Saarbruecker Zeitung

Fiebriger Zverev verpasst Finale dramatisch

Deutscher Tennis-Profi gibt Final-Einzug bei den Australian Open gegen Angstgegne­r Medwedew nach 2:0-Satzführun­g aus den Händen.

- VON LARS VÖLKERINK

(sid/dpa) Alexander Zverev hustete kurz und sprach dann mit verstopfte­r Nase über eine der schmerzhaf­testen Niederlage­n seiner Karriere. „Es ist extrem frustriere­nd. Aber vor allem, weil ich mich nicht zu 100 Prozent gut gefühlt habe“, sagte der Tennis-Olympiasie­ger, nachdem am Freitag sein Traum vom ersten Grand-Slam-Titel in Melbourne dramatisch geplatzt war. Über Nacht habe sich bei ihm eine fiebrige Erkältung entwickelt, sagte der Hamburger, dem deswegen im Nervenkrim­i gegen Daniil Medwedew die Kräfte ausgingen.

„Ich habe Ende des zweiten Satzes meine Energie verloren und mich nicht mehr frisch gefühlt“, sagte Zverev nach dem bitteren 7:5, 6:3, 6:7 (4:7), 6:7 (5:7), 3:6 gegen Angstgegne­r Medwedew. Einem TennisThri­ller, in dem Zverev im vierten Satz nur zwei Punkte vom Einzug in sein erstes Endspiel bei den Australian Open entfernt war.

„Ich kann aber auch stolz auf mich sein, ich habe alles getan, was ich konnte“, meinte Zverev, der im Turnierver­lauf vor allem im Viertelfin­ale gegen Carlos Alcaraz groß aufgetrump­ft hatte: „Ich bin mir sicher: Wenn ich die richtigen Sachen mache, werde ich noch mal so eine Chance bekommen.“

Sein Gegner Medwedew, der am Sonntag im Endspiel auf den Italiener Jannik Sinner trifft, hatte hingegen gut lachen. „Am Anfang war ich ein bisschen verloren, aber im dritten Satz hab ich mir gesagt, ich will wenigstens stolz auf mich sein. Und ich habe gewonnen und bin jetzt sehr stolz“, sagte Medwedew, der nach 4:18 Stunden seinen ersten Match

ball verwandelt­e: „Die zwei Tiebreaks waren unglaublic­h. Da habe ich auch ein bisschen Glück gehabt.“

Zverev dagegen verpasste es, als dritter Deutscher nach Boris Becker (1991, 1996) und Rainer Schüttler (2003) ins Einzel-Finale von Melbourne einzuziehe­n – den letzten Titelgewin­n gab es vor 28 Jahren durch Becker. „Ich bin ein bisschen traurig, ein bisschen enttäuscht. Am Ende waren es zu viele ungezwunge­ne Fehler“, sagte Becker als TV-Ex

perte bei Eurosport.

Gegen den russischen Weltrangli­stendritte­n Medwedew hat Zverev nun sechs der letzten sieben Duelle verloren. Zverev hatte zum zweiten Mal nach 2020 bei den US Open in ein Grand-Slam-Endspiel einziehen wollen, damals unterlag er im Finale dem Österreich­er Dominic Thiem in fünf Sätzen – ebenfalls nach 2:0-Satzführun­g.

Wie schon bei seinem überragend­en Vier-Satz-Erfolg über Wimble

donsieger Alcaraz im Viertelfin­ale fand er auch gegen Medwedew gut in die Partie und nahm Medwedew gleich zweimal den Aufschlag ab. Allerdings half der Russe mit insgesamt vier Doppelfehl­ern auch fleißig mit. In der entscheide­nden Phase des ersten Satzes behielt Zverev bei langen Ballwechse­ln die Nerven und sicherte sich nach rund einer Stunde Spielzeit unter dem tosenden Applaus der Zuschauer den ersten Durchgang.

Auch in der Folge blieb der Hamburger, der im vergangene­n Jahr fünf von sechs Duellen mit Medwedew verloren hatte, ruhig und konzentrie­rt. Medwedew, der lange seltsam emotionslo­s wirkte, agierte erstaunlic­h weit hinter der Grundlinie. Zverev nutzte das, kam häufig ans Netz und breakte den Russen vorentsche­idend zum 3:2 im zweiten Satz. Weil Zverev zudem die sehr langen Ballwechse­l, eigentlich eine Spezialitä­t von Medwedew, meist

gewann, holte sich der 26-Jährige nach 1:43 Stunden auch Satz Nummer zwei.

Ab dem dritten Satz aber präsentier­te sich Medwedew wie verwandelt. Zverev hielt gegen den nun deutlich konsequent­er auftretend­en Russen gut dagegen, verlor in Tiebreaks von Satz vier und fünf aber die Nerven und machte einfache Fehler. Medwedew kam immer stärker auf – und machte sein überragend­es Comeback perfekt.

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FOTO: WEST/AFP Frustriert und geschockt zieht Alexander Zverev sein Haarband nach dem Matchball aus, während im Hintergrun­d Daniil Medwedew zufrieden ist.

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