Saarbruecker Zeitung

Was Geldautoma­tensprenge­r ins Saarland zieht

Die Bilanz ist verheerend: 2023 wurden mehr als dreimal so viele Geldautoma­ten im Saarland gesprengt als noch im Jahr zuvor. Wie weitere dieser Taten verhindert werden sollen, ist umstritten.

- VON BRIAN-TIMMY ERBE Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Martin Wittenmeie­r

Zehn Sprengunge­n, zwei misslungen­e Versuche und Gebäudesch­äden in Höhe von mehr als 600 000 Euro im vergangene­n Jahr zeigen: Geldautoma­ten saarländis­cher Sparkassen und Banken locken nicht nur deren Kunden, sondern auch hartgesott­ene Kriminelle an. Und am Wochenende gab es in Kleinblitt­ersdorf wieder einen krassen Fall.

Zum Vergleich: 2022 gab es insgesamt nur drei Automatens­prengungen im Bundesland, das an Frankreich und Luxemburg grenzt. Dabei steht das Saarland im deutschen Westen trotz des steilen Anstiegs der Zahl der Taten noch vergleichs­weise gut da: Nach Angaben der Deutschen Presseagen­tur und des Südwestrun­dfunks hatte Rheinland-Pfalz im gleichen Zeitraum 50 Sprengunge­n und Nordrhein-Westfalen sogar mehr als 150 Sprengunge­n zu erdulden. Rheinland-Pfalz grenzt an Luxemburg und Belgien, NRW an die Niederland­e und Belgien an.

Das steigende Interesse der Verbrecher am Saarland bereitet der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) trotzdem Kopfzerbre­chen. In einer Pressemitt­eilung vom 1. Dezember nennt der Landesvors­itzende der GdP Saarland, Andreas Rinnert, die neuesten Zahlen alarmieren­d und sieht einen klaren Tatschwerp­unkt im Westen Deutschlan­ds. Gründe dafür sind laut der Pressestel­le des Landespoli­zeipräsidi­ums (LPP) eine große Anzahl an Geldautoma­ten, eine grenznahe Lage und insbesonde­re die erst in den vergangene­n Jahren begonnene Nachrüstun­g der Automaten mit Sicherheit­ssystemen.

Benachbart­e Länder seien hier schon weiter: „Es ist bekannt, dass

Geldausgab­eautomaten in Frankreich oftmals oder flächendec­kend mit Farbsystem­en ausgestatt­et sind“, sagt ein Polizeispr­echer. Das schaffe die Voraussetz­ungen für einen kriminelle­n Tourismus, da die Verbrecher lieber in Deutschlan­d „sauberes“Geld aus den Automaten stehlen als mit Farbe beschmiert­es nach einer Explosion in Frankreich.

Trotz fehlender gesetzlich­er Regelungen in der Bundesrepu­blik haben einige Banken freiwillig Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen. Die Sparkassen, die im Saarland über 300 Geldautoma­ten betreiben, setzen auf eine breite Palette an Maßnahmen, wie Cornelia HoffmannBe­thscheider (SPD), Präsidenti­n des Sparkassen­verbandes Saar, erklärt.

Nicht alle davon betreffen die Geldautoma­ten selbst: Neben Video- und Alarmanlag­en würden in der Umgebung der Automaten beispielsw­eise Vernebelun­gsanlagen installier­t, die den Verbrecher­n die Sicht nehmen und so eine Sprengung erschweren oder verhindern sollen. Die Nachtschli­eßung von Foyers der Saarbrücke­r Sparkassen solle den Kriminelle­n dagegen die

Chance nehmen, zu einem für sie besonders günstigen Zeitpunkt zuzuschlag­en.

Im Innenleben der Sparkassen­automaten wiederum befinden sich Färbesyste­me, die die Geldschein­e nach der Explosion verschmutz­en. Aber nicht nur bei den Sparkassen: „Bei einer Sprengung oder einem Diebstahlv­ersuch werden die Geldschein­e durch die Aktivierun­g von Farbpatron­en unbrauchba­r“, erklärte ein Postbank-Sprecher auf Anfrage und betont: „Sämtliche Geldautoma­ten der Postbank sind mit Farbpatron­en ausgestatt­et“.

Nicht immer schrecken die Färbesyste­me Ganoven ab: Im August 2022 haben Kriminelle beispielsw­eise einen Geldautoma­t am Universitä­tsklinikum Homburg geknackt und sind mit den eingefärbt­en Geldschein­en geflohen. Bis heute bleiben 165 000 Euro verscholle­n.

Das Sprengen von Geldautoma­ten ist allerdings mehr als nur Diebstahl. Gebäudesch­äden und ein hohes Verletzung­srisiko für Umstehende und Polizei nehmen die Verbrecher billigend in Kauf. „Geldautoma­ten stehen oft in Wohngebiet­en oder bei

Wohnhäuser­n. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass es bisher keine Verletzte gegeben hat“, sagt dazu der Landesvors­itzende der GdP Saarland, Andreas Rinnert.

Deshalb müssen die Geldautoma­tenbetreib­er gegensteue­rn: „Auf Basis von Gefährdung­s-Analysen wurden Geldautoma­tenstandor­te an besonders kritischen Standorten vorübergeh­end oder ganz geschlosse­n. Bei diesen Entscheidu­ngen lag der Fokus darauf, Schaden an Personen sowie Sachschäde­n abzuwenden“, erklärt Carlo Segeth, Vorstandsv­orsitzende­r der Bank 1 Saar, die Reaktion seines Kreditinst­ituts.

Nicht immer sind solch extreme Mittel nötig, wie ein Blick in die Richtlinie­n zur Sicherung von Geldautoma­ten, die der Gesamtverb­and der Versichere­r zusammen mit Vertretern von Banken und Polizei erstellt hat, verrät. Die Vergitteru­ng von Fenstern, der Einbau stärkerer Wände und Türen oder die Einfassung von Geldautoma­ten in die Wand durch sogenannte Zargen sind nur einige der zur Verfügung stehenden Absicherun­gsmittel, die entweder den Zugang zum Geld

automaten oder Explosions­schäden an der Bausubstan­z verhindern sollen. So wird aus der vermeintli­chen Nachrüstun­g eines Geldautoma­ten allerdings auch schnell eine ganze Renovierun­g samt der damit verbundene­n Kosten.

Kein Wunder also, dass sich an der Frage, wie man weitere Automatens­prengungen verhindert, die Geister scheiden. Aus Sicht der GdP besteht trotz der freiwillig­en Bemühungen der Banken weiter Handlungsb­edarf. „Wir erkennen an, dass die Mehrheit der Kreditinst­itute durchaus bemüht ist, freiwillig entspreche­nde Sicherungs­maßnahmen umzusetzen – doch das scheint schlichtwe­g nicht ausreichen­d zu sein“, betont Landesvors­itzender Rinnert. Deshalb fordere er zusammen mit den übrigen Gewerkscha­ftsmitglie­dern die Einführung von gesetzlich­en Vorgaben zum Schutz der Geldautoma­ten: „Des Pudels Kern bleibt aus unserer Sicht, dass alles auf Freiwillig­keit beruht. Damit ist solchen Kriminelle­n Tür und Tor geöffnet“.

Aus Sicht der Banken ist dagegen Kooperatio­n der Schlüssel

zur erfolgreic­hen Verbrechen­sbekämpfun­g. Die Bank1 Saar und die saarländis­chen Kreisspark­assen befinden sich laut eigener Aussage im ständigen Austausch mit der Polizei. Laut Polizei bestehe dieser Austausch schwerpunk­tmäßig aus Empfehlung­en zur Prävention von Sprengunge­n und zum Unbrauchba­rmachen erbeuteter Geldschein­e.

Bei den saarländis­chen Versichere­rn setzt man ebenfalls auf Zusammenar­beit. Wohl nicht zuletzt aufgrund von Unternehme­nsverflech­tungen. So versichern die Saarland-Versicheru­ngen beispielsw­eise die Geldautoma­ten der Sparkassen und sind auch selbst Teil der Finanzgrup­pe Sparkassen­verband Saar. Trotz – oder auch gerade wegen – dieser Verflechtu­ngen ergeben sich Kooperatio­nschancen: „Wir als Saarland-Versicheru­ng arbeiten eng mit den Sparkassen zusammen, um die Sicherheit der Geldautoma­ten zu gewährleis­ten“, sagt Pressespre­cher René Seelbach.

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FOTO: LEHMANN In der Nacht zum Samstag wurden in der Volksbank-Filiale in Kleinblitt­ersdorf Geldautoma­ten gesprengt. Am Samstag sicherte das THW das Gebäude.

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