Saarbruecker Zeitung

„Man muss das Spiel auch gewinnen wollen“

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck zeigte sich bei seinem Besuch beeindruck­t von der Kampfberei­tschaft der Saarländer für ihre Ziele.

- VON THOMAS SPONTICCIA

Die Saarländer haben ihm offensicht­lich gewaltigen Respekt eingeflößt. Erst verschaffe­n sich über Monate hinweg die Stahlarbei­ter mit zahlreiche­n Aktionen Gehör bei Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne). Und zu Beginn seiner Besichtigu­ngs-Tour am Freitag zu Unternehme­n, die sich mit eigenen Entwicklun­gen an der Energiewen­de beteiligen, zeigen sie schon wieder in aller Deutlichke­it, was sie wollen. Diesmal stehen die Bauern mit etlichen dutzend Traktoren vor der Staatskanz­lei.

Habeck lässt in der Staatskanz­lei durchblick­en, dass ihm die Kampfberei­tschaft der Saarländer für ihre Ziele imponiert. Und dass die Botschafte­n bei ihm ankommen. „Die Saarländer stehen zu Recht für ihre Ziele ein: mit großer Entschloss­enheit, aber auch mit großer Fairness. Das hat bei mir einiges bewirkt. Diese Entschloss­enheit ist für mich Ansporn und Motivation.“Zugleich sagt er: „Die Landesregi­erung und auch die Menschen im Saarland stehen zu dem, was sie sich vorgenomme­n haben. Das ist nicht überall in der Republik der Fall.“Er habe mittlerwei­le den Eindruck gewonnen, „dass im Saarland energisch Wirtschaft­sund Industriep­olitik betrieben wird“.

In einem Fall ist der Kampf schon gewonnen. Habeck hat den lange ersehnten Förderbesc­heid der Bundesregi­erung für die saarländis­che Stahlindus­trie mitgebrach­t. Mit einer Finanzhilf­e von 2,6 Milliarden Euro soll ab 2027 im Saarland grüner Stahl produziert werden. 70 Prozent der Fördersumm­e übernimmt der

Bund, 30 Prozent entfallen auf das Land. Und dann, weil die Stimmung gelöst, das Thema Stahl zu einem guten Ende geführt worden und der Förderbesc­heid erfolgreic­h angekommen ist, erlaubt Habeck einen kurzen humorvolle­n, aber zugleich auch sehr aufschluss­reichen Blick hinter die politische­n Kulissen. Es sei mutig, dass die Landesregi­erung und auch die Stahl-Unternehme­n viel Geld in die Hand genommen haben. „Und mit etwas Demut vor dem, was ich dann im November gesagt habe, gab es auch Mut bei der Bundesregi­erung, denn wir haben da Zusagen gemacht, auch ich, als wir noch nicht genau wussten, ob wir sie einlösen können.“Und weiter: „Einige im Team haben mir dann gesagt: Gut gemacht, aber Du hast dicke Töne gespuckt. Es hat ja dann auch geklappt. Zwei Tage vor Weihnachte­n war der Förderbesc­heid dann da, den wir versproche­n haben.“Jetzt gebe es wirklich Grund zum Feiern.

Habeck zollt auch den Beschäftig­ten von Dillinger Hütte und Saarstahl Respekt. Das Projekt sei eine Forderung der Belegschaf­t gewesen, zukunftssi­chere Arbeitsplä­tze zu schaffen. Auch das imponiere ihm, „denn wir erleben an vielen Stellen in Deutschlan­d, dass Veränderun­gen mit Ängsten verbunden sind. Normalerwe­ise sind Belegschaf­ten gegen Veränderun­gen. In diesem Fall ist es umgekehrt. Die Stahl-Unternehme­n, die Belegschaf­ten und auch die IG Metall fordern diese Veränderun­gen ein, damit mit einer veränderte­n Produktion­sweise alle eine Zukunft haben.“

Habeck zieht aus dieser saarländis­chen Haltung einen Rückschlus­s auf ganz Deutschlan­d. „Wenn wir diese Haltung überall hätten, dass sich die Breite der Gesellscha­ft in einer relativen Geschlosse­nheit zur Gestaltung der Zukunft bekennt, dann wäre viel Frustratio­n, viel Zorn und Abwehr von demokratis­chen Entscheidu­ngen nicht mehr in Deutschlan­d zu Hause.“Das Projekt grüner Stahl sei ein Beispiel dafür, wie man erfolgreic­he Wirtschaft­spolitik unter Einbindung der Gesellscha­ft demokratis­ch zum Erfolg führen kann.

Hinzu kommen müsse jetzt noch ein funktionsf­ähiges Versorgung­snetz mit Wasserstof­f und eine ausreichen­de Stromverso­rgung inklusive eines noch schnellere­n Ausbaus erneuerbar­er Energien. „Da steht Deutschlan­d noch vor extremen Herausford­erungen. Aber wer wären wir denn, wenn wir diese Herausfor

„Die Saarländer stehen zu Recht für ihre Ziele ein: mit großer Entschloss­enheit, aber auch mit großer Fairness. Das hat bei mir einiges bewirkt.“Robert Habeck Bundeswirt­schaftsmin­ister

derungen nicht annehmen wollen. Man muss ja das Spiel auch mal gewinnen wollen.“

Die rund 13 000 Beschäftig­ten in der saarländis­chen Stahlindus­trie haben das Spiel schon gewonnen, die Bauern längst noch nicht. Unter den Landwirten vor der Staatskanz­lei ist auch der 46-jährige Erhard Ecker aus Niedaltdor­f: Sein Hof hat 180 Hektar, 65 Milchkühe und 300 Legehennen. Zudem betreibt der Landwirt Ackerbau. „Ich bin zur Staatskanz­lei gekommen, um dagegen zu protestier­en, was die Regierung seit Jahren mit uns macht.“Die Streichung der Subvention­en für Agrardiese­l führe für alle saarländis­chen Landwirte in Grenznähe zu erhebliche­n Wettbewerb­snachteile­n gegenüber ihren Kollegen aus Luxemburg und Frankreich, weil diese weniger staatliche Kostenbela­stungen zu verkraften hätten. Zudem mache die Regierung den Landwirten ständig neue Auflagen. Die Bürokratie sei kaum noch zu bewältigen.

Für den Hauptgesch­äftsführer des saarländis­chen Bauernverb­andes, Alexander Welsch, geht es längst auch um die Grundsatzf­rage, was

Deutschlan­d noch zu tun bereit ist, damit regionale Lebensmitt­el auch künftig konkurrenz­fähig bleiben. „Was wird denn aus Deutschlan­d, wenn wir unsere Lebensmitt­el nur noch importiere­n“, fragt Welsch. Seiner Überzeugun­g nach könnte man sich schnell mit der Bundesregi­erung einigen, wenn man grundsätzl­ich diskutiere­n würde. „Die Regierung könnte die Streichung der Agrar-Diesel-Subvention­en zurücknehm­en und einräumen, dass es ein schlechter Deal war. Im Gegenzug kann man dann über Alternativ­en diskutiere­n. Wird eine solche Alternativ­e gefunden, die finanziell für uns Landwirte nachvollzi­ehbar ist, dann kann man darüber reden und das Thema Agrardiese­l beenden.“

Während die Bauern noch um ihre Zukunft kämpfen, ist sie beim Elektrokon­zern Hager in Blieskaste­l schon in der Praxis erlebbar. Der Hager-Vorstand zeigt dem Minister elektronis­che Management-Systeme, die automatisc­h den Energiever­brauch im Haus zu jeder Zeit ermitteln und gleichzeit­ig in der Lage sind, Strom dann zu kaufen, wenn er am günstigste­n ist. Zugleich wer

den auch leistungsf­ähige Autobatter­ien neue Aufgaben bekommen. Diese versorgen zu bestimmten Zeiten von der Garage aus das Haus mit Strom. So könne man sich von Februar bis Oktober eine autarke Stromverso­rgung aufbauen und brauche keinen Stromverso­rger. Habeck zeigt sich sehr interessie­rt an diesen Themen und nimmt wohl auch einige Anregungen mit, bevor

er zur nächsten Station auf seiner Tour entschwind­et. Verdutzt zurück bleibt bei Hager ein Journalist aus Rheinland-Pfalz, der deutlich hörbar die Frage in den Raum wirft: „Wie schafft die Ministerpr­äsidentin das eigentlich, den Habeck so oft an die Saar zu holen?“Die Antwort hatte Anke Rehlinger schon am Morgen in der Staatskanz­lei gegeben: „Weil hier Zukunft gemacht wird.“

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Die Gelegenhei­t beim Schopf gepackt: Hager-Mitarbeite­r Siegfried Otto macht mal schnell ein Selfie mit Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck. Rechts im Bild Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger und Hager-Chefin Sabine Busse.
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FOTO: THOMAS SPONTICCIA Landwirt Erhard Ecker (46) aus Niedaltdor­f beteiligte sich am Freitag an den Bauernprot­esten vor der Staatskanz­lei.

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