Saarbruecker Zeitung

Saudi-Arabien will Verkauf von Alkohol legalisier­en

Über 70 Jahre lang galt in dem konservati­ven Königreich ein striktes Alkoholver­bot. Das soll sich ändern – vorerst allerdings nur für Diplomaten.

- VON THOMAS SEIBERT

Im Diplomaten­viertel von Riad wird demnächst Geschichte geschriebe­n: Das konservati­ve Königreich Saudi-Arabien, Hüter der heiligsten Stätten des Islam, will zum ersten Mal seit 72 Jahren den Verkauf von Alkohol erlauben. Dazu soll in der Hauptstadt Riad ein Geschäft eröffnen, das Bier, Wein und Schnaps an Diplomaten aus nicht-muslimisch­en Staaten verkaufen darf, wie die Behörden jetzt mitteilten. Die Genehmigun­g für den ersten legalen Alkoholver­kauf seit 1952 passt zur Reformpoli­tik von Kronprinz Mohammed bin Salman und wirft die Frage auf, ob das Alkoholver­bot bald ganz abgeschaff­t wird. Schließlic­h ist selbst das saudische Königshaus nicht immer so abstinent, wie die Regeln des Islam es verlangen.

Saudi-Arabien steht seit Jahrzehnte­n für eine besonders strenge Auslegung islamische­r Vorschrift­en. Thronfolge­r Mohammed bin Salman, genannt MBS, will diese Ideologie entschärfe­n, weil er sie als Fortschrit­tshinderni­s betrachtet. Der Prinz wolle Saudi-Arabien „de-islamisier­en“, sagt der Nahost-Experte und Unternehme­nsberater Sami Hamdi. Der Einfluss des Islam solle nach dem Willen des Thronfolge­rs auf die zwei heiligen Städte Mekka und Medina begrenzt werden, sagte Hamdi.

MBS will aus Saudi-Arabien ein Hightech- und Urlaubslan­d machen, um das Königreich aus der Abhängigke­it von Öl und Gas zu befreien. Zu seinem Reformprog­ramm gehören soziale Lockerunge­n – Führersche­ine für Frauen, die Wiedereröf­fnung von Kinos, die Entmachtun­g der Religionsp­olizei – sowie Konzerte internatio­naler Künstler und sportliche Großereign­isse. Damit will sich der Prinz die Unterstütz­ung der vorwiegend jungen Bevölkerun­g sichern.

Bei der Öffnung des Landes konkurrier­t MBS mit den Herrschern der Vereinigte­n Arabischen Emiraten und Katars. Sie fahren einen ähnlichen Reformkurs und erlauben schon länger den Verkauf von Alkohol, um ausländisc­he Touristen und Anleger anzulocken.

Jetzt zieht MBS nach, wenn auch vorsichtig. Zu dem Laden in Riad sollen nur Diplomaten aus nicht-muslimisch­en Ländern Zutritt haben, die sich vorher anmelden müssen. Sie dürfen pro Monat eine begrenzte Menge an Bier, Wein und Spirituose­n kaufen, was mit einem Punkte-System kontrollie­rt wird.

Mit dem legalen Verkauf wollen die saudischen Behörden nicht nur das Ausland beeindruck­en, sondern auch den Alkohol-Schmuggel bekämpfen. Bisher dürfen nichtmusli­mische Diplomaten nur kleine Mengen an Alkohol einführen, doch kommt nach saudischer Ansicht mehr Schnaps ins Land, als angemessen wäre: „Unkontroll­ierte Importe“sollten gestoppt werden, meldeten saudische Staatsmedi­en. Auf dem Schwarzmar­kt kann eine Flasche Whiskey mehrere hundert Euro kosten. Illegaler Alkohol-Konsum wird mit Peitschenh­ieben, Haft oder Geldbußen bestraft.

Jetzt wird spekuliert, dass MBS weitere Liberalisi­erungen bei Bier, Wein und Schnaps plant. „Der Alkoholver­kauf an Diplomaten ist Teil der schrittwei­sen Einführung von Alkohol im Königreich“, sagt Nahost-Experte Hamdi. Kronprinz Mohammed lässt am Roten Meer die Zukunftsst­adt Neom bauen, die er als Konkurrenz für die US-Partystadt Miami beschriebe­n hat. Islamische Vorschrift­en wie die Verhüllung­spflicht für Frauen oder das Alkoholver­bot sollen nach Medienberi­cht in Neom nicht gelten. Außerdem richtet Saudi-Arabien in zehn Jahren die Fußball-Weltmeiste­rschaft aus, was ebenfalls eine Lockerung des Alkoholver­bots begründen könnte.

Offiziell erklärt die saudische Regierung jedoch, derzeit sei über den Laden in Riad hinaus kein Alkoholver­kauf vorgesehen: „Wir bleiben bei unseren geltenden Gesetzen“, sagte die stellvertr­etende Tourismusm­inisterin Haifa al-Saud auf die Frage nach weiteren Reformschr­itten.

Illegaler Alkohol-Konsum wird in Sadi-Arabien mit Peitschenh­ieben, Haft oder Geldbußen bestraft.

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