Saarbruecker Zeitung

„Großes Einfamilie­nhaus nicht mehr Regelfall“

Der Bauministe­r erklärt, unter welchen Bedingunge­n im Saarland künftig noch Neubaugebi­ete möglich sein sollen.

- DIE FRAGEN STELLTE DANIEL KIRCH.

Entwurf der Landesregi­erung für einen neuen Landesentw­icklungspl­an (LEP) soll in diesem Jahr beschlosse­n werden. Er regelt unter anderem, unter welchen Voraussetz­ungen Gemeinden künftig Neubaugebi­ete ausweisen dürfen. Das Thema spielt auch im Kommunalwa­hlkampf eine Rolle.

Herr Jost, an einem Satz von Ihnen entzündet sich seit Monaten die politische Debatte um den neuen Landesentw­icklungspl­an: „Das freistehen­de Einfamilie­nhaus wird künftig in jedem Fall die Ausnahme sein.“Gilt das noch?

JOST Das ist die Realität, die im Übrigen von den Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­tern selbst immer wieder zum Ausdruck gebracht wird. Das heißt nicht, dass niemand mehr ein Einfamilie­nhaus bauen kann. Aber viele Leute sind froh, wenn sie mit dem Nachbargru­ndstück eine Reihenhaus­bebauung hinbekomme­n. Was wir in den zurücklieg­enden Jahrzehnte­n hatten, ein großes freistehen­des Einfamilie­nhaus auf einem Grundstück von neun oder zehn Ar, das wird in Zukunft nicht der Regelfall sein. Heute wollen die meisten möglichst kostengüns­tig und platzspare­nd bauen. Deshalb ist das eine Binsenweis­heit. Dass das jetzt von Opposition­spolitiker­n genutzt wird, nach dem Motto „Der Jost will den Leuten ihr Einfamilie­nhaus nehmen“: gut, soll sich jeder selber zum Flappes machen.

Was ist dann der Regelfall, wenn das freistehen­de Einfamilie­nhaus die Ausnahme wird?

JOST Der Trend geht zu kompaktere­n Bauweisen und vor allem auch dahin, dass mehr Häuser aneinander­gebaut werden, um gemeinsame Infrastruk­tur nutzen zu können und um möglichst wenig Fläche versiegeln zu müssen.

Wird es in Zukunft dann überhaupt noch neue Neubaugebi­ete im Saarland geben?

JOST Ja! Wie sie aussehen, entscheide­n nicht wir, sondern die Städte und Gemeinden. Die, die uns vorwerfen, wir würden Neubaugebi­ete verhindern, verkennen, dass sie selbst die sind, die sie ausweisen. Wir haben im Gegensatz zu vorangegan­genen Landesregi­erungen auch keine Obergrenze­n eingeführt. Jede Gemeinde muss sich aber zumindest der Mühe unterziehe­n zu prüfen, ob bereits vorhandene­r Baugrund genutzt werden kann.

Die Bürgermeis­ter beklagen einen Eingriff in die kommunale Selbstverw­altung.

JOST Das ist Quatsch und an den Haaren herbeigezo­gen. Es ist höchstrich­terlich geklärt, dass das Land bei der Landesentw­icklungspl­anung die Kompetenz hat. Die nutzen wir aber nicht, um bis ins kleinste Detail zu re

gieren, sondern wir geben Leitplanke­n vor – das haben Städte und Gemeinden über Jahre hinweg immer gefordert. Eine Genehmigun­gspraxis wie in den 60er oder 70er Jahren, wo auf Zuruf vom Land die Genehmigun­g kommt, Baugebiete auszuweise­n, wird nicht mehr gehen. Es ist doch auch im eigenen finanziell­en Interesse der Stadt oder Gemeinde, bereits erschlosse­ne Grundstück­e zu

aktivieren, anstatt neue zu erschließe­n.

Und wenn eine Gemeinde nachweist, dass sie alles versucht hat, um Baulücken zu nutzen, aber das nicht geht, weil der Eigentümer das Grundstück nicht verkaufen will?

JOST Dann wird man relativ schnell eine Einigung finden. Wir werden die Wurst nicht so hoch hängen, dass man nicht mehr drankommt. Wenn man mit uns redet, finden wir immer Lösungen. Nur: Der leichte Weg, immer weiter auf der grünen Wiese zu wachsen, der wird nicht mehr möglich sein.

Welche Rolle spielt die neue Grundsteue­r C, die Gemeinden im Saarland ab 2025 auf unbebaute, baureife Grundstück­e erheben können? JOST Wir haben vor, genau diese Regelung zur Voraussetz­ung für die Genehmigun­g eventuelle­r Neubaugebi­ete zu machen.

Das Saarland hat trotz des massenhaft­en Zuzugs von Asylbewerb­ern, EU-Bürgern aus Osteuropa und Ukraine-Flüchtling­en heute rund 100 000 Einwohner weniger als in den 90er Jahren. Warum müssen Kommunen überhaupt noch in die Breite wachsen?

JOST Die demografis­che Entwicklun­g ist nicht so eingetrete­n, wie wir das vor zehn Jahren mal angenommen haben, auch durch die Migration. Deshalb werden wir darauf auch mit Blick auf die Notwendigk­eit zusätzlich­er Wohnfläche­n reagieren. Es ist aber auch richtig, dass wir bei den Leerstände­n größere Herausford­erungen haben als andere Bundesländ­er. Darauf muss man reagieren und sei es nur, dass der Leerstand abgerissen und anderweiti­g genutzt wird, als Freifläche oder für Neubauten. Wir wissen aber auch, dass es in

den kommenden Jahren weiterhin Entwicklun­gsmöglichk­eiten geben muss.

Unter welchen Voraussetz­ungen?

JOST Erfweiler-Ehlingen und Oberesch, die beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“sehr erfolgreic­h waren, haben sich in den letzten Jahren so attraktiv dargestell­t, dass dort weder Leerstände noch freie Grundstück­e zur Verfügung stehen. Da wäre es ein Treppenwit­z zu sagen, ihr bekommt keine Möglichkei­t mehr, moderat Neubaugebi­ete auszuweise­n.

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FOTO: BECKERBRED­EL Innenminis­ter Reinhold Jost (SPD) will auch künftig Neubaugebi­ete ermögliche­n, aber nur unter engen Voraussetz­ungen.

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