Der Handball verneigt sich vor einer Legende
Mit einem ergreifenden Festival feiert Joachim Deckarm vor 2000 begeisterten Zuschauern seinen 70. Geburtstag in Saarbrücken.
Joachim Deckarm war und ist keiner, der sich in den Vordergrund stellt. Wer sich mit Wegbegleitern oder ehemaligen Mitspielern über den einstigen Weltklasse-Handballer unterhält, hört stets, welch großartiger Mannschaftsspieler und toller Freund er immer war und es bis heute ist.
Doch dieser Moment in der nach ihm benannten Halle in seiner Geburtsstadt Saarbrücken galt nur ihm. Als er gemeinsam mit seinem Freund und Ex-Bundestrainer Heiner Brand zu Beginn des Abends das Feld betrat, erhob sich jeder der rund 2000 Zuschauer in der ausverkauften Halle, und es gab minutenlange Ovationen. Deckarm winkte den Menschen zu – ein unglaublich emotionaler und ergreifender Moment zu Ehren eines großen Sportlers und Menschen.
Mit einem großartigen Festival hat der Handball-Verband Saar (HVS) gemeinsam mit der großen Handball-Familie am Donnerstag den 70. Geburtstag von Joachim Deckarm gefeiert. „Joachim hat diesen Abend mehr als verdient. Wer es bisher noch nie erlebt hat, der hat es heute erlebt, wie die HandballFamilie zusammenhält und was sie bewirken kann“, sagte der HVSJugendkoordinator und Weltmeister von 2007, Christian Schwarzer. Gemeinsam mit HVS-Ehrenpräsident Hans-Joachim Müller hatte er das Festival federführend organisiert.
Den krönenden Abschluss des Tages bildete ein All-Star-Spiel zwischen einer Saarland-Auswahl und den Handball-All-Stars bestehend aus ehemaligen deutschen National- und Bundesligaspielern. Und die Liste derer, die sich für Deckarm auf den Weg ins Saarland gemacht
hatten, las sich wie die Ehrengalerie des deutschen Handballs. Es wirkte tatsächlich wie ein Familientreffen, bei dem in vielen Gesprächen Erinnerungen ausgetauscht und viel gelacht wurde. Der besondere Zusammenhalt war förmlich greifbar.
Ob Brand, Handball-Ikone Stefan Kretzschmar, Ex-Welttorhüter Henning Fritz und viele mehr: Sie alle waren Schwarzers Ruf gefolgt und boten tollen Sport. „Es tut ihm sehr gut, diese Anerkennung auch hier zu spüren“, sagte Brand. Ex-National
spieler Kretzschmar, heute Sportvorstand des Bundesligisten Füchse Berlin, betonte den „beispielhaften Kampf“Deckarms und die „positive Energie“, die er ausstrahle. Nach einem tragischen Unfall bei einem Spiel hatte Deckarm schwere Kopfverletzungen davongetragen und sich danach wieder ins Leben zurückgekämpft. Der ehemalige Trainer des Ex-Bundesligisten TV Niederwürzbach, Jörn-Uwe Lommel, brachte es in einem Satz auf den Punkt: „Heute hier zu sein, ist einfach zwingend für jeden, der diese Sportart liebt.“
Dass das saarländische Team aktueller und ehemaliger Bundesliga-Spieler wie Yves Kunkel, Marko Grgic, Amelie Berger und Jürgen Hartz sich am Ende mit 29:33 geschlagen geben musste, spielte nicht mal eine Nebenrolle. Dass gerade die saarländischen Hand
ball-Drittligisten HG Saarlouis und TV Homburg ihre Spieler abstellten, war auch keine Selbstverständlichkeit, zumal beide Teams an diesem Samstag in der Liga ranmüssen – die HG um 19.30 Uhr beim TV Aldekerk und der im Abstiegskampf stehende TVH im extrem wichtigen Heimspiel gegen Friesenheim/Hochdorf II (18.30 Uhr, Robert-Bosch-Halle).
„Es war ein würdiger Rahmen für Joachim Deckarm, und wir können uns beim Publikum dafür nur bedanken“, sagte Torhüter Henning Fritz. Der 49-Jährige stellte unter anderem mit einem gehaltenen Siebenmeter gegen Nationalspielerin Berger unter Beweis, dass er nichts von seinem Können verlernt hat. „Ich glaube, es ist kein Problem, wenn man gegen jemand wie ihn nicht trifft“, kommentierte die Nationalspielerin ihren Fehlwurf mit einem Lachen.
Besser als Berger machte es übrigens der frühere Fußball-Nationalspieler Stefan Kuntz – zumindest im zweiten Versuch. Der Neunkircher hatte die Handball-All-Stars auf ungewohntem Terrain verstärkt und trat zu einem Strafwurf an. Nach einem Fehlwurf durfte er im zweiten Anlauf den Fuß statt der Hand nehmen – und verwandelte prompt unter großem Jubel.
Es war nur eines von unzähligen Kabinettstückchen, die die Teams den Zuschauern bei bester Stimmung boten. Auch das familieninterne Duell zwischen Schwarzer und dessen Sohn Kian, der in der 2. Bundesliga für die Eulen Ludwigshafen spielt, lieferte an mancher Stelle ein unterhaltsames Scharmützel. Lediglich einmal verstummte die Halle für einen Moment, als Carlos Lima nach einer Verletzung am Boden lag. Gestützt auf seine Mitspieler und
HVS-Allstar Peter Sieberger, Mannschaftsarzt von Zweitligist Bayer Dormagen, musste er das Spielfeld verlassen – ein Wermutstropfen.
Einen besonderen Moment gab es in der Halbzeitpause, als Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) Joachim Deckarm den saarländischen Verdienstorden unter tosendem Applaus verlieh und dabei seine Lebensleistung als Sportler wie als Mensch hervorhob. Als nach Spielschluss Deckarm als Protagonist des Abends inmitten der Teams aufs Feld kam, brandete abermals großer Beifall auf. Aus den Boxen ertönte „Stand up for the Champions“– und die Halle erhob sich ein letztes Mal für einen der größten Champions, den der saarländische und der deutsche Sport je gesehen hat.
„Heute hier zu sein, ist einfach zwingend für jeden, der diese Sportart liebt.“Jörn-Uwe Lommel Ex-Trainer des früheren Bundesligisten TV Niederwürzbach