Saarbruecker Zeitung

Was ein Trump-Sieg für Europa bedeuten würde

Die Weltlage ist fragil und die Sorge vor einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus groß. Was würde eine zweite TrumpPräsi­dentschaft für die Sicherheit Europas bedeuten? Welchen Einfluss hat er schon jetzt?

- VON MAGDALENA TRÖNDLE

(dpa) Weltpoliti­k machte der frühere US-Präsident Donald Trump einst per Twitter. Normen und Gepflogenh­eiten setzte er außer Kraft, und die USA stets an erste Stelle. In seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 kündigte der Republikan­er diverse internatio­nale Abkommen an, den Nato-Staaten drohte er mit dem Rückzug der USA aus dem Bündnis. Deutschlan­d ging er immer wieder scharf an, kritiklose­r war er im Umgang mit Russland. Mit China und der EU zettelte er Handelskon­flikte an. Was passiert, wenn der Ex-Präsident wieder ins Weiße Haus einzieht?

Natürlich ist längst nicht klar, ob der 77-Jährige es am Ende schaffen wird. Noch kämpft Trump bei den republikan­ischen Vorwahlen in den USA um die Kandidatur seiner Partei – bislang allerdings mit Erfolg. Derzeit deutet für die Präsidente­nwahl im November alles auf eine Neuauflage des Rennens zwischen ihm und dem demokratis­chen Amtsinhabe­r Joe Biden hin. Sollte Trump Biden am Ende schlagen und wieder US-Präsident werden, dürfte er in einer Welt, die ohnehin aus den Fugen geraten scheint, zusätzlich­es Chaos stiften.

Für die Sicherheit Europas hätte eine neue Außenpolit­ik Trumps mit Sicherheit dramatisch­e Folgen, allen voran für die Ukraine. Trump lehnt weitere US-Hilfen für das von Russland angegriffe­ne Land ab, sieht vielmehr die europäisch­en Länder in der Pflicht. Mit Autokraten wie dem russischen Präsidente­n Wladimir Pu

tin kommt er, wie er selbst sagt, besonders gut zurecht. Den Krieg könne er in 24 Stunden lösen, behauptete er mehrfach. Ohnehin brüstet sich der einstige Immobilien­mogul damit, ein Meister der Verhandlun­gen zu sein.

Die Historiker­in und Politikwis­senschaftl­erin Liana Fix vom Council on Foreign Relations, einer unabhängig­en Denkfabrik in Washington, rechnet damit, dass Trump Gespräche mit Moskau führen würde: „Es

ist anzunehmen, dass er versuchen wird, über den Kopf der Ukraine hinweg mit Russland zu verhandeln.“Trump könnte zum Beispiel einen Friedensde­al vorschlage­n unter der Bedingung, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenomme­n wird und akzeptiert, die von Russland besetzten Gebiete im Osten des Landes abzutreten.

Dies würde ganz neue Realitäten schaffen – nicht nur für die Ukraine, sondern in Europa insgesamt, sagt die Wissenscha­ftlerin. Sie meint, es hätte auch Auswirkung­en auf die Frage, wie selbstbewu­sst und aggressiv Russland sich über die Ukraine hinaus in Europa verhalten würde, gerade auch gegenüber Nato-Staaten.

Um die Nato zu schwächen, brauche es keinen formellen Rückzug der USA aus dem Bündnis, sagt Fix. Aus

reichend wäre ein Vertrauens­bruch, zum Beispiel durch einen Abzug aller US-Truppen aus Europa und ein Infrageste­llen von Artikel 5, der Beistandsv­erpflichtu­ng. Zwar könnte der Kongress versuchen zu intervenie­ren, am Ende habe aber der Präsident die militärisc­he Befehlsgew­alt, entscheide über die US-Truppenprä­senz und ihren möglichen Abzug. „Die Währung der Nato ist das gegenseiti­ge Vertrauen“, sagt Fix. Wäre das Vertrauen verloren, so wäre auch die Allianz geschwächt.

Dass Trump bereits jetzt einen langen Schatten vorauswirf­t, zeigt sich auf eindrückli­che Weise am innenpolit­ischen Streit über weitere USHilfen für die Ukraine. Bidens Regierung ist aufgrund einer Blockade im Parlament nicht in der Lage, der Ukraine militärisc­he Hilfen bereit

zustellen. Vor allem am Widerstand und mangelnder Kompromiss­bereitscha­ft der Republikan­er – insbesonde­re der Trump-Loyalisten – scheitert es. „Die Polarisier­ung, die Trump ins Land bringt, die Veränderun­g der Republikan­ischen Partei hin zu einer stärker isolationi­stischen Partei, die findet jetzt schon statt – da muss Trump noch nicht einmal Präsident sein“, sagt Fix.

Die Tatsache, dass Trump wieder gewählt werden könnte, beeinfluss­t aber nicht nur die Politik im Land, sondern auch die Entscheidu­ngen mächtiger Player auf der Weltbühne. Sie führt dazu, dass Regierunge­n gewisse Entscheidu­ngen verzögern – in der Erwartung, dass sie mit einem Präsidente­n Trump einen besseren Deal mit Washington aushandeln können.

Der Harvard-Professor Graham Allison analysiert in einem Beitrag für die Fachzeitsc­hrift Foreign Policy beispielha­ft Putins Kalkül. In den Monaten, als sich in der Ukraine eine Pattsituat­ion abzeichnet­e, wuchsen die Spekulatio­nen über die Bereitscha­ft des Kremlchefs, den Krieg zu beenden, schreibt er. Nun aber dürfte Putin auf einen Präsidente­n Trump hoffen. Die Chancen stehen gut, dass Trump Bedingunge­n schaffen wird, die für Putin viel vorteilhaf­ter sind als all jene, die Biden heute anbieten kann und denen der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj zu diesem Zeitpunkt zustimmen würde. „Aus Putins Perspektiv­e macht es überhaupt keinen Sinn, irgendwelc­he Zugeständn­isse zu machen vor den Wahlen“, sagt Fix.

Klar ist, dass sich unter Trump der Charakter der transatlan­tischen Beziehunge­n verändern würde. Trump habe in seiner ersten Amtszeit einen Umgang mit Europa gepflegt, der vorwiegend interessen­geleitet war und weniger auf einer gemeinsame­n Wertebasis beruhte, sagt Fix. „Das bedeutet, dass er immer etwas im Gegenzug haben wollte für aus seiner Sicht Zugeständn­isse, die er den europäisch­en Partnern gemacht hat.“Dabei werde es bleiben. „Europäer werden Partner unter vielen sein, mit denen Trump Deals aushandeln wird.“Dass Trump die Europäer dabei mehr wertschätz­en wird als zum Beispiel Autokratie­n, mit denen er gleicherma­ßen versucht, Geschäfte zu machen – eher unwahrsche­inlich.

Und wenn Trump ins Amt zurückkehr­en sollte, dann selbstbewu­sster denn je – als einer, der sich gegen alle Widerständ­e durchgeset­zt hat, und jene eines Besseren belehrt, die dachten, er sei ein Ausrutsche­r der Geschichte gewesen. „Beim ersten Mal kann man noch sagen: Das ist die Ausnahme von der Regel, und die Außenpolit­ik wird weiterhin verlässlic­h bleiben“, sagt Fix. „Beim zweiten Mal muss man schon fragen, ob Trump nicht die neue Regel ist.“

„Es ist anzunehmen, dass er versuchen wird, über den Kopf der Ukraine hinweg mit Russland zu verhandeln.“Liana Fix Historiker­in und Politikwis­senschaftl­erin

 ?? FOTO: ROURKE/AP ?? Sollte Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen, hätte das Auswirkung­en auf die Beziehung zwischen Europa und den USA.
FOTO: ROURKE/AP Sollte Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen, hätte das Auswirkung­en auf die Beziehung zwischen Europa und den USA.

Newspapers in German

Newspapers from Germany