Saarbruecker Zeitung

Heinz-Rudolf Kunze und der „Irrsinn der Welt“

Beim Konzert in der ausverkauf­ten Congressha­lle setzte sich Liedermach­er Heinz-Rudolf Kunze mit brandaktue­llen Themen auseinande­r und traf einen berühmten saarländis­chen Fan.

- VON MARKO VÖLKE Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Martin Wittenmeie­r

Sphärische Klänge dringen durch die abgedunkel­te Saarbrücke­r Congressha­lle – düster, experiment­ell, scheinbar endlos. Die Spannung im Publikum steigt. Dann betritt plötzlich ein Mann in einer Zwangsjack­e die Bühne. Sie wird entfernt, als er anfängt zu singen, seinen Song „Irrsinn“anstimmt. Das Konzert des Liedermach­ers HeinzRudol­f Kunze am Samstagabe­nd in der ausverkauf­ten Congressha­lle setzte sich mit dem aktuellen „Irrsinn der Welt“auseinande­r: Krieg, Unmenschli­chkeit, mangelnde Zivilcoura­ge, Rassismus und weitere Themen lagen dem engagierte­n Künstler am Herzen: „Ich pflanze einen Baum um meine Wut“lautet eine Zeile in dem Lied „Der schwere Mut“. Denn diese Wut sei die Essenz, von dem seine Musik lebe.

Heinz-Rudolf Kunze ist ein ewiger Rebell. Wenn auch ein gutmütiger. Ganz im Sinne einiger bekannter Schriftste­ller zelebriert­e der intellektu­elle Poet eine gewaltlose Revolte, die zum kritischen Denken animieren soll: Songs wie „Igor“, ein Lied über einen russischen Soldaten, der zu einer Kampfmasch­ine erzogen wird und vor dem Kriegsgeri­cht landet, sorgten für nachdenkli­che Momente im Saal. Der Song knüpfte an den beliebten Klassiker „Leningrad“an und beleuchtet­e das aktuelle politische Problem von einer anderen Seite: „Wie geht es Ihnen, Herr Putin? Wie schlafen Sie bei Nacht? Was haben Sie mit diesem Jungen aus Leningrad gemacht?“, fragte Kunze. Auch der Titel „Aller Herren Länder“thematisie­rte den interkultu­rellen Zusammenha­lt. „Du wirst nie zu Hause sein, wenn du keinen Gast, keine Freunde hast“, sang Heinz-Rudolf Kunze darin in gewohnt enthusiast­ischer Manier.

Was seine Fans in der Congressha­lle nicht wussten: Im Publikum war eine gute Freundin von ihm, die sich seit Jahrzehnte­n auch immer wieder für ein Leben ohne Krieg

einsetzt: Nicole, deren Song „Ein bisschen Frieden“längst zu einer Hymne geworden ist. Die Schlagersä­ngerin hatte es sich nicht nehmen lassen, für dieses Konzert nach Saarbrücke­n zu kommen.

Anlässlich ihres anstehende­n 60. Geburtstag­es erwarte die Fans ein neues Album, das wahrschein­lich im Herbst erscheinen werde, erklärte sie im exklusiven Interview mit der Saarbrücke­r Zeitung hinter den Kulissen der Congressha­lle. Kunze sei ebenfalls involviert: „Wir sammeln gerade einige Ideen“, freute sich Nicole.

Und Kunze blickte im SZ-Gespräch zurück: „Wir sind schon seit 1982 oder so befreundet. Da haben wir uns auf einem Pop-Radio-Festival in Österreich kennen gelernt. Sie hat den ersten und ich den zweiten Platz gemacht – vor allen Österreich­ern“, sagt er schmunzeln­d. Beruflich arbeiten die beiden dagegen erst seit einigen Jahren zusammen. Nicoles langjährig­er Produzent Ralph Siegel habe zwar schon früher öfter mal versucht, sie zusammen zu bringen. „Aber das

hat dann irgendwie nie geklappt. Erst, seit sie getrennt sind, arbeiten wir ein bisschen zusammen und das macht richtig Spaß“, steht für Kunze fest. „Es ist sehr angenehm, mit ihr im Studio zu arbeiten. Sie kann singen – das kann man nicht von allen

Kollegen sagen“, lobte er Nicole.

Doch zurück zu dem Konzert: Kunze versteht sich selbst als Liedermach­er in der Tradition von Bob Dylan, dessen rebellisch­en Geist er sehr schätze. Er ist ein Kind der 68er-Bewegung, die sich gegen so

ziale Missstände stark machte, um diese zu beseitigen. Vielleicht trifft er genau deswegen den Nerv mehrerer Generation­en, die er im Saal vereinte und die unter aktuellen gesellscha­ftlichen Problemen leiden. Dennoch sei ihm nie etwas in den Schoß gefallen, wie er in dem Titelsong „Können vor Lachen“erklärte: „Erst kommt das Können – und dann das Lachen“, betonte Heinz-Rudolf Kunze. Dies bedeute im Klartext: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Trotz vieler gesellscha­ftskritisc­her Texte blieb am Samstagabe­nd genug Platz für einige Scherze – und natürlich die Liebe. Mit Songs wie seinem bekanntest­en Hit „Dein ist mein ganzes Herz“oder auch „Halt das Herz an“sang sich Kunze erneut in die Herzen seiner Fans. Zuweilen sang das Publikum den Refrain lautstark mit oder tanzte versunken. Bei einigen Balladen zückten die Besucher ihre I-Phones, um den Saal in ein Lichtermee­r zu verwandeln.

Erst nach mehreren Zugaben verließ Kunze kurz vor 23 Uhr die Bühne: „Wer mich schon lange kennt, weiß, dass ich immer wieder gerne im Saarland auftrete“, betonte Kunze. Im Gegensatz zu seinem letzten Lied des Abends „Wenn Du nicht wiederkomm­st“dürfen sich seine Fans also schon auf das nächste Konzert freuen.

Im SZ-Interview blickte Kunze dagegen noch mal auf eines seiner früheren Konzerte in der Region zurück, das es sogar in seine Biografie geschafft hat: „Das Saarland hält immer noch den Beifalls-LängenReko­rd“, sagte er und erzählte: „Wir haben mal in der Stadthalle Merzig gespielt. Da haben die Leute noch eine Viertelstu­nde geklatscht, nachdem das letzte Gerät abgebaut war. Das habe ich nie wieder irgendwo anders erlebt und das wird immer für mich mit dem Saarland und Merzig in Verbindung bleiben.“

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FOTOS (2): MARKO VÖLKE Liedermach­er Heinz-Rudolf Kunze begeistert­e das Publikum am Samstagabe­nd in der ausverkauf­ten Saarbrücke­r Congressha­lle.
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Bei seinem Konzert in Saarbrücke­n traf sich Heinz-Rudolf Kunze mit Nicole, mit der er schon lange befreundet ist.

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