Heinz-Rudolf Kunze und der „Irrsinn der Welt“
Beim Konzert in der ausverkauften Congresshalle setzte sich Liedermacher Heinz-Rudolf Kunze mit brandaktuellen Themen auseinander und traf einen berühmten saarländischen Fan.
Sphärische Klänge dringen durch die abgedunkelte Saarbrücker Congresshalle – düster, experimentell, scheinbar endlos. Die Spannung im Publikum steigt. Dann betritt plötzlich ein Mann in einer Zwangsjacke die Bühne. Sie wird entfernt, als er anfängt zu singen, seinen Song „Irrsinn“anstimmt. Das Konzert des Liedermachers HeinzRudolf Kunze am Samstagabend in der ausverkauften Congresshalle setzte sich mit dem aktuellen „Irrsinn der Welt“auseinander: Krieg, Unmenschlichkeit, mangelnde Zivilcourage, Rassismus und weitere Themen lagen dem engagierten Künstler am Herzen: „Ich pflanze einen Baum um meine Wut“lautet eine Zeile in dem Lied „Der schwere Mut“. Denn diese Wut sei die Essenz, von dem seine Musik lebe.
Heinz-Rudolf Kunze ist ein ewiger Rebell. Wenn auch ein gutmütiger. Ganz im Sinne einiger bekannter Schriftsteller zelebrierte der intellektuelle Poet eine gewaltlose Revolte, die zum kritischen Denken animieren soll: Songs wie „Igor“, ein Lied über einen russischen Soldaten, der zu einer Kampfmaschine erzogen wird und vor dem Kriegsgericht landet, sorgten für nachdenkliche Momente im Saal. Der Song knüpfte an den beliebten Klassiker „Leningrad“an und beleuchtete das aktuelle politische Problem von einer anderen Seite: „Wie geht es Ihnen, Herr Putin? Wie schlafen Sie bei Nacht? Was haben Sie mit diesem Jungen aus Leningrad gemacht?“, fragte Kunze. Auch der Titel „Aller Herren Länder“thematisierte den interkulturellen Zusammenhalt. „Du wirst nie zu Hause sein, wenn du keinen Gast, keine Freunde hast“, sang Heinz-Rudolf Kunze darin in gewohnt enthusiastischer Manier.
Was seine Fans in der Congresshalle nicht wussten: Im Publikum war eine gute Freundin von ihm, die sich seit Jahrzehnten auch immer wieder für ein Leben ohne Krieg
einsetzt: Nicole, deren Song „Ein bisschen Frieden“längst zu einer Hymne geworden ist. Die Schlagersängerin hatte es sich nicht nehmen lassen, für dieses Konzert nach Saarbrücken zu kommen.
Anlässlich ihres anstehenden 60. Geburtstages erwarte die Fans ein neues Album, das wahrscheinlich im Herbst erscheinen werde, erklärte sie im exklusiven Interview mit der Saarbrücker Zeitung hinter den Kulissen der Congresshalle. Kunze sei ebenfalls involviert: „Wir sammeln gerade einige Ideen“, freute sich Nicole.
Und Kunze blickte im SZ-Gespräch zurück: „Wir sind schon seit 1982 oder so befreundet. Da haben wir uns auf einem Pop-Radio-Festival in Österreich kennen gelernt. Sie hat den ersten und ich den zweiten Platz gemacht – vor allen Österreichern“, sagt er schmunzelnd. Beruflich arbeiten die beiden dagegen erst seit einigen Jahren zusammen. Nicoles langjähriger Produzent Ralph Siegel habe zwar schon früher öfter mal versucht, sie zusammen zu bringen. „Aber das
hat dann irgendwie nie geklappt. Erst, seit sie getrennt sind, arbeiten wir ein bisschen zusammen und das macht richtig Spaß“, steht für Kunze fest. „Es ist sehr angenehm, mit ihr im Studio zu arbeiten. Sie kann singen – das kann man nicht von allen
Kollegen sagen“, lobte er Nicole.
Doch zurück zu dem Konzert: Kunze versteht sich selbst als Liedermacher in der Tradition von Bob Dylan, dessen rebellischen Geist er sehr schätze. Er ist ein Kind der 68er-Bewegung, die sich gegen so
ziale Missstände stark machte, um diese zu beseitigen. Vielleicht trifft er genau deswegen den Nerv mehrerer Generationen, die er im Saal vereinte und die unter aktuellen gesellschaftlichen Problemen leiden. Dennoch sei ihm nie etwas in den Schoß gefallen, wie er in dem Titelsong „Können vor Lachen“erklärte: „Erst kommt das Können – und dann das Lachen“, betonte Heinz-Rudolf Kunze. Dies bedeute im Klartext: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Trotz vieler gesellschaftskritischer Texte blieb am Samstagabend genug Platz für einige Scherze – und natürlich die Liebe. Mit Songs wie seinem bekanntesten Hit „Dein ist mein ganzes Herz“oder auch „Halt das Herz an“sang sich Kunze erneut in die Herzen seiner Fans. Zuweilen sang das Publikum den Refrain lautstark mit oder tanzte versunken. Bei einigen Balladen zückten die Besucher ihre I-Phones, um den Saal in ein Lichtermeer zu verwandeln.
Erst nach mehreren Zugaben verließ Kunze kurz vor 23 Uhr die Bühne: „Wer mich schon lange kennt, weiß, dass ich immer wieder gerne im Saarland auftrete“, betonte Kunze. Im Gegensatz zu seinem letzten Lied des Abends „Wenn Du nicht wiederkommst“dürfen sich seine Fans also schon auf das nächste Konzert freuen.
Im SZ-Interview blickte Kunze dagegen noch mal auf eines seiner früheren Konzerte in der Region zurück, das es sogar in seine Biografie geschafft hat: „Das Saarland hält immer noch den Beifalls-LängenRekord“, sagte er und erzählte: „Wir haben mal in der Stadthalle Merzig gespielt. Da haben die Leute noch eine Viertelstunde geklatscht, nachdem das letzte Gerät abgebaut war. Das habe ich nie wieder irgendwo anders erlebt und das wird immer für mich mit dem Saarland und Merzig in Verbindung bleiben.“