Saudi-Arabien will Verkauf von Alkohol legalisieren
Über 70 Jahre lang galt in dem konservativen Königreich ein striktes Alkoholverbot. Das soll sich ändern – vorerst allerdings nur für Diplomaten.
Im Diplomatenviertel von Riad wird demnächst Geschichte geschrieben: Das konservative Königreich Saudi-Arabien, Hüter der heiligsten Stätten des Islam, will zum ersten Mal seit 72 Jahren den Verkauf von Alkohol erlauben. Dazu soll in der Hauptstadt Riad ein Geschäft eröffnen, das Bier, Wein und Schnaps an Diplomaten aus nicht-muslimischen Staaten verkaufen darf, wie die Behörden jetzt mitteilten. Die Genehmigung für den ersten legalen Alkoholverkauf seit 1952 passt zur Reformpolitik von Kronprinz Mohammed bin Salman und wirft die Frage auf, ob das Alkoholverbot bald ganz abgeschafft wird. Schließlich ist selbst das saudische Königshaus nicht immer so abstinent, wie die Regeln des Islam es verlangen.
Saudi-Arabien steht seit Jahrzehnten für eine besonders strenge Auslegung islamischer Vorschriften. Thronfolger Mohammed bin Salman, genannt MBS, will diese Ideologie entschärfen, weil er sie als Fortschrittshindernis betrachtet. Der Prinz wolle Saudi-Arabien „de-islamisieren“, sagt der Nahost-Experte und Unternehmensberater Sami Hamdi. Der Einfluss des Islam solle nach dem Willen des Thronfolgers auf die zwei heiligen Städte Mekka und Medina begrenzt werden, sagte Hamdi.
MBS will aus Saudi-Arabien ein Hightech- und Urlaubsland machen, um das Königreich aus der Abhängigkeit von Öl und Gas zu befreien. Zu seinem Reformprogramm gehören soziale Lockerungen – Führerscheine für Frauen, die Wiedereröffnung von Kinos, die Entmachtung der Religionspolizei – sowie Konzerte internationaler Künstler und sportliche Großereignisse. Damit will sich der Prinz die Unterstützung der vorwiegend jungen Bevölkerung sichern.
Bei der Öffnung des Landes konkurriert MBS mit den Herrschern der Vereinigten Arabischen Emiraten und Katars. Sie fahren einen ähnlichen Reformkurs und erlauben schon länger den Verkauf von Alkohol, um ausländische Touristen und Anleger anzulocken.
Jetzt zieht MBS nach, wenn auch vorsichtig. Zu dem Laden in Riad sollen nur Diplomaten aus nicht-muslimischen Ländern Zutritt haben, die sich vorher anmelden müssen. Sie dürfen pro Monat eine begrenzte Menge an Bier, Wein und Spirituosen kaufen, was mit einem Punkte-System kontrolliert wird.
Mit dem legalen Verkauf wollen die saudischen Behörden nicht nur das Ausland beeindrucken, sondern auch den Alkohol-Schmuggel bekämpfen. Bisher dürfen nichtmuslimische Diplomaten nur kleine Mengen an Alkohol einführen, doch kommt nach saudischer Ansicht mehr Schnaps ins Land, als angemessen wäre: „Unkontrollierte Importe“sollten gestoppt werden, meldeten saudische Staatsmedien. Auf dem Schwarzmarkt kann eine Flasche Whiskey mehrere hundert Euro kosten. Illegaler Alkohol-Konsum wird mit Peitschenhieben, Haft oder Geldbußen bestraft.
Jetzt wird spekuliert, dass MBS weitere Liberalisierungen bei Bier, Wein und Schnaps plant. „Der Alkoholverkauf an Diplomaten ist Teil der schrittweisen Einführung von Alkohol im Königreich“, sagt Nahost-Experte Hamdi. Kronprinz Mohammed lässt am Roten Meer die Zukunftsstadt Neom bauen, die er als Konkurrenz für die US-Partystadt Miami beschrieben hat. Islamische Vorschriften wie die Verhüllungspflicht für Frauen oder das Alkoholverbot sollen nach Medienbericht in Neom nicht gelten. Außerdem richtet Saudi-Arabien in zehn Jahren die Fußball-Weltmeisterschaft aus, was ebenfalls eine Lockerung des Alkoholverbots begründen könnte.
Offiziell erklärt die saudische Regierung jedoch, derzeit sei über den Laden in Riad hinaus kein Alkoholverkauf vorgesehen: „Wir bleiben bei unseren geltenden Gesetzen“, sagte die stellvertretende Tourismusministerin Haifa al-Saud auf die Frage nach weiteren Reformschritten.
Illegaler Alkohol-Konsum wird in Sadi-Arabien mit Peitschenhieben, Haft oder Geldbußen bestraft.