Tabakerhitzer kamen auf 16,8 Prozent und damit 2,3 Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor. Das Beispiel Philip Morris macht deutlich: Alternativprodukte zu Glimmstängeln werden immer wichtiger für die Konzerne.
Eine weitere Alternative zu Kippen sind E-Zigaretten, bei denen aromatisierte und häufig mit Nikotin versetzte Flüssigkeiten (Liquids) verdampft werden. In diesem Marktsegment sind Mittelständler stark vertreten, aber auch die Großkonzerne mischen mit. 1,2 Millionen Liter solcher TabakSubstitute wurden im vergangenen Jahr in Deutschland versteuert.
Es wird also weniger geraucht und mehr inhaliert in Deutschland. Eine gute Nachricht für die Gesundheit? Krebsforscher schütteln den Kopf. So verweist Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) auf eine Studie der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, der zufolge der Raucheranteil der Ab-14-Jährigen bei einem Drittel (33,9 Prozent) liegt. Ein viel zu hoher Wert, sagt Schaller. „Der Tabakrauch ist ein Giftcocktail, der etwa 90 Substanzen enthält, die krebserzeugend sind oder im Verdacht stehen, krebserzeugend zu sein.“