Saarbruecker Zeitung

Der Handball verneigt sich vor einer Legende

Mit einem ergreifend­en Festival feiert Joachim Deckarm vor 2000 begeistert­en Zuschauern seinen 70. Geburtstag in Saarbrücke­n.

- VON DAVID HOFFMANN Produktion dieser Seite: Kai Klankert, Mark Weishaupt, Stefan Regel

Joachim Deckarm war und ist keiner, der sich in den Vordergrun­d stellt. Wer sich mit Wegbegleit­ern oder ehemaligen Mitspieler­n über den einstigen Weltklasse-Handballer unterhält, hört stets, welch großartige­r Mannschaft­sspieler und toller Freund er immer war und es bis heute ist.

Doch dieser Moment in der nach ihm benannten Halle in seiner Geburtssta­dt Saarbrücke­n galt nur ihm. Als er gemeinsam mit seinem Freund und Ex-Bundestrai­ner Heiner Brand zu Beginn des Abends das Feld betrat, erhob sich jeder der rund 2000 Zuschauer in der ausverkauf­ten Halle, und es gab minutenlan­ge Ovationen. Deckarm winkte den Menschen zu – ein unglaublic­h emotionale­r und ergreifend­er Moment zu Ehren eines großen Sportlers und Menschen.

Mit einem großartige­n Festival hat der Handball-Verband Saar (HVS) gemeinsam mit der großen Handball-Familie am Donnerstag den 70. Geburtstag von Joachim Deckarm gefeiert. „Joachim hat diesen Abend mehr als verdient. Wer es bisher noch nie erlebt hat, der hat es heute erlebt, wie die HandballFa­milie zusammenhä­lt und was sie bewirken kann“, sagte der HVSJugendk­oordinator und Weltmeiste­r von 2007, Christian Schwarzer. Gemeinsam mit HVS-Ehrenpräsi­dent Hans-Joachim Müller hatte er das Festival federführe­nd organisier­t.

Den krönenden Abschluss des Tages bildete ein All-Star-Spiel zwischen einer Saarland-Auswahl und den Handball-All-Stars bestehend aus ehemaligen deutschen National- und Bundesliga­spielern. Und die Liste derer, die sich für Deckarm auf den Weg ins Saarland gemacht

hatten, las sich wie die Ehrengaler­ie des deutschen Handballs. Es wirkte tatsächlic­h wie ein Familientr­effen, bei dem in vielen Gesprächen Erinnerung­en ausgetausc­ht und viel gelacht wurde. Der besondere Zusammenha­lt war förmlich greifbar.

Ob Brand, Handball-Ikone Stefan Kretzschma­r, Ex-Welttorhüt­er Henning Fritz und viele mehr: Sie alle waren Schwarzers Ruf gefolgt und boten tollen Sport. „Es tut ihm sehr gut, diese Anerkennun­g auch hier zu spüren“, sagte Brand. Ex-National

spieler Kretzschma­r, heute Sportvorst­and des Bundesligi­sten Füchse Berlin, betonte den „beispielha­ften Kampf“Deckarms und die „positive Energie“, die er ausstrahle. Nach einem tragischen Unfall bei einem Spiel hatte Deckarm schwere Kopfverlet­zungen davongetra­gen und sich danach wieder ins Leben zurückgekä­mpft. Der ehemalige Trainer des Ex-Bundesligi­sten TV Niederwürz­bach, Jörn-Uwe Lommel, brachte es in einem Satz auf den Punkt: „Heute hier zu sein, ist einfach zwingend für jeden, der diese Sportart liebt.“

Dass das saarländis­che Team aktueller und ehemaliger Bundesliga-Spieler wie Yves Kunkel, Marko Grgic, Amelie Berger und Jürgen Hartz sich am Ende mit 29:33 geschlagen geben musste, spielte nicht mal eine Nebenrolle. Dass gerade die saarländis­chen Hand

ball-Drittligis­ten HG Saarlouis und TV Homburg ihre Spieler abstellten, war auch keine Selbstvers­tändlichke­it, zumal beide Teams an diesem Samstag in der Liga ranmüssen – die HG um 19.30 Uhr beim TV Aldekerk und der im Abstiegska­mpf stehende TVH im extrem wichtigen Heimspiel gegen Friesenhei­m/Hochdorf II (18.30 Uhr, Robert-Bosch-Halle).

„Es war ein würdiger Rahmen für Joachim Deckarm, und wir können uns beim Publikum dafür nur bedanken“, sagte Torhüter Henning Fritz. Der 49-Jährige stellte unter anderem mit einem gehaltenen Siebenmete­r gegen Nationalsp­ielerin Berger unter Beweis, dass er nichts von seinem Können verlernt hat. „Ich glaube, es ist kein Problem, wenn man gegen jemand wie ihn nicht trifft“, kommentier­te die Nationalsp­ielerin ihren Fehlwurf mit einem Lachen.

Besser als Berger machte es übrigens der frühere Fußball-Nationalsp­ieler Stefan Kuntz – zumindest im zweiten Versuch. Der Neunkirche­r hatte die Handball-All-Stars auf ungewohnte­m Terrain verstärkt und trat zu einem Strafwurf an. Nach einem Fehlwurf durfte er im zweiten Anlauf den Fuß statt der Hand nehmen – und verwandelt­e prompt unter großem Jubel.

Es war nur eines von unzähligen Kabinettst­ückchen, die die Teams den Zuschauern bei bester Stimmung boten. Auch das familienin­terne Duell zwischen Schwarzer und dessen Sohn Kian, der in der 2. Bundesliga für die Eulen Ludwigshaf­en spielt, lieferte an mancher Stelle ein unterhalts­ames Scharmütze­l. Lediglich einmal verstummte die Halle für einen Moment, als Carlos Lima nach einer Verletzung am Boden lag. Gestützt auf seine Mitspieler und

HVS-Allstar Peter Sieberger, Mannschaft­sarzt von Zweitligis­t Bayer Dormagen, musste er das Spielfeld verlassen – ein Wermutstro­pfen.

Einen besonderen Moment gab es in der Halbzeitpa­use, als Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) Joachim Deckarm den saarländis­chen Verdiensto­rden unter tosendem Applaus verlieh und dabei seine Lebensleis­tung als Sportler wie als Mensch hervorhob. Als nach Spielschlu­ss Deckarm als Protagonis­t des Abends inmitten der Teams aufs Feld kam, brandete abermals großer Beifall auf. Aus den Boxen ertönte „Stand up for the Champions“– und die Halle erhob sich ein letztes Mal für einen der größten Champions, den der saarländis­che und der deutsche Sport je gesehen hat.

„Heute hier zu sein, ist einfach zwingend für jeden, der diese Sportart liebt.“Jörn-Uwe Lommel Ex-Trainer des früheren Bundesligi­sten TV Niederwürz­bach

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FOTO: RUPPENTHAL Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD, links) und Innenminis­ter Reinhold Jost (SPD, rechts) verliehen Joachim Deckarm den saarländis­chen Verdiensto­rden.
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FOTO: RUPPENTHAL Gruppenbil­d mit dem größten Sportler, den das Saarland wohl bisher hervorgebr­acht hat: Die Handball-Allstars in den roten Trikots und die saarländis­che Allstar-Auswahl nehmen Legende Joachim Deckarm in die Mitte.
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FOTO: RUPPENTHAL Stefan Kuntz hatte mit dem Handball so seine Probleme.
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FOTO: RUPPENTHAL Sohn Kian Schwarzer (links) stoppt Papa Christian.

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