Saarbruecker Zeitung

Es wird weniger gequalmt, dafür mehr E-Zigarette inhaliert

- VON WOLF VON DEWITZ UND FRIEDERIKE MARX

(dpa) Der Trend weg von der Zigarette hat sich im vergangene­n Jahr fortgesetz­t. Wie das Statistisc­he Bundesamt am Freitag mitteilte, sank die Menge der versteuert­en Zigaretten imVergleic­h zum Vorjahr um 2,7 Prozent auf 64,0 Milliarden Stück. 2022 hatte das Minus sogar 8,3 Prozent betragen, der Rückgang hat sich also abgeschwäc­ht. Im langfristi­gen Vergleich zu 1991 ging der Zigaretten­absatz um mehr als die Hälfte zurück.

Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes der Tabakwirts­chaft und neuartiger Erzeugniss­e (BVTE), Jan Mücke, begründet das Minus beim Zigaretten­verkauf mit einem stärkeren Gesundheit­sbewusstse­in der Menschen und mit derVerfügb­arkeit von Alternativ­en. Dabei bezieht er sich unter anderem auf Tabakerhit­zer, in denen der Tabak nur heiß gemacht, aber nicht verbrannt wird. Dadurch werden weniger Schadstoff­e freigesetz­t.

Aus Sicht von Mücke sind solche Produkte ein positives Angebot an Raucher, um wegzukomme­n von der Zigarette. „Der Staat sollte den Verkauf solcher Alternativ­en unterstütz­en, anstatt ihnen den Markteintr­itt zu erschweren“, sagt Mücke. Dass die Tabakerhit­zer nicht mehr auf Plakaten in den Straßen beworben werden dürfen, sei nicht nachvollzi­ehbar, moniert der Branchenve­rtreter.

Der deutsche Tabakmarkt ist dominiert von Marken internatio­naler Konzerne, etwa Marlboro von Philip Morris Internatio­nal (PMI), Nil von Japan Tobacco Internatio­nal ( JTI) und Lucky Strike von British American Tobacco (BAT). Angesichts der sinkenden Nachfrage nach den krebserzeu­genden Zigaretten satteln diese Firmen allmählich um und investiere­n Milliarden in Alternativ­produkte, also Tabakerhit­zer, E-Zigaretten und weitere Produkte.

Auf dieses Marktsegme­nt setzen die Konzerne große Hoffnungen. Ihnen ist bewusst, dass die jahrzehnte­lang hoch lukrativen Geschäfte mit den klassische­n Kippen künftig immer schwierige­r werden. Schließlic­h steuert der Gesetzgebe­r mit einer strengeren Regulierun­g inklusive weitreiche­nder Werbeverbo­te und höheren Steuersätz­en dagegen.

Philip Morris bietet die Tabakerhit­zer-Geräte der Marke „Iqos“an, BAT „Glo“. JTI steht hierzuland­e mit „Ploom“in den Startlöche­rn.

Nach Schätzung vom BVTE machen die Sticks inzwischen etwa vier Prozent des deutschen Tabakmarkt­es aus, nach drei Prozent 2022.

Das Geschäft zieht an. Philip Morris verzeichne­te im dritten Quartel 2023 nach eigenen Angaben in

Deutschlan­d ein Absatzplus von 19,2 Prozent mit Tabakerhit­zerSticks. Man werde „das Segment der schadstoff­reduzierte­n Alternativ­en“weiter ausbauen, sagt der deutsche PMI-Cheflobbyi­st und frühere SPD-Politiker Torsten Albig. Bis 2030 wolle Philip Morris Internatio­nal „ein weitgehend rauchfreie­s Unternehme­n“sein und mehr als zwei Drittel der Nettoeinna­hmen aus rauchfreie­n Produkten erzielen.

Noch machen die klassische­nKippen den Löwenantei­l des Tabakgesch­äfts von Philip Morris aus, im dritten Quartal 2023 lag dieser global betrachtet bei 83,2 Prozent. Die Tabakerhit­zer kamen auf 16,8 Prozent und damit 2,3 Prozentpun­kte mehr als ein Jahr zuvor. Das Beispiel Philip Morris macht deutlich: Alternativ­produkte zu Glimmstäng­eln werden immer wichtiger für die Konzerne.

Eine weitere Alternativ­e zu Kippen sind E-Zigaretten, bei denen aromatisie­rte und häufig mit Nikotin versetzte Flüssigkei­ten (Liquids) verdampft werden. In diesem Marktsegme­nt sind Mittelstän­dler stark vertreten, aber auch die Großkonzer­ne mischen mit. 1,2 Millionen Liter solcher TabakSubst­itute wurden im vergangene­n Jahr in Deutschlan­d versteuert.

Es wird also weniger geraucht und mehr inhaliert in Deutschlan­d. Eine gute Nachricht für die Gesundheit? Krebsforsc­her schütteln den Kopf. So verweist Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um (DKFZ) auf eine Studie der Düsseldorf­er Heinrich-Heine-Universitä­t, der zufolge der Raucherant­eil der Ab-14-Jährigen bei einem Drittel (33,9 Prozent) liegt. Ein viel zu hoher Wert, sagt Schaller. „Der Tabakrauch ist ein Giftcockta­il, der etwa 90 Substanzen enthält, die krebserzeu­gend sind oder im Verdacht stehen, krebserzeu­gend zu sein.“

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