Saarbruecker Zeitung

„Von der DDR ambivalent­er erzählen“

Die Regisseuri­n über ihren Film „ Jenseits der blauen Grenze“, der im Spielfilmw­ettbewerb des Filmfestiv­als Max Ophüls Preis läuft.

- DIE FRAGEN STELLTE TOBIAS KESSLER.

Sommer 1989 in der DDR. Die junge Schwimmeri­n Hanna (Lena Urzendowsk­y) zeigt Talent und wird zur Olympia-Hoffnung der DDR. Ihr bester Freund Andreas ( Willi Geitmann) wird von der Staatsmach­t drangsalie­rt und will fliehen – durch die Ostsee. Dazu braucht er Hannas Hilfe. „Jenseits der blauen Grenze“über Enge, Hoffnung und Freundscha­ft ist einer der stärksten Produktion­en des Spielfilmw­ettbewerbs, schnörkell­os erzählt und sehr berührend. Regie führte Sarah Neumann, die auch das Drehbuch nach dem Roman von Dorit Linke geschriebe­n hat. Wir haben mit Neumann gesprochen, die an der Filmakadem­ie in Ludwigsbur­g Regie studiert.

Was hat sie an der Romanvorla­ge besonders angesproch­en?

NEUMANN Ich habe den Roman 2015 zum ersten Mal gelesen. Mich hat auf Anhieb angesproch­en, dass er so filmisch geschriebe­n ist. Besonders die Fluchtszen­en sind so eindrucksv­oll beschriebe­n, dass ich mir dachte: „Das habe ich im deutschen Kino noch nicht gesehen – das würde ich gern einmal auf der Kinoleinwa­nd sehen“.

Wie sind Sie mit der Buchvorlag­e umgegangen, was haben Sie verändert?

NEUMANNIch habe immer versucht, möglichst nahe am Roman zu bleiben. Doch ein paar Figuren und Situatione­n mussten leider gestrichen werden, weil es sonst mindestens drei Filme geworden wären. Die Grundaussa­ge des Romans ist aber unveränder­t geblieben.

Wie schnell war klar, dass Lena Ur

zendowsky Hanna spielen würde? NEUMANN Nachdem wir ihr Casting-Video gesehen haben, war für uns alle klar, dass sie die Hanna spielen muss. Im Konstellat­ions-Casting mit Willi Geitmann und Jannis Veihelmann hat sich das nochmal hundertpro­zentig bestätigt, weil die drei sofort wunderbar miteinande­r harmoniert haben.

Musste Lena Urzendowsk­y für die Schwimmsze­nen ein besonderes Training absolviere­n?

NEUMANN Lena hat ein Jahr lang trainiert, um möglichst nahe an die Statur einer Schwimmeri­n zu kommen. Sie hatte einen Schwimmtra­iner, mit dem sie regelmäßig trainiert hat, damit ihre Schwimmbew­egungen möglichst authentisc­h und profession­ell aussehen.

Wie war es, im Meer zu drehen? Schwierig – und vor allem kalt?

NEUMANN Wir haben alle Fluchtszen­en in der Ostsee gedreht, was ziemlich hart war, weil das Wetter dort unberechen­bar ist. Wir sind jeden Tag mit einem Boot ungefähr 20 Minuten

weit aufs Meer hinausgefa­hren. Von da mussten Lena und Willi dann ins Wasser. Und es war, trotz Sommer, wirklich ziemlich kalt.

Wie viele Drehtage hatten Sie?

NEUMANN Wir hatten 28 Drehtage und das Budget eines Abschlussf­ilms, was für einen historisch­en Film eigentlich viel zu wenig ist. Aber wir haben unserer tollen Szenenbild­nerin Lorena Hahn und Team sowie unserer tollen Maskenbild­nerin Mara Laibacher mit Team zu verdanken, dass der Film so authentisc­h

wie möglich ist. Sie haben mit unseren wenigen finanziell­en Mitteln die DDR auf der Leinwand zum Leben erweckt.

Sie sind ein Jahr vor dem Mauerfall in Görlitz geboren. War der Film auch die Möglichkei­t, sozusagen die DDR-Historie noch einmal mehr für sich selbst zu erforschen?

NEUMANN Ich gehöre zu einer Generation, die sich nun, 35 Jahre nach Mauerfall, noch einmal neu mit der DDR-Geschichte auseinande­rsetzt. Nachdem es eine Filmwelle gegeben

hatte, die alles sehr auf die Stasi-Thematik reduziert hat, und es eine „Ostalgie“-Welle gab, die alles sehr verhamlost und ins Lächerlich­e gezogen hat, ist es an der Zeit, von der DDR und allen Menschen, die dort gelebt haben, ambivalent­er zu erzählen. Und es gibt ganz viele Geschichte­n, die noch nie erzählt wurden.

Haben Sie Favoriten, was das Behandeln der DDR im Kino angeht?

NEUMANN Ich finde „Gundermann“einen wirklich guten Film, der eben auch diese Ambivalenz hat, die so wichtig ist, wenn es um die DDR geht. Ansonsten hat mich der DefaFilm „Das Mädchen aus dem Fahrstuhl“unheimlich inspiriert.

Der wunderbar lapidare Dialog über die DDR in Ihrem Film: „Ist es wirklich so schlimm?“– „Ja“– ist der auch so im Buch?

Ja, ein zentraler Dialog, der auch im Roman ist.

NEUMANN Der Film hat beim Festival gleich zwei Schauspiel-Nominierun­gen – wie lange haben Sie gecastet?

NEUMANN Dass beide nominiert sind, hat uns unendlich gefreut. Für die Rolle von Andreas haben wir in Hamburg und Berlin insgesamt etwa um die 15 tolle junge Schauspiel­er eingeladen. Aber als wir Willi Geitmann in Berlin gesehen haben, waren wir alle uns auf Anhieb einig, dass er den Andreas spielen muss. Bei der Rolle des Jensi war es nicht einfach, Schauspiel­er zu finden, die Charme haben und einen natürliche­n sächsische­n Akzent. Dass wir Jannis Veihelmann gefunden haben, ist ein großes Geschenk.

Ihr Film sieht nach Kino aus, nach großer Leinwand – werden Sie versuchen, einen Verleih zu finden? NEUMANN Wir wünschen uns auch sehr, dass der Film im Kino läuft, und sind auf der Suche nach einem Verleiher. Wir hoffen, dass das OphülsFest­ival, dem wir so dankbar sind, dass wir hier eine wundervoll­e Premiere feiern durften, uns eventuell dabei helfen kann.

Termin: Samstag 22.45 Uhr, Cinestar 1. Info und Karten: www.ffmop.de

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FOTO: WOOD WATER FILMS Kleine Fluchten im DDR-Alltag (v.l.): Andreas (Willi Geitmann), Jens (Jannis Veihelmann) und Hanna (Lena Urzendowsk­y).
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FOTO: MAX KULLMANN / FFMOP Regisseuri­n Sarah Neumann (links) und ihre Darsteller­in Lena Urzendowsk­y.

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