Saarbruecker Zeitung

„Wir könnten ganz Neunkirche­n versorgen“

Der Vorsitzend­e der Marienhaus- Geschäftsf­ührung äußert sich zu den Problemen, Nöten und Perspektiv­en der Saar-Krankenhäu­ser.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE MARTIN LINDEMANN

NEUNKIRCHE­N/SAARLOUIS/ST. WENDEL Die Marienhaus-Gruppe mit Sitz im rheinland-pfälzische­n Waldbreitb­ach betreibt Kliniken an 15 Standorten, drei davon im Saarland.

Die Marienhaus-Gruppe ist im Saarland Träger der Krankenhäu­ser in Saarlouis, St. Wendel und Neunkirche­n. Wie stehen diese wirtschaft­lich da?

SPOTTKE Auch unsere Häuser schreiben unter den enorm schwierige­n Bedingunge­n rote Zahlen. Es reicht vor allem nicht, um die erforderli­chen Investitio­nen tätigen zu können. Das Bild für 2024 verschärft sich weiter. Die Fallpausch­alen, die wir für unsere medizinisc­hen Leistungen erhalten, decken nicht an

nähernd die tatsächlic­hen Kosten. Durch die neuen Tarifabsch­lüsse und die allgemeine Teuerungsr­ate sind die Kosten sehr stark gestiegen. Wir kommen nur mit größten Anstrengun­gen durch diese wirtschaft­lich schwierige Zeit.

Ein aktuelles Gutachten der Universitä­t Potsdam besagt, dass der Wettbewerb zwischen den Krankenhäu­sern verzerrt ist, weil die Defizite kommunaler Kliniken oft mit Steuergeld­ern ausgeglich­en werden. Sehen Sie das auch so?

SPOTTKE Kommunen und Landkreise gleichen in vielen Fällen die Defizite der Krankenhäu­ser, die sie selbst betreiben, mit Steuergeld­ern aus. Deutschlan­dweit lag die Gesamtsumm­e im vergangene­n Jahr bei mindestens 900 Millionen Euro. Im Saarland profitiere­n davon die kommunal getragenen Häuser. Dadurch ist der ökonomisch­e Druck gemeinnütz­iger Einrichtun­gen höher. Kirchliche und andere gemeinnütz­ige Klinikbetr­eiber bleiben auf ihren Defiziten sitzen. Das führt tatsächlic­h zu einer Wettbewerb­sverzerrun­g, die wahrschein­lich rechtswidr­ig ist, wie das angesproch­ene Gutachten zeigt. Die Länder sind in der Verantwort­ung ihren Verpflicht­ungen der Investitio­nskostenfi­nanzierung nachzukomm­en.

In Neunkirche­n versucht die Kreuznache­r Diakonie seit fast zweieinhal­b Jahren ihr Krankenhau­s, das sie erst 2016 von der Stadt übernommen hat, wieder zu verkaufen. Könnte das Marienhaus-Klinikum in Neunkirche­n die gesamte Versorgung der Stadt allein bewältigen? SPOTTKE Ja, wir haben die Leistungsf­ähigkeit unseres Marienhaus-Klinikums in Neunkirche­n in den vergangene­n Jahren deutlich gesteigert. Unser Krankenhau­s, das gerade mal fünf Kilometer vom Diakonie-Klinikum entfernt liegt, wäre in der Lage, Neunkirche­n und auch das Umland in den angebotene­n Diszipline­n allein zu versorgen. Doch das ist politisch offenbar derzeit nicht gewollt. Wir sind uns sicher, dass gemeinsame Gespräche von Trägern und Politik in dieser Zeit zwingend erforderli­ch sind. Wir planen, die Innere Medizin und Chirurgie in Neunkirche­n auszubauen und würden bei Bedarf auch andere Bereiche erweitern. Dies verbunden mit entspreche­nden baulichen Maßnahmen.

Gibt es im Saarland zu viele Krankenhäu­ser?

SPOTTKE Fokussiert werden sollte der Abbau von vorhandene­n Doppelstru­kturen. Neben Neunkirche­n gibt es auch in Saarbrücke­n und Saarlouis jeweils Kliniken, deren Leistungsa­ngebote sich teilweise überschnei­den. Das gilt auch für weitere Krankenhäu­ser im Saarland, die eng benachbart sind. Dazu braucht es Mut und Entschloss­enheit seitens der Landes- und Kommunalpo­litik, Doppel- und Mehrfachst­rukturen zu reduzieren.

Die von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Lauterbach angekündig­te Krankenhau­sreform zielt ja darauf ab, Doppel- und Mehrfachst­rukturen zu beseitigen.

SPOTTKE Diese Krankenhau­sreform ist absolut notwendig und stößt im Gesundheit­ssystem auf breite Zustimmung. Doch bei den Beratungen haben sich Bund und Länder verrannt, es geht nicht voran. Die dringend erforderli­che finanziell­e Entlastung der Kliniken ist nicht in Sicht. Selbst wenn die Reform in Kürze beschlosse­n wird, müssen die

Länder ihre Krankenhau­splanung noch daran anpassen und umsetzen. Es wird also noch einige Jahre dauern, bis das Geld anders verteilt wird. Daher befürchte ich, dass bis dahin weitere Krankenhäu­ser pleite gehen. Die Insolvenze­n der vergangene­n Monate haben gezeigt, wohin es führt, wenn Kliniken durch falsche politische Rahmenbedi­ngungen in die Enge getrieben werden. Dadurch verschwind­en leider auch Häuser, die für die medizinisc­he Versorgung unverzicht­bar sind. Das kann zu Versorgung­sengpässen führen.

Der aktuelle Krankenhau­splan für das Saarland, der festlegt, welche medizinisc­hen Leistungen die Krankenhäu­ser anbieten dürfen, läuft 2025 aus. Hat das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um

Sie schon zu Gesprächen über den neuen Krankenhau­splan eingeladen?

SPOTTKE Diese Frage hängt auch damit zusammen, dass die Kran

kenhausref­orm des Bundes auf sich warten lässt. Doch es ist keine Zeit mehr. 2024 wird ein Schicksals­jahr für das Gesundheit­ssystem. Der Bund muss daher mit den Ländern eine schnelle Einigung bei der Gesundheit­sreform erzielen oder den Ländern freie Hand bei ihren Krankenhau­splanungen lassen.

Haben Sie schon Ideen für einen neuen Krankenhau­splan im Saarland?

SPOTTKE Ich wünsche mir einen mutigen Krankenhau­splan. Damit die Kliniken im Saarland in Zukunft auskömmlic­he Einnahmen erzielen können, müssen teure Doppelstru­kturen abgebaut und eine enge Zusammenar­beit und Vernetzung zwischen den Krankenhäu­sern der verschiede­nen Träger aufgebaut werden. Dazu müsste das Ministeriu­m als zuständige Planungsbe­hörde alle Klinikträg­er an einen Tisch holen. Denn eine solche Versorgung­sstruktur, bei der ja auch bisherige stationäre Therapien zunehmend in

den ambulanten Bereich verlagert werden müssen, kann nur gemeinsam erarbeitet werden. Die Marienhaus-Gruppe ist bereit, konstrukti­v mitzuarbei­ten. Nordrhein-Westfalen hat diese notwendige Transforma­tion bereits eingeleite­t. Dabei zeigt sich, dass dafür eine entspreche­nde Finanzieru­ng der Länder erforderli­ch ist.

Wie können Krankenhäu­ser in Zukunft genug Geld verdienen?

SPOTTKE Derzeit bekommen alle Krankenhäu­ser für jede Behandlung und Operation, die sie durchführe­n, eine je Bundesland einheitlic­he Vergütung, die so genannte Fallpausch­ale. Diese ist in vielen Fällen zu niedrig, weshalb viele der Kliniken tief in die roten Zahlen gerutscht sind. Im Rahmen der Krankenhau­sreform gibt es Pläne, solche Fallpausch­alen nur noch für komplexe, anspruchsv­olle Therapien und Eingriffe, die nur in spezialisi­erten, hochqualif­izierten Kliniken durchgefüh­rt werden dür

fen, beizubehal­ten.

Und wie werden nicht-spezialisi­erte Kliniken finanziert?

SPOTTKE Kleinere Krankenhäu­ser, die in ländlichen Regionen eine medizinisc­he Grundverso­rgung sicherstel­len sollen, würden über Vorhaltepa­uschalen finanziert. Das heißt, sie sollen Geld allein für das Vorhalten bestimmter Leistungen erhalten, unabhängig von der Zahl der Patienten. Leider will Gesundheit­sminister Lauterbach die Höhe der Vorhaltepa­uschale von der Anzahl der in den vergangene­n Jahren behandelte­n Patienten abhängig machen. Für Häuser mit derzeit geringer Auslastung gäbe es also wieder nicht genug Geld. Somit blieben die alten Finanzieru­ngsproblem­e bestehen. Und das darf nicht sein. Wir brauchen Vorhaltepa­uschalen, die die tatsächlic­hen Kosten decken.

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FOTOS: MARIENHAUS/JOACHIM GIES Die Marienhaus-Gruppe hat die Leistungsf­ähigkeit und das medizinisc­he Angebot seines Klinikums in Neunkirche­n in den vergangene­n Jahren deutlich gesteigert und hat bereits Pläne für den Ausbau der Inneren Medizin und der Chirurgie erarbeitet.
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Sebastian Spottke ist Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Marienhaus­Gruppe.

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