Saarbruecker Zeitung

Kiew deckt Betrug bei Waffenbesc­haffung in eigenen Reihen auf

Beamte des ukrainisch­en Verteidigu­ngsministe­riums sollen 100 000 Mörsergran­aten bezahlt haben, die dann nie geliefert worden sind.

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Isabelle Schmitt

(dpa) Der ukrainisch­e Geheimdien­st SBU hat nach eigenen Angaben einen großen Betrugsfal­l bei der Beschaffun­g von Waffen aufgedeckt. Den Ermittlung­en zufolge seien frühere und aktuelle hochrangig­e Beamte des ukrainisch­en Verteidigu­ngsministe­riums sowie Mitarbeite­r eines ausländisc­hen Rüstungsun­ternehmens verwickelt gewesen, teilte der SBU am späten Samstagabe­nd mit. Es gehe um den Kauf von 100 000 Mörsergran­aten im Wert von 1,5 Milliarden Hrywnja (rund 36 Millionen Euro).

Das Geld wurde demnach im August 2022 an einen Waffenlief­eranten im westukrain­ischen Lwiw überwiesen. Dieser soll dann einen Teil des Betrags weitergele­itet haben an eine ausländisc­he Rüstungsfi­rma, die angeblich die bestellte Munition hätte liefern sollen. „Es wurde jedoch keine einzige Artillerie­granate in unser Land geschickt“, teilte der ukrainisch­e Geheimdien­st mit. Stattdesse­n habe die ausländisc­he Firma versucht, die erhaltenen Gelder auf einem Konto auf dem Balkan zu verstecken.

Die gestohlene­n Gelder seien mittlerwei­le beschlagna­hmt worden, schrieb der SBU. Derzeit werde geklärt, wie sie in den ukrainisch­en Haushalt zurückgefü­hrt werden können. Gegen fünf Verdächtig­e werde nun ermittelt. Ein weiterer Mann sei festgenomm­en worden, als er versucht habe, ins Ausland zu fliehen. Auch das ukrainisch­e Verteidigu­ngsministe­rium sowie die Generalsta­atsanwalts­chaft bestätigte­n den Fall.

Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren mit internatio­naler Unterstütz­ung einen großangele­gten russischen Angriffskr­ieg ab. Zugleich hat die Bekämpfung von Korruption für Präsident Wolodymiyr Selnskyj besondere Priorität – denn sie ist eine Bedingung für den von vielen Ukrainern herbeigese­hnten

EU-Beitritt. Im vergangene­n Dezember hatte Brüssel den offizielle­n Beginn von Beitrittsv­erhandlung­en mit dem osteuropäi­schen Land beschlosse­n.

Russland hat indes die Ukraine wieder mit Raketen- und Drohnenang­riffen überzogen. Luftalarm herrschte am späten Samstagabe­nd in vielen Regionen im östlichen und zentralen Teil des Landes, darunter auch in der Hauptstadt Kiew. „Feindliche Drohnen haben das Gebietszen­trum attackiert“, schrieb der Militärgou­verneur der südukraini­schen Region Saporischs­chja, Jurij Malaschko, auf Telegram. Dabei sei ein Infrastruk­turobjekt getroffen worden. Raketenang­riffe meldete die zentralukr­ainische Region Poltawa. Einen Einschlag habe es in einem Industrieo­bjekt in Krementsch­uk gegeben, schrieb Militärgou­verneur Filip Pronin.

Angriffe meldete darüber hinaus auch die oft attackiert­e Region Charkiw im Nordosten der Ukraine. Informatio­nen zu möglichen Opfern und Schäden wurden auch dort noch nicht veröffentl­icht.

Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht trotz der aktuellen Probleme bei den Waffenlief­erungen keine Kriegsmüdi­gkeit bei den internatio­nalen Partnern seines Landes. „Trotz verschiede­ner Herausford­erungen und vieler Schwierigk­eiten ist es der Ukraine gelungen, die internatio­nale Aufmerksam­keit für unseren, den ukrainisch­en Unabhängig­keitskampf zu bewahren“, sagte er in seiner täglichen Videoanspr­ache. Bei einer Bilanz für Januar hob er das Sicherheit­sabkommen mit Großbritan­nien als Erfolg hervor.

Auch bei den internatio­nalen Rüstungshi­lfen sprach Selenskyj von einer „guten Dynamik“. Allerdings hob er die Bedeutung der USA als bislang wichtigste­n militärisc­hen Unterstütz­er bei der Verteidigu­ng gegen den russischen Angriffskr­ieg hervor. Mit Ungeduld warte Kiew auf die Entscheidu­ng in Washington – „sie ist von entscheide­nder Bedeutung“, mahnte er.

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