„Wir könnten ganz Neunkirchen versorgen“
Der Vorsitzende der Marienhaus- Geschäftsführung äußert sich zu den Problemen, Nöten und Perspektiven der Saar-Krankenhäuser.
NEUNKIRCHEN/SAARLOUIS/ST. WENDEL Die Marienhaus-Gruppe mit Sitz im rheinland-pfälzischen Waldbreitbach betreibt Kliniken an 15 Standorten, drei davon im Saarland.
Die Marienhaus-Gruppe ist im Saarland Träger der Krankenhäuser in Saarlouis, St. Wendel und Neunkirchen. Wie stehen diese wirtschaftlich da?
SPOTTKE Auch unsere Häuser schreiben unter den enorm schwierigen Bedingungen rote Zahlen. Es reicht vor allem nicht, um die erforderlichen Investitionen tätigen zu können. Das Bild für 2024 verschärft sich weiter. Die Fallpauschalen, die wir für unsere medizinischen Leistungen erhalten, decken nicht an
nähernd die tatsächlichen Kosten. Durch die neuen Tarifabschlüsse und die allgemeine Teuerungsrate sind die Kosten sehr stark gestiegen. Wir kommen nur mit größten Anstrengungen durch diese wirtschaftlich schwierige Zeit.
Ein aktuelles Gutachten der Universität Potsdam besagt, dass der Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern verzerrt ist, weil die Defizite kommunaler Kliniken oft mit Steuergeldern ausgeglichen werden. Sehen Sie das auch so?
SPOTTKE Kommunen und Landkreise gleichen in vielen Fällen die Defizite der Krankenhäuser, die sie selbst betreiben, mit Steuergeldern aus. Deutschlandweit lag die Gesamtsumme im vergangenen Jahr bei mindestens 900 Millionen Euro. Im Saarland profitieren davon die kommunal getragenen Häuser. Dadurch ist der ökonomische Druck gemeinnütziger Einrichtungen höher. Kirchliche und andere gemeinnützige Klinikbetreiber bleiben auf ihren Defiziten sitzen. Das führt tatsächlich zu einer Wettbewerbsverzerrung, die wahrscheinlich rechtswidrig ist, wie das angesprochene Gutachten zeigt. Die Länder sind in der Verantwortung ihren Verpflichtungen der Investitionskostenfinanzierung nachzukommen.
In Neunkirchen versucht die Kreuznacher Diakonie seit fast zweieinhalb Jahren ihr Krankenhaus, das sie erst 2016 von der Stadt übernommen hat, wieder zu verkaufen. Könnte das Marienhaus-Klinikum in Neunkirchen die gesamte Versorgung der Stadt allein bewältigen? SPOTTKE Ja, wir haben die Leistungsfähigkeit unseres Marienhaus-Klinikums in Neunkirchen in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert. Unser Krankenhaus, das gerade mal fünf Kilometer vom Diakonie-Klinikum entfernt liegt, wäre in der Lage, Neunkirchen und auch das Umland in den angebotenen Disziplinen allein zu versorgen. Doch das ist politisch offenbar derzeit nicht gewollt. Wir sind uns sicher, dass gemeinsame Gespräche von Trägern und Politik in dieser Zeit zwingend erforderlich sind. Wir planen, die Innere Medizin und Chirurgie in Neunkirchen auszubauen und würden bei Bedarf auch andere Bereiche erweitern. Dies verbunden mit entsprechenden baulichen Maßnahmen.
Gibt es im Saarland zu viele Krankenhäuser?
SPOTTKE Fokussiert werden sollte der Abbau von vorhandenen Doppelstrukturen. Neben Neunkirchen gibt es auch in Saarbrücken und Saarlouis jeweils Kliniken, deren Leistungsangebote sich teilweise überschneiden. Das gilt auch für weitere Krankenhäuser im Saarland, die eng benachbart sind. Dazu braucht es Mut und Entschlossenheit seitens der Landes- und Kommunalpolitik, Doppel- und Mehrfachstrukturen zu reduzieren.
Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigte Krankenhausreform zielt ja darauf ab, Doppel- und Mehrfachstrukturen zu beseitigen.
SPOTTKE Diese Krankenhausreform ist absolut notwendig und stößt im Gesundheitssystem auf breite Zustimmung. Doch bei den Beratungen haben sich Bund und Länder verrannt, es geht nicht voran. Die dringend erforderliche finanzielle Entlastung der Kliniken ist nicht in Sicht. Selbst wenn die Reform in Kürze beschlossen wird, müssen die
Länder ihre Krankenhausplanung noch daran anpassen und umsetzen. Es wird also noch einige Jahre dauern, bis das Geld anders verteilt wird. Daher befürchte ich, dass bis dahin weitere Krankenhäuser pleite gehen. Die Insolvenzen der vergangenen Monate haben gezeigt, wohin es führt, wenn Kliniken durch falsche politische Rahmenbedingungen in die Enge getrieben werden. Dadurch verschwinden leider auch Häuser, die für die medizinische Versorgung unverzichtbar sind. Das kann zu Versorgungsengpässen führen.
Der aktuelle Krankenhausplan für das Saarland, der festlegt, welche medizinischen Leistungen die Krankenhäuser anbieten dürfen, läuft 2025 aus. Hat das saarländische Gesundheitsministerium
Sie schon zu Gesprächen über den neuen Krankenhausplan eingeladen?
SPOTTKE Diese Frage hängt auch damit zusammen, dass die Kran
kenhausreform des Bundes auf sich warten lässt. Doch es ist keine Zeit mehr. 2024 wird ein Schicksalsjahr für das Gesundheitssystem. Der Bund muss daher mit den Ländern eine schnelle Einigung bei der Gesundheitsreform erzielen oder den Ländern freie Hand bei ihren Krankenhausplanungen lassen.
Haben Sie schon Ideen für einen neuen Krankenhausplan im Saarland?
SPOTTKE Ich wünsche mir einen mutigen Krankenhausplan. Damit die Kliniken im Saarland in Zukunft auskömmliche Einnahmen erzielen können, müssen teure Doppelstrukturen abgebaut und eine enge Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Krankenhäusern der verschiedenen Träger aufgebaut werden. Dazu müsste das Ministerium als zuständige Planungsbehörde alle Klinikträger an einen Tisch holen. Denn eine solche Versorgungsstruktur, bei der ja auch bisherige stationäre Therapien zunehmend in
den ambulanten Bereich verlagert werden müssen, kann nur gemeinsam erarbeitet werden. Die Marienhaus-Gruppe ist bereit, konstruktiv mitzuarbeiten. Nordrhein-Westfalen hat diese notwendige Transformation bereits eingeleitet. Dabei zeigt sich, dass dafür eine entsprechende Finanzierung der Länder erforderlich ist.
Wie können Krankenhäuser in Zukunft genug Geld verdienen?
SPOTTKE Derzeit bekommen alle Krankenhäuser für jede Behandlung und Operation, die sie durchführen, eine je Bundesland einheitliche Vergütung, die so genannte Fallpauschale. Diese ist in vielen Fällen zu niedrig, weshalb viele der Kliniken tief in die roten Zahlen gerutscht sind. Im Rahmen der Krankenhausreform gibt es Pläne, solche Fallpauschalen nur noch für komplexe, anspruchsvolle Therapien und Eingriffe, die nur in spezialisierten, hochqualifizierten Kliniken durchgeführt werden dür
fen, beizubehalten.
Und wie werden nicht-spezialisierte Kliniken finanziert?
SPOTTKE Kleinere Krankenhäuser, die in ländlichen Regionen eine medizinische Grundversorgung sicherstellen sollen, würden über Vorhaltepauschalen finanziert. Das heißt, sie sollen Geld allein für das Vorhalten bestimmter Leistungen erhalten, unabhängig von der Zahl der Patienten. Leider will Gesundheitsminister Lauterbach die Höhe der Vorhaltepauschale von der Anzahl der in den vergangenen Jahren behandelten Patienten abhängig machen. Für Häuser mit derzeit geringer Auslastung gäbe es also wieder nicht genug Geld. Somit blieben die alten Finanzierungsprobleme bestehen. Und das darf nicht sein. Wir brauchen Vorhaltepauschalen, die die tatsächlichen Kosten decken.