„Man muss das Spiel auch gewinnen wollen“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigte sich bei seinem Besuch beeindruckt von der Kampfbereitschaft der Saarländer für ihre Ziele.
Die Saarländer haben ihm offensichtlich gewaltigen Respekt eingeflößt. Erst verschaffen sich über Monate hinweg die Stahlarbeiter mit zahlreichen Aktionen Gehör bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Und zu Beginn seiner Besichtigungs-Tour am Freitag zu Unternehmen, die sich mit eigenen Entwicklungen an der Energiewende beteiligen, zeigen sie schon wieder in aller Deutlichkeit, was sie wollen. Diesmal stehen die Bauern mit etlichen dutzend Traktoren vor der Staatskanzlei.
Habeck lässt in der Staatskanzlei durchblicken, dass ihm die Kampfbereitschaft der Saarländer für ihre Ziele imponiert. Und dass die Botschaften bei ihm ankommen. „Die Saarländer stehen zu Recht für ihre Ziele ein: mit großer Entschlossenheit, aber auch mit großer Fairness. Das hat bei mir einiges bewirkt. Diese Entschlossenheit ist für mich Ansporn und Motivation.“Zugleich sagt er: „Die Landesregierung und auch die Menschen im Saarland stehen zu dem, was sie sich vorgenommen haben. Das ist nicht überall in der Republik der Fall.“Er habe mittlerweile den Eindruck gewonnen, „dass im Saarland energisch Wirtschaftsund Industriepolitik betrieben wird“.
In einem Fall ist der Kampf schon gewonnen. Habeck hat den lange ersehnten Förderbescheid der Bundesregierung für die saarländische Stahlindustrie mitgebracht. Mit einer Finanzhilfe von 2,6 Milliarden Euro soll ab 2027 im Saarland grüner Stahl produziert werden. 70 Prozent der Fördersumme übernimmt der
Bund, 30 Prozent entfallen auf das Land. Und dann, weil die Stimmung gelöst, das Thema Stahl zu einem guten Ende geführt worden und der Förderbescheid erfolgreich angekommen ist, erlaubt Habeck einen kurzen humorvollen, aber zugleich auch sehr aufschlussreichen Blick hinter die politischen Kulissen. Es sei mutig, dass die Landesregierung und auch die Stahl-Unternehmen viel Geld in die Hand genommen haben. „Und mit etwas Demut vor dem, was ich dann im November gesagt habe, gab es auch Mut bei der Bundesregierung, denn wir haben da Zusagen gemacht, auch ich, als wir noch nicht genau wussten, ob wir sie einlösen können.“Und weiter: „Einige im Team haben mir dann gesagt: Gut gemacht, aber Du hast dicke Töne gespuckt. Es hat ja dann auch geklappt. Zwei Tage vor Weihnachten war der Förderbescheid dann da, den wir versprochen haben.“Jetzt gebe es wirklich Grund zum Feiern.
Habeck zollt auch den Beschäftigten von Dillinger Hütte und Saarstahl Respekt. Das Projekt sei eine Forderung der Belegschaft gewesen, zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen. Auch das imponiere ihm, „denn wir erleben an vielen Stellen in Deutschland, dass Veränderungen mit Ängsten verbunden sind. Normalerweise sind Belegschaften gegen Veränderungen. In diesem Fall ist es umgekehrt. Die Stahl-Unternehmen, die Belegschaften und auch die IG Metall fordern diese Veränderungen ein, damit mit einer veränderten Produktionsweise alle eine Zukunft haben.“
Habeck zieht aus dieser saarländischen Haltung einen Rückschluss auf ganz Deutschland. „Wenn wir diese Haltung überall hätten, dass sich die Breite der Gesellschaft in einer relativen Geschlossenheit zur Gestaltung der Zukunft bekennt, dann wäre viel Frustration, viel Zorn und Abwehr von demokratischen Entscheidungen nicht mehr in Deutschland zu Hause.“Das Projekt grüner Stahl sei ein Beispiel dafür, wie man erfolgreiche Wirtschaftspolitik unter Einbindung der Gesellschaft demokratisch zum Erfolg führen kann.
Hinzu kommen müsse jetzt noch ein funktionsfähiges Versorgungsnetz mit Wasserstoff und eine ausreichende Stromversorgung inklusive eines noch schnelleren Ausbaus erneuerbarer Energien. „Da steht Deutschland noch vor extremen Herausforderungen. Aber wer wären wir denn, wenn wir diese Herausfor
„Die Saarländer stehen zu Recht für ihre Ziele ein: mit großer Entschlossenheit, aber auch mit großer Fairness. Das hat bei mir einiges bewirkt.“Robert Habeck Bundeswirtschaftsminister
derungen nicht annehmen wollen. Man muss ja das Spiel auch mal gewinnen wollen.“
Die rund 13 000 Beschäftigten in der saarländischen Stahlindustrie haben das Spiel schon gewonnen, die Bauern längst noch nicht. Unter den Landwirten vor der Staatskanzlei ist auch der 46-jährige Erhard Ecker aus Niedaltdorf: Sein Hof hat 180 Hektar, 65 Milchkühe und 300 Legehennen. Zudem betreibt der Landwirt Ackerbau. „Ich bin zur Staatskanzlei gekommen, um dagegen zu protestieren, was die Regierung seit Jahren mit uns macht.“Die Streichung der Subventionen für Agrardiesel führe für alle saarländischen Landwirte in Grenznähe zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber ihren Kollegen aus Luxemburg und Frankreich, weil diese weniger staatliche Kostenbelastungen zu verkraften hätten. Zudem mache die Regierung den Landwirten ständig neue Auflagen. Die Bürokratie sei kaum noch zu bewältigen.
Für den Hauptgeschäftsführer des saarländischen Bauernverbandes, Alexander Welsch, geht es längst auch um die Grundsatzfrage, was
Deutschland noch zu tun bereit ist, damit regionale Lebensmittel auch künftig konkurrenzfähig bleiben. „Was wird denn aus Deutschland, wenn wir unsere Lebensmittel nur noch importieren“, fragt Welsch. Seiner Überzeugung nach könnte man sich schnell mit der Bundesregierung einigen, wenn man grundsätzlich diskutieren würde. „Die Regierung könnte die Streichung der Agrar-Diesel-Subventionen zurücknehmen und einräumen, dass es ein schlechter Deal war. Im Gegenzug kann man dann über Alternativen diskutieren. Wird eine solche Alternative gefunden, die finanziell für uns Landwirte nachvollziehbar ist, dann kann man darüber reden und das Thema Agrardiesel beenden.“
Während die Bauern noch um ihre Zukunft kämpfen, ist sie beim Elektrokonzern Hager in Blieskastel schon in der Praxis erlebbar. Der Hager-Vorstand zeigt dem Minister elektronische Management-Systeme, die automatisch den Energieverbrauch im Haus zu jeder Zeit ermitteln und gleichzeitig in der Lage sind, Strom dann zu kaufen, wenn er am günstigsten ist. Zugleich wer
den auch leistungsfähige Autobatterien neue Aufgaben bekommen. Diese versorgen zu bestimmten Zeiten von der Garage aus das Haus mit Strom. So könne man sich von Februar bis Oktober eine autarke Stromversorgung aufbauen und brauche keinen Stromversorger. Habeck zeigt sich sehr interessiert an diesen Themen und nimmt wohl auch einige Anregungen mit, bevor
er zur nächsten Station auf seiner Tour entschwindet. Verdutzt zurück bleibt bei Hager ein Journalist aus Rheinland-Pfalz, der deutlich hörbar die Frage in den Raum wirft: „Wie schafft die Ministerpräsidentin das eigentlich, den Habeck so oft an die Saar zu holen?“Die Antwort hatte Anke Rehlinger schon am Morgen in der Staatskanzlei gegeben: „Weil hier Zukunft gemacht wird.“