„Das Festival macht so viel Mut zum Kino“
Viel Liebe zum Festival – und viel Kritik an den aktuellen politischen Zuständen. Das waren die Themen beim Finale des 45. Filmfestivals Max Ophüls Preis am Samstag im Saarbrücker E-Werk.
Triumph für zwei Filme, die kaum unterschiedlicher sein könnten, zumindest auf den ersten Blick. Da ist „Electric Fields“– in Schwarzweiß, in einem altertümlichen, fast quadratischen Bildformat, der poetisch freischwebend und episodisch von Leben, Liebe und Tod erzählt, dabei Melancholie und Hoffnung, Trauer und Komik wunderbar zusammenbringt. Und da ist „Jenseits der blauen Grenze“, die Geschichte einer Flucht aus der DDR über die Ostsee – im Breitwandformat, schnörkellos, klassisches „Erzählkino“, sehr spannend und bewegend. Und doch haben beide Filme Grundlegendes gemeinsam. Ihre Regisseurinnen Lisa Gertsch und Sarah Neumann gehen absolut souverän vor, jeder Film findet seine passende Form, und das wurde beim 45. Filmfestival Max Ophüls Preis honoriert. Jeder der beiden Filme gewann am Samstagabend im Saarbrücker E-Werk drei Preise, „Electric Fields“den Hauptpreis.
Für die anderen Produktionen des Spielfilmwettbewerbs blieb da nicht mehr viel übrig, was man nachvollziehen kann. Der Wettbewerb war in diesem Jahr insgesamt nicht überragend; einigen Spielfilmen fehlte das letzte Quäntchen, um ganz zu überzeugen; andere hatten zu wenig Geschichte für ihre Laufzeit. Doch einen Film des Spielfilmwettbewerbs musste man bei den Preisträgern schmerzlich vermissen: Sebastian Fritzschs kraftvolle, intensive Liebesund Krisengeschichte „Der Wald in mir“ging leer aus. Schade.
Zwei Themen zogen sich durch die Reden des Abends, den Simin Sadeghi und Tobias Krell moderierten: viel Liebe für das Festival auf der einen Seite, Kritik an der aktuellen politischen Lage auf der anderen. Liebe kam unter anderem von Regisseur Christian Schwochoch. Der war einst studentischer Moderator beim Fes
tival in Saarbrücken, ist mittlerweile gefeierter Filmemacher, ob bei „The Crown“oder im deutschen Kino – und war diesmal Tribute-Gast mit Filmreihe und Werkstattgespräch. „Ich liebe es, und zwar sehr“, sagte er in Richtung Ophüls. „Das Festival macht so viel Mut zum Kino, der uns sonst ja oft weggenommen wird.“In Saarbrücken habe er einst auch seine ersten Verrisse seitens der Kritik bekommen. Sein Rat an die jungen Kolleginnen und Kollegen: „Das muss man lernen – aufstehen und weitermachen.“
So sah es auch die Ophüls-Leiterin Svenja Böttger, die nach dieser Festivalwoche nahezu keine Stimme mehr hatte: „Man muss lernen, mit
Enttäuschungen umzugehen“, sagte sie. „Ihr seid das Kino von morgen – erzählt Eure Geschichten.“Wobei unter anderem Schauspielpreisträger Joshua Bader („Söder“im Mittellangen Wettbewerb) an die oft prekäre Situation des Nachwuchses erinnerte: „An die Förderstellen: Bitte gebt uns jungen Filmschaffenden viel Geld, damit wir unsere Geschichte erzählen können. Danke!“
In diesem Zusammenhang zitierte Andréas-Benjamin Seyfert, Ur-Enkel des Festival-Namensgebers Max Ophüls, einen Satz aus dessen Film „Die verkaufte Braut“, der diesmal als Hommage an den Regisseur zu sehen war: „Kunst ist schön, aber sie macht auch Arbeit.“
Doppelt prämiert wurde im Wettbewerb des Mittelangen Films (zwischen 25 und 65 Minuten) „Land der Berge“über einen Vater, dem die Ausweisung droht; Bleiberecht wird ihm nur bei regelmäßiger Arbeit eingeräumt – die bekommt er aber nur, wenn er Bleiberecht hat. Ein bitterer, dabei lakonisch erzählter Film aus Österreich, dessen Regisseurin und Autorin Olga Kosanovic bei der Preisverleihung daran erinnerte, „dass viele Menschen, die hier sitzen, inklusive mir, in einer Geburtenlotterie gewonnen haben, weil sie in Deutschland, Österreich oder der Schweiz auf die Welt gekommen sind.“Für viele andere Menschen, „unsere Mitmenschen“, sei es nicht so einfach, „weil sie nicht diese Papiere in die Wiege gelegt bekommen haben“. Man müsse in der Gesellschaft mehr aufeinander aufpassen, solidarischer sein.
Ähnliches sagte Regisseur Hannes Schilling, dessen eindringlicher, sehenswerter Schwarzweiß-Spielfilm „Good News“über einen rücksichtslosen deutschen Journalisten in Thailand den „Preis für den gesellschaftlich relevanten Film“gewann. Man müsse sich „selbst ins Blickfeld nehmen, sich selbst hinterfragen und soll nicht Ausbeutung reproduzieren, sich nicht über andere stellen“.
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) lobte, „dass Themen wie Flucht und Migration beim Festival behandelt und honoriert werden, gerade in Zeiten, in denen andere von ‚Remigration` schwadronieren“. Menschen seien nicht „Probleme, die man irgendwohin schieben kann“. Die saarländische Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) ermunterte die jungen Filmschaffenden zu ihrer notwendigen Arbeit, denn „ohne eine kritische Auseinandersetzung mit dem, was in diesem Land passiert, geht unsere Freiheit verloren“.
Lara Milena Brose wurde für ihre Doku „Echoes from Borderland“ausgezeichnet, die die Flucht einer 15-Jährigen vor den Taliban nachzeichnet; die Regisseurin dankte unter anderem ihrer iranischen Editorin Aora Helmzadeh, „die leider inzwischen Deutschland verlassen musste – wegen der Scheiß-Asylpolitik“. Sie appellierte, politische Dokumentarfilme zu drehen, gerade in diesen Zeiten: Seit acht Jahren sei sie an EU-Außengrenzen unterwegs, „die Situation wird immer schlimmer, die Grenzen werden immer mehr hochmilitarisiert, es gibt immer mehr Leid, immer mehr Gewalt. Diese Gewalt wird uns irgendwann auf die Füße fallen.“
Eine eindringliche Rede kam auch von der alevitisch-kurdischen Regisseurin Bahar Bektas. Sie widmete den Preis für ihre Doku „Exile never ends“allen Menschen, die im Exil leben müssen. Exil bedeute „Anpassung an eine neue Kultur“, Verlust von Familie und „von allem, was man je hatte“.
Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) freute sich über die vollen Kinos in der Festivalwoche und lobte Ophüls nochmals als „wichtigstes Nachwuchsfestival im deutschsprachigen Raum“. Dass Stadt und Land das gleichermaßen so sehen und die finanzielle Unterstützung für das Festival ausgeweitet haben (wir berichteten), freute unter anderem auch die FestivalGeschäftsführerin Sabine Dengel, Saarbrückens Kulturdezernentin – das gebe, sagte sie, in schwierigen Zeiten „ein Sicherheitsgefühl“.
Sicher ist in jedem Fall der nächste Festivaltermin – vom 20. bis zum 26. Januar 2025. Aber so ganz zu Ende ist der aktuelle Ophüls-Jahrgang noch nicht: Bis zum 5. Februar kann man sich im Streaming des Festivals noch einige Filme des Programms anschauen, darunter Preisträger wie „Land der Berge“, „Good News“, „Söder“, „Syncope“und „Electric Fields“
Infos und Streaming unter www.ffmop.de
Interviews zu „Jenseits der blauen Grenze“und „Good News“unter www.saarbruecker-zeitung.de